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Mehr als 100 Beschäftigte des Autozulieferers im Werk in Reinickendorf müssen um ihre Arbeitsplätze fürchten.
© David-Wolfgang Ebener/dpa

Dunkle Zeiten für Berliner Industrie: Berliner Beschäftigten von Bosch und Osram drohen Kündigungen

In den Berliner Werken von Osram und Bosch wird es wohl zu Kündigungen kommen. Bosch erwägt sogar den Verkauf des Berliner Werks.

Es sind düstere Tage, die Berlins Industrie derzeit durchlebt. Beispiel Bosch: Mehr als 100 Beschäftigte des Autozulieferers im Werk in Reinickendorf müssen um ihre Arbeitsplätze fürchten. Denn nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall vom Montag kann es zu Kündigungen kommen. „Wenn jeder vierte oder fünfte Beschäftigte rausgeworfen werden soll, dann ist das ein Kahlschlag ohnegleichen“, kritisierte Betriebsratschefin Nicole Bock.

Bosch erwägt Verkauf des Berliner Werks

Die 530 Beschäftigten in Reinickendorf stellen Getriebepumpen sowie Hydraulikpumpen für Servolenkungen her. Nach Unternehmensangaben setzen Autohersteller aber immer stärker darauf, Lenkungen durch Elektromotoren zu unterstützen. Deshalb erwägt Bosch auch einen Verkauf des Berliner Werks.

Unabhängig davon müssten 90 Stellen wegfallen, sagte eine Sprecherin. Ob es Kündigungen gibt, sei noch offen. „Wir werden das möglichst sozialverträglich machen.“ Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat hätten erst begonnen. Bosch hatte die Kürzungen im August angekündigt.

Mitarbeiter von Osram bangen um Anstellung

Doch nicht nur beim Automobilzulieferer, auch die Berliner Mitarbeiter des Lichttechnikkonzerns Osram bangen dieser Tage um ihre Anstellung. Die IG Metall befürchtet, dass sich der kriselnde Konzern von 800 seiner 5600 Beschäftigten in Deutschland trennt. Osram werde „kaputtgespart“, warnt die Gewerkschaft. Zu einer Kundgebung vor dem Werk in Berlin kamen deshalb am Montag 350 Mitarbeitende, wie ein Sprecher der Gewerkschaft mitteilte. Weitere 800 Demonstranten versammelten sich vor der Konzernzentrale in München.

Osram strebe sozialverträgliche Lösungen an

Nach einem Verlust von 343 Millionen Euro in dem Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr hatte Osram angekündigt, den Arbeitsplatzabbau fortzusetzen. Anders als die IG Metall nennt der Konzern dazu keine Zahl, sondern verweist auf die laufenden Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern. Osram strebt nach eigenen Angaben sozialverträgliche Lösungen an. Binnen zwölf Monaten hat das Unternehmen die Belegschaft weltweit bereits um 2340 auf 23 500 Mitarbeiter reduziert.

Hauptgrund für Osrams schlechte Geschäftslage: Auto- und Smartphoneherstellern – die beiden wichtigsten Kundengruppen – haben eine immer geringere Nachfrage. Im Ende September abgeschlossenen Geschäftsjahr summierten sich die Verluste auf annähernd eine halbe Milliarde Euro. Der österreichische Sensorhersteller AMS will Osram übernehmen und hat ein Übernahmeangebot vorgelegt, das bis zum 5. Dezember läuft. IG Metall und Betriebsräte fürchten, dass das die Zerschlagung bedeuten würde.

Wirtschaftssenatorin warnt vor den Folgen

Im Kampf gegen AMS erlitten die Arbeitnehmervertreter am Montag vor Gericht allerdings einen Rückschlag. Der Betriebsrat hatte dagegen geklagt, dass der österreichische Konzern kurz nach dem Scheitern seines ersten Übernahmeangebots eine zweite Offerte platzierte. AMS nutzte damit eine Lücke im Gesetz, das nach Auffassung der IG Metall zwei Offerten nacheinander eigentlich verbietet. Doch das Oberlandesgericht Frankfurt entschied nun, dass der Betriebsrat kein Recht habe, die Freigabe der zweiten Offerte durch die Börsenaufsicht Bafin anzufechten.

Auch Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop warnte am Montag vor den Folgen, die die Übernahme für das Berliner Werk haben könnte. „Osram hat als Berliner Traditionsunternehmen eine große Bedeutung für unseren Wirtschaftsstandort. Deshalb verfolge ich die Pläne zur Übernahme des Unternehmens mit großer Aufmerksamkeit“, sagte die Grünen-Politikerin dem Tagesspiegel.

Osram und Bosch sind nur zwei von mehreren Fällen

„Jetzt geht es vor allem um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Sorgen. Das Unternehmen steht hier in besonderer Verantwortung für seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich erwarte, dass gemeinsam mit den Beschäftigten nach Lösungen gesucht wird.“ Die Senatorin hatte bereits angeboten, für Gespräche zwischen Konzern und Arbeitnehmervertretern zur Verfügung zu stehen. Osram und Bosch sind dabei nur zwei von mehreren Fällen, in denen Berliner Industriekonzerne in der jüngeren Vergangenheit den Abbau von Jobs angekündigt haben. So hatte Siemens im September angekündigt, dass in der Energiesparte 410 Stellen wegfallen. Zum Jahresende macht zudem das Philip-Morris-Werk in Neukölln zu – 950 Menschen verlieren damit ihre Jobs.

Umbruch in Berliner Industrie

Bei den Gewerkschaftern wird die Entwicklung mit Sorge verfolgt. „Wir beobachten in Berlin gerade einen Umbruch in der Industrie, der verschiedene Ursachen hat“, sagte Birgit Dietze, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, dem Tagesspiegel.

So hätten viele Konzerne aus der Automobilbranche mit den höheren rechtlichen Regulatorien zu kämpfen, die angesichts des Klimawandels an sie herangetragen würden. „Die CO2-Regulierung wurde erheblich verschärft, hinzu kommen heftige Strafzahlungen im Verlauf des Diesel-Skandals. Das bekommen Zulieferer wie Bosch jetzt natürlich zu spüren“, sagte Dietze.

Osram suchte zu lang nach Innovationen

In anderen Fällen seien die Firmen nicht ganz unbeteiligt an der schlechten Entwicklung ihrer Geschäfte. „Es stellt sich manchmal die Frage, wie zügig, wie kraftvoll und wie nachhaltig in neue Geschäftsfelder investiert wird“, sagte Dietze. Bei Osram etwa habe die Suche nach Innovationen zu lange gedauert: „In Berlin wurden da leider Chancen verschenkt, weil wir vor Ort ja sehr gut ausgebildete Facharbeiter haben, die bereitstanden, um mit den Entwicklern zusammenzuarbeiten.“

Keine Hoffnung nirgends also? Nicht ganz, denn die Ankündigung des amerikanischen Elektroauto-Herstellers Tesla, in Berlin und Brandenburg ein Entwicklungszentrum nebst einer Automobilfabrik zu eröffnen, begrüßte Dietze. „Das ist für uns eine traumhafte Nachricht gewesen. Wir hoffen jetzt, mit Tesla gute und faire Arbeitsbedingungen auszuhandeln.“ (mit dpa)

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