Souvenirs aus Berlin: Berlin zum Mitnehmen
Sommerzeit, Ferienzeit, Touristenzeit – Hochbetrieb für Berlins Souvenirshops. Doch das Geschäft mit den Andenken ist fragil.
Eine Frau im pinkfarbenen Regenponcho greift enthusiastisch nach einem blauen Plastikfernsehturm, aus dessen Spitze ein Strohhalm ragt: „Des find i lustig“, sagt sie zu ihrer Begleiterin. Neben den beiden stehen zwei Teenager, die kichernd einzeln verpackte Kondome begutachten: „Best lover in Berlin“ steht darauf. Ein Regal davor nimmt ein Mann ein Notizbuch in die Hand, auf dessen Cover ein Hund mit Sonnenbrille und einem Martiniglas in der rechten Pfote. Die Bildunterschrift: „Very Berlin“.
Die Szene spielt in einem Berliner Souvenirshop. Davon gibt es in der deutschen Hauptstadt etliche. Insbesondere rund um das Brandenburger Tor, den Fernsehturm, den Checkpoint Charlie und die Museumsinsel sind sie zu finden. Das Gewerbeamt zählt für den Stadtteil Mitte insgesamt 200 Läden, die den Terminus „Souvenir“ in ihrer Tätigkeitsbeschreibung angeben. Dazu gehören sowohl Buchläden und andere Gewerbe, bei denen der Andenkenverkauf nur einen Teil des Angebots ausmacht, als auch reine Souvenirshops. Und sogar der Bundestag hat solch einen Shop.
Unter den Linden reiht sich ein Shop an den anderen
In denen herrscht gerade Hochbetrieb, es ist schließlich Ferienzeit. In Berlin sind wieder zahlreiche Touristen unterwegs, die sind meist nicht nur neugierige Beobachter, sondern auch willige Konsumenten. Kein Wunder also, dass sich auf Berlins Tourimeile Unter den Linden ein Souvenirshop an den nächsten reiht. Einer der großen Player unter ihnen ist „Muddastadt Berlin“. Der Großhändler lockt nach eigener Zählung jährlich sechs Millionen Besucher in seine Läden – und bietet ihnen ein breites Warensortiment. Der erste Bestseller war eine Dose Berliner Luft, inspiriert von Paul Linckes Marschmusik „Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft“. Inzwischen verkauft das Unternehmen über 7000 Artikel – vom klassischen „I love Berlin“-Shirt über Magneten mit dem Brandenburger Tor bis hin zu Käthe-Kruse-Puppen.
Muddastadt Berlin, selbsternannter Berliner Souvenir-Branchenführer, hatte seinen großen Durchbruch vor etwa zwölf Jahren. „Die WM 2006 hat Bilder produziert, die für Berlin gesprochen haben. Berlin-Bilder gingen um die Welt. Damals konnten wir unsere Läden von sechs auf zwölf verdoppeln“, erzählt Sprecher Maximilian Forst. Inzwischen hat die Kette insgesamt 20 Shops in Berlin, davon liegen gleich mehrere Unter den Linden. Der Standort erwies sich in letzter Zeit allerdings als weniger profitabel: Seit Jahren rütteln Baufahrzeuge über die Straße, Absperrungen verdecken die Eingänge von Geschäften. „Unter den Linden sind die Umsätze wegen der Dauerbaustelle ziemlich eingebrochen“, sagt Forst.
Die Air-Berlin-Pleite war auch schlecht fürs Souvenirgeschäft
Insgesamt sei das Geschäft mit dem Tourismus sowieso sehr fragil. „Die Tourismuswirtschaft ist ein ganz empfindliches System, Menschen sind schnell beeinflussbar“, sagt Forst. So hätte man eben nicht auf alle Faktoren Einfluss: „Die Air-Berlin-Pleite hat uns getroffen und auch der Anschlag am Breitscheidplatz.“ Die letzten beiden Jahre seien deshalb schwierig gewesen für das Unternehmen, in diesem Jahr entwickelten sich die Zahlen aber positiv, man expandiert weiter. Wo es geht, werden neue Shops eröffnet: „Wir sind immer offen für Mietangebote“, sagt Forst.
Ähnliche Stimmung herrscht beim Mitbewerber Max 2001. Der Souvenir-Anbieter, der vor allem durch sein buntes Berlin-Logo bekannt ist, hat zurzeit zehn Läden in Berlin und würde ebenfalls gerne weiter expandieren – man suche nach neuen Standorten, sagt der Shopverantwortliche Andreas Waschulewski. Er hält die Bedingungen in Berlin für gut. „Durch den Mauerfall ist die Stadt für viele wahnsinnig interessant und die vielen Museen in der Stadt sorgen ebenfalls dafür, dass viele Touristen kommen.“ Allerdings explodierten auch die Mieten, was sich auf die Ladenmieten auswirke, beschreibt er die Kehrseite der Medaille. „Wenn man Schlüsselanhänger für vier Euro verkauft, dann ist das kein Selbstläufer“, sagt Waschulewski. Gleichzeitig gebe es für Gewerbe selten Mietverträge unter zehn Jahren. Insofern sei die Eröffnung eines neuen Ladens immer auch ein Wagnis. „Man sollte sich vorher schon relativ sicher sein, dass ein Laden funktioniert, sonst müssen das die anderen Läden ausgleichen.“ Das funktioniert natürlich nur, wenn man auch andere Läden hat. Souveniranbieter, die mit einem einzelnen Laden über die Runden kommen wollen, gehen bei Mietabschluss also ein besonderes Risiko ein. Ob sie durch Unternehmen wie Muddastadt oder Max 2001 verdrängt werden?
"Konkurrenz belebt", heißt es in der Branche
Forst glaubt das nicht: „Mitbewerber scheiden zum Teil auch aus Altersgründen aus“, sagt er. Das Unternehmen habe seines Wissens nach nie einen Shop direkt neben einem Mitbewerber betrieben, bei dem es nicht so gut lief. Auch Waschulewski glaubt nicht, dass sich die Souvenirläden in Berlin gegenseitig schaden, im Gegenteil: „Im Dom Aquarée sind neben unserem Shop auch noch andere Souvenirläden. Ich glaube, dass die sich gegenseitig befruchten, weil sie so gemeinsam mit einem breiten Angebot auf sich aufmerksam machen.“ Er ist überzeugt: „Konkurrenz belebt.“
Wenn das tatsächlich stimmt, könnte Berlin-Mitte irgendwann komplett aus Souvenirläden bestehen. Regulierungen, um die Gesamtzahl der Shops zu beschränken oder die Monopolstellung eines einzelnen zu verhindern, gibt es laut Bezirksamt nämlich nicht. Und fragt man bei Visit Berlin, Berlins offizieller Tourismus-Organisation, nach, gehen Souvenirläden und Tourismus gewissermaßen Hand in Hand: „Durch Souvenirs nehmen Menschen ein Stückchen Berlin mit nach Hause und in die Welt“, sagt Sprecher Christian Tänzler. Die Mitbringsel seien ihren Käufern nicht nur eine Erinnerung, wiederzukommen, sondern lieferten auch den perfekten Aufhänger, um anderen von ihrem Berlin-Trip zu erzählen. „So bewegen sie vielleicht auch andere zu einem Besuch.“
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