Unfälle zwischen Lkw und Radfahrern: Berlin will Pflicht für Abbiegeassistenten bei Lastwagen
Auch die Nachrüstung schwerer Lastwagen soll Pflicht werden. Die Technik ist jedoch noch nicht ausgereift.
Während die Meldungen über schwere Radverkehrsunfälle nicht abreißen, bemüht sich der Senat zusammen mit anderen Ländern beim Bund, eine Hauptursache in den Griff zu bekommen: Am Freitag brachte Berlin gemeinsam mit anderen Ländern eine Entschließung in den Bundesrat ein, laut der Abbiegeassistenten für schwere Lastwagen Pflicht werden sollen – einschließlich Nachrüstung. Dafür soll sich die Bundesregierung bei der EU einsetzen – und zugleich Fördermöglichkeiten schaffen und bei Versicherungen auf Rabatte für entsprechend ausgestattete Lastwagen dringen.
Gefordert werden Assistenten, die den Lkw-Fahrer beim Abbiegen vor Radfahrern und Fußgängern nicht nur warnen, sondern notfalls stoppen. Die Unterstützung der Fachwelt ist einhellig: „Es kann nicht sein, dass weitere Jahre vergehen müssen, in denen vor allem Radfahrer bei Rechtsabbiegeunfällen schwer verletzt werden oder sterben müssen, weil die Industrie der Entwicklung von Abbiegeassistenten nicht genügend Priorität einräumt“, heißt es beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Der ADFC fordert dazu ein Sofortprogramm des Bundes, um Kommunalfahrzeuge wie Müllwagen entsprechend nachzurüsten.
Die Assistenten könnten Hunderte Leben retten
Allerdings gibt es noch gar keine ausgereifte Technik. Laut der Unfallforschung der Versicherer (UDV) existiert abgesehen von teils unzulänglichen Nachrüstlösungen nur ein von Daimler angebotenes System, das den Fahrer warnt, aber nicht bremst. Dieses System sei bisher auf Lkw mit glattflächigen Aufbauten beschränkt. Als Übergangslösung fordert die UDV Kamera-Monitor-Systeme für Lastwagen.
Nach ADFC-Angaben steigt die Zahl der durch abbiegende Lkw getöteten Radfahrer seit Jahren. 2017 seien es bundesweit 38 gewesen, in diesem Jahr bereits elf. Die UDV schätzt anhand eigener Untersuchungen, dass Abbiegeassistenten in Lastwagen jährlich fast 200 Radfahrer vor tödlichen oder schweren Verletzungen bewahren könnten.
Allein am Donnerstag gab es zwei "Dooring"-Unfälle
Als weitere Ursache schwerer Unfälle rückt zunehmend das sogenannte „Dooring“ in den Fokus, bei dem Radfahrer gegen unachtsam geöffnete Autotüren prallen. Allein am Donnerstag wurden zwei Radfahrer bei solchen Unfällen schwer verletzt: Morgens war ein 48-Jähriger schwer gestürzt, als die Beifahrerin eines Opels am Halleschen Ufer die Tür aufriss. Am Nachmittag prallte dann auf der Wilhelmstraße eine 39-Jährige gegen die Fahrertür eines Mercedes. Auch hier wurde die Radfahrerin schwer verletzt.
2017 kosteten solche Unfälle zwei Menschen in Berlin das Leben; auch in diesem Jahr gab es bereits ein Todesopfer. Einen genauen Überblick über das Ausmaß des Problems hat die Polizei mangels Daten nicht: „Das fällt in der Statistik nach wie vor unter ,Fehler beim Ein- oder Aussteigen‘“, hieß es am Freitag im Präsidium. Diese Unfallkategorie ist die zweithäufigste, wenn es zwischen Autos und Radlern kracht.
Autofahrer sollen "Holländischen Griff" lernen
Da die Polizei diese Unachtsamkeit im Gegensatz zu anderen Unfallarten kaum „auf frischer Tat“ feststellen kann, bleibt nur Vorsorge. Um die bemüht sich auch die Verkehrsverwaltung, die Ende März eine entsprechende Kampagne startete, an der sich auch der Fahrlehrerverband beteiligt. Dabei soll Autofahrern wie Beifahrern der sogenannte Holländische Griff angewöhnt werden: Die linken Türen werden mit der rechten Hand geöffnet, die rechten mit der linken. Dadurch dreht man sich vor dem Aussteigen automatisch zur Seite und sieht über die Schulter. Radfahrern bleibt nur, vorsorglich mindestens einen Meter Abstand zu parkenden Autos zu halten. Viele Radwege und Radfahrstreifen sind allerdings so schmal, dass das nur schwer möglich ist.
Zwei weitere schwere Unfälle vom Donnerstag hatten andere Ursachen: An der Martin-Luther-Straße verunglückte am Nachmittag ein 26-jähriger Radler, als aus der Lietzenburger Straße ein Autofahrer bei Rot in die Kreuzung fuhr. Und in der Oranienstraße rammte ein Geländewagenfahrer beim Einparken eine 26-jährige Radfahrerin. Auch sie wurde schwer verletzt.
Stefan Jacobs