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Gibt die Richtung vor und ist ein Freund des Nahverkehrs: Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel im Führerhaus einer Straßenbahn.
© Lukas Schulze/dpa

3,9 Millionen Einwohner im Jahr 2030: Berlin wächst viel schneller als gedacht

Die Einwohnerzahl der Stadt steigt offenbar rasant. Das hat Folgen für ihre Entwicklung. Senator Andreas Geisel will mehr Wohnungen bauen – aber die Freiflächen erhalten.

Berlin wächst explosiv. Im Jahr 2030 wird die Hauptstadt mehr als 3,9 Millionen Einwohner haben. Das kündigte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) am Montag an. Die geltende Prognose müsse „deutlich nach oben korrigiert“ werden, sagte er beim Unternehmer-Frühstück der Industrie- und Handelskammer (IHK). Bisher rechnete der Senat damit, dass die Zahl der Berliner von 2011 bis 2030 um 250 000 Menschen steigen werde. Das war die „mittlere Variante“ der Statistik. Eine „obere Variante“ ging von 400 000 zusätzlichen Bewohnern aus. Geisel erwartet nun, dass auch die Maximalprognose übertroffen wird.

Momentan hat Berlin knapp 3,5 Millionen Einwohner. Seit drei Jahren wächst die Stadt um jährlich 45 000 Menschen, ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Zum Jahresende wird die Stadtentwicklungsbehörde deshalb Daten vorlegen, die der neuen Lebenswirklichkeit besser entsprechen. Geisel sprach sich in seinem Vortrag bei der IHK dagegen aus, den neuen Trend als bedrohlich zu empfinden. „Das Wachstum Berlins ist ein großes Glück.“ Außerdem fragten die Menschen nicht den Senat, ob sie in die Hauptstadt ziehen dürften.

Geisel: Freiflächen müssen bleiben

Also gebe es nur zwei Alternativen, sagte Geisel: „Es hinzunehmen oder das Wachstum verantwortlich zu steuern.“ Er bevorzuge die zweite Variante. „Auch wenn das Arbeit macht.“ Das explosive Bevölkerungswachstum wird nach Meinung des Senators auch die geltende Wohnungs- und Verkehrspolitik verändern. Bisher setzte die Regierung auf den Neubau von 10 000 bis 15 000 Wohnungen jährlich, um die steigende Nachfrage langfristig zu decken. Angesichts der neuen Prognose werde das nicht reichen, sagte Geisel. Er kündigte außerdem an, dass der Haushaltsentwurf von 2016/17 die öffentliche Förderung von jährlich 3000 neuen Wohnungen vorsehe. Bisher war Geld für 1000 Wohnungen da.

Trotzdem sprach sich der SPD-Politiker dafür aus, mit den Frei- und Grünflächen Berlins sorgsam umzugehen, „um die besondere Attraktivität der Stadt zu erhalten“. Deshalb müsse der Wohnungs- und Gewerbebau an anderen Stellen verdichtet werden. Als Beispiel nannte Geisel die Senatspläne für 5000 neue Wohnungen im Kurt-Schumacher-Quartier. Diese Siedlung soll nach der Schließung des Flughafens Tegel entstehen. Im Januar oder Februar 2016 werde das Wettbewerbsverfahren dafür beginnen.

3,5 Millionen Menschen werden das Humboldt-Forum besuchen - die brauchen Platz

Berlin müsse auch mehr Verkehr bewältigen, sagte der Senator. Nicht nur Straßenbahn- und Buslinien, auch die U-Bahn müsse in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ausgebaut werden. Geisel bekannte sich auch zur Sanierung des öffentlichen Nahverkehrs, der Straßen und Brücken. „Wir leben seit Langem von der Substanz.“ Die Planungsabteilung in der Stadtentwicklungsbehörde werde personell aufgestockt, kündigte er an. Berlin könne es sich nicht mehr leisten, nur „auf Sicht“ zu fahren.

Wie schwierig es wird, die Berliner und ihre Gäste mobil zu halten, erläuterte Geisel am Beispiel des Humboldt-Forums, das 2019 eröffnet wird. Dann werde sich die Zahl der Besucher rund um den Schlossbau auf 3,5 Millionen Menschen jährlich verdoppeln. „Deshalb müssen wir dort die Straßen und Plätze so gestalten, dass alle untergebracht werden können.“ Das gelte nicht zuletzt für die Gestaltung der Breiten Straße.

Der Senator nahm den Autofahrern die Hoffnung, in der City künftig mehr Parkplätze vorzufinden. Die zusätzliche „Reservierung von Straßenland“ für den stehenden Verkehr lehne er ab. Geisel ist auch kein Freund zusätzlicher Bus- und Taxispuren und will sich eher für engere Fahrspuren in der Stadtmitte einsetzen. Simulationen etwa für den Molkenmarkt hätten ergeben, dass dies den Verkehrsfluss sogar beschleunigen könnte.

Ulrich Zawatka-Gerlach

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