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Update

Armutsreport Berlin-Brandenburg 2015: Berlin trennt sich zunehmend in Arm und Reich

Der neue Sozialbericht 2015 ist da, die Armut insgesamt ist rückläufig, aber zunehmend bleiben Arm und Reich unter sich. Grüne und Linke fordern eine Senatsstrategie zur Armutsbekämpfung.

In Berlin nimmt die Armut ab, das ist das Positive, aber es gibt auch eine schlechte Nachricht: die Segregation, die Entmischung von Arm und Reich, nimmt zu. Im Jahr 2014 lag der Anteil der armutsgefährdeten Bevölkerung im Landesmaßstab bei 14,1 Prozent, wie aus dem veröffentlichten „Regionalen Sozialbericht 2015“ des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg hervorgeht. Das ist im Vergleich zu 2012 (15,2 Prozent) ein Rückgang um mehr als einen Prozentpunkt (den vor drei Tagen erschienenen Armutsbericht des "Paritätischen Gesamtverbandes 2015" lesen Sie unter diesem Tagesspiegel-Link).

Besonders armutsgefährdet sind in der Bundeshauptstadt demnach Langzeitarbeitslose (51,9 Prozent), Personen mit niedrigem Bildungsabschluss (33,9 Prozent), Alleinerziehende (23,3 Prozent) sowie Familien mit drei oder mehr Kindern (26,9 Prozent).

Kampf gegen Gentrifizierung

Zu den Sorgenkindern zählen laut Statistischem Landesamt der Stadtbezirk Neukölln, wo 21,5 Prozent der Bevölkerung von Armut gefährdet sind, der Bezirk Spandau mit einem Anteil von 18,6 Prozent und Mitte mit 18,5 Prozent. Im Vergleich zu 2012 stehen Mitte (2012: 19 Prozent) und Neukölln (2012: 24,1 Prozent) allerdings etwas besser da, Spandau (2012: 17,1 Prozent) und Marzahn-Hellersdorf (2012: 15,1 Prozent) haben sich verschlechtert. Bezirke wie Pankow (6,9 Prozent) und Steglitz-Zehlendorf (7,8 Prozent) haben ihre Armutsquoten weiter reduziert und liegen noch deutlicher unter dem Landesdurchschnitt als 2012 (Pankow: 10,2 Prozent, Steglitz-Zehlendorf: 9,1 Prozent). Ein klarer Beleg für die Segregation. Die gute soziale Mischung in den Quartieren der Stadt verschlechtert sich, trotz Milieuschutz, Mietpreisbremse und Ankauf von Sozialwohnungen.

Die Problemfelder: Bildung und Wohnen

Eine Verfestigung des sozialen Ungleichgewichts innerhalb Berlins müsse verhindert werden, forderte Susanne Grull, Vertreterin der Landesarmutskonferenz Berlin und Professorin an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Nötig sei dafür eine ressortübergreifende Anti-Armutsstrategie. Besonders im Bereich Bildung sowie Wohnen müsse der Senat mehr zur Armutsbekämpfung tun. Eine der größten Aufgaben der neuen Landesregierung ab Herbst 2016 dürfe der Kampf gegen eine weitere Gentrifizierung, also gegen soziale Verdrängung durch steigende Mieten, sein, betonte Grull.

Ähnlich argumentieren Grüne und Linke. "Das Land braucht ein Konzept zur Armutsbekämpfung", sagt Elke Breitenbach, sozialpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion. Ein Teil davon sollte ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor (ÖBS) sein. Auch die Regelsätze für die Übernahme der Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern müssten dringend angehoben werden. Nicht nur für Flüchtlinge werde zusätzlicher bezahlbarer Wohnraum benötigt. "Armut ist ein komplexes Problem", sagt Katrin Schmidberger von den Grünen. Zur Lösung brauche es eine "ressortübergreifende Handlungsstrategie", die der Senat bislang vermissen lasse. Die Bezirke erhielten Anreize, in einen Wettbewerb um Gutverdiener einzutreten, etwa durch die Provisionen für Baugenehmigungen. Bezirke, die Plätze für Wohnungslose anbieten, würden dagegen gar nicht unterstützt. Auch mit den Standorten für den Bau von Modulbauten für Flüchtlinge heize der Senat die "sozialräumliche Spaltung" der Stadt weiter an.

Sozialsenator Czaja sieht die Politik "auf einem guten Weg"

Die Verwaltung von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) wertet den Armutsbericht dagegen als Bestätigung ihrer Politik: „Die Zahlen für 2014 machen noch einmal deutlich, dass der Senat mit seinen Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut auf einem guten Weg ist." Es sei gewährleistet, dass die "soziale Mischung in der Stadt erhalten bleibt.“

Die oft befürchtete Zunahme der Altersarmut spiegelt sich im Armutsbericht nicht wieder: Nur 6,7 Prozent der Berliner im Rentenalter sind demnach von Armut bedroht. Durch die demografische Entwicklung, also die steigende Zahl der Rentner, sei es zwar möglich, dass es in absoluten Zahlen mehr arme Rentner in Berlin gibt. „Aber der Gesamtanteil innerhalb dieser Gruppe steigt nicht“, betonte Ricarda Nauenburg, Referatsleiterin Mikrozensus beim Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Elke Breitenbach von den Linken prognostiziert dagegen in den nächsten Jahren eine stark steigende Altersarmut.

Deutlich wird, dass Minderjährige mit 18 Prozent und junge Erwachsene (25,5 Prozent) überproportional von Armut betroffen sind. Zu letzteren zählen junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, also jene, die sich im Ausbildungs- oder Studienalter befinden.

In Berlin steigen Einkommen langsamer

Das Statistische Landesamt Berlin-Brandenburg hat für die Armutsgefährdung einen regionalen Vergleichswert ermittelt, in den unter anderem die regionalen Lebenshaltungskosten sowie das regionale Einkommensniveau einfließen. Dabei wurde auch deutlich, dass in Berlin in den vergangenen Jahren die Einkommen weniger stark gestiegen sind als im bundesweiten Vergleich, erklärte Nauenburg weiter.

Die Ergebnisse des Landesamts für Statistik zur Armutsgefährdung unterscheiden sich deshalb von denen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Dieser hatte Anfang der Woche seinen „Bericht zur Armutsentwicklung 2016“ veröffentlicht, wonach die Armutsquote in Berlin von 21,4 Prozent im Jahr 2013 auf 20 Prozent in 2014 gefallen war. Hier wurde ein bundesweiter Vergleich zugrunde gelegt. Erneut zeigte sich, dass zum größten Armutsrisiko vor allem ein niedriger Bildungsabschluss zählt. Dies sei „fast eine gesellschaftliche Gesetzmäßigkeit“, sagte Referatsleiterin Nauenburg. Während jeder dritte Berliner ohne Bildungsabschluss (33,9 Prozent) von Armut bedroht ist, liegt die Quote bei Berlinern mit mittlerer Bildung bei 13,5 Prozent und jenen mit hohem Bildungsabschluss bei 6,4 Prozent.

(mit epd)

Der gesamte Armutsbericht Berlin-Brandenburg hat fast 100 Seiten - unter diesem Link sind sie nachzulesen.

Lesen Sie mehr im Tagesspiegel: Berlins Problemviertel - dazu gehört auch der Kiez Heerstraße Nord in Staaken. Einen prominenten Unterstützer gibt es.

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