Volksbühnen-Intendant gescheitert: Berlin trennt sich von Chris Dercon
Der umstrittene Volksbühnen-Intendant Chris Dercon ist nach nur einem halben Jahr in Berlin gescheitert. Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) will einen Neustart einleiten.
Die kurze Zeit Chris Dercons an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz hat ein plötzliches Ende gefunden. Am Freitag erklärte Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke), man habe sich „im gegenseitigen Einvernehmen“ darauf verständigt, die Intendanz von Dercon an dem traditionsreichen Theater mit sofortiger Wirkung zu beenden. Das ist die offizielle Version. Tatsächlich hat Lederer Dercon gekündigt.
Der Schritt kommt für viele Beobachter überraschend, der Belgier hatte die Leitung des Hauses erst im September von seinem Vorgänger Frank Castorf, der die Volksbühne 25 Jahre geführt hatte, übernommen. Die Ernennung des Museumsmanns Dercon durch den damaligen Kulturstaatssekretär Tim Renner und den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) war von Beginn an auf harte Kritik aus der Kulturszene, aber auch aus der Politik gestoßen. Klaus Lederer verkündete bei seinem Amtsantritt, dass er „die Personalie Dercon noch einmal prüfen“ müsse, und heizte damit die Diskussionen weiter an. Im vergangenen September wurde die Volksbühne mehrere Tage von Dercon-Gegnern und Gentrifizierungskritikern besetzt, zeitweise schien sogar der angehende Spielbetrieb gefährdet.
Von Anfang an nichts als Theater – was will der Schauspielfreund mehr?
schreibt NutzerIn lukaon
Mit dem Ende von Dercons Engagement steht der Kultursenator nun selbst vor der schwierigen Aufgabe, in kürzester Zeit einen Nachfolger zu finden. Kandidaten sind nicht in Sicht. Der Ruf der Volksbühne ist nach den Querelen der vergangenen Monate lädiert. Lederer erklärte in einem kurzen Statement, dass mit der einvernehmlichen Einigung nun die Chance gegeben sei, den notwendigen Neustart einzuleiten. Interimsmäßig wird der designierte Geschäftsführer der Volksbühne, Klaus Dörr, die Aufgaben des Intendanten übernehmen. Auf der Betriebsversammlung am Freitag hieß es, dass sämtliche Mitarbeiterverträge bestehen bleiben.
Michael Müller weist Kritik von Chris Dercon zurück
Müller äußerte sein Bedauern: „Es tut mir leid. Ich glaube, Chris Dercon ist ein toller Mann mit einer großen internationalen Erfahrung.“ Aber schon allein der Start sei für Dercon so „schwierig und umstritten“ gewesen, dass er offenbar mit seinen Plänen gar nicht mehr habe durchdringen können. Er habe aber auch Verständnis für Kultursenator Lederer. Nach einer gewissen Zeit habe man entscheiden müssen, sagte Müller. „Es ist legitim, dass Lederer zu diesem Ergebnis kam.“ Vielleicht sei man an der Volksbühne „mit unterschiedlichen Erwartungen gestartet“.
Müller wies Kritik von Dercon zurück, dass er ihm nicht das notwendige Geld zur Verfügung gestellt habe, um die Hangars in Tempelhof als Spielstätte zu betreiben. „Tempelhof war nicht Dercons größtes Problem. Es gab im Haus selbst ganz andere Auseinandersetzungen.“ Tempelhof habe lediglich im Rahmen des Gesamtkonzepts eine Rolle gespielt, sagte der Regierende Bürgermeister. Er habe sich auch erfolgreich für Lottomittel eingesetzt, damit Dercon dort im vergangenen September die Eröffnung seiner Volksbühnenintendanz habe umsetzen können. Doch Dercon hatte nicht nur künstlerische, sondern auch finanzielle Probleme: zu wenige Zuschauer und zu hohe Produktionskosten.