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Radfahrer überqueren die Schlesische Straße in Kreuzberg.
© imago/Jochen Tack

Verkehrspolitik der Zukunft: Berlin muss endlich mehr für Radfahrer tun

Bei den Abgeordnetenhauswahlen wird indirekt auch darüber entschieden, ob mehr in den Radverkehr investiert wird. Denn bisher überließ der Senat die Radler sich selbst. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Schönball

In der nächsten Legislatur wird alles gut, oder wenigstens nicht schlechter – für die Radler und den Berliner Verkehr. Denn hinter den Kulissen sondieren schon jene, die sich zur Wahl stellen, wer künftig die Stadt plant. Und weil die Grünen in Umfragen zur Wählergunst fast gleichauf mit der SPD sind, gibt es unter Sozialdemokraten für eine künftige Koalition ein Szenario: Wir zerschlagen das Superressort für Stadtentwicklung, bilden aus Verkehr und Umwelt eine eigene Verwaltung und die geht an die Grünen – sollen die doch die A100 fertig bauen und die Prügel von den Initiatoren des Fahrradvolksentscheids bekommen.

Wenn Berlin wählt, dann wird eben auch darüber entschieden: Wie bauen wir die Stadt weiter, damit die Berliner – oder jedenfalls all jene, die mit ihrer Unterschrift die erste Stufe des Volksentscheids unterstützten – sich wiederfinden in einer Rad- und Verkehrspolitik der Zukunft.

Und wer wäre zur Auslotung des Machbaren im Verteilungskampf um die Straßen Berlins besser geeignet als die Grünen, die „Partei der Radler“? Das kann nur ihnen gelingen – so wie nur die „Arbeiterpartei“, die SPD, mit der „Agenda 2010“ eine Reform der Sozialsysteme durchsetzen konnte.

Wir brauchen erstmal eine vernünftige Generalplanung, die ALLE Verkehrsarten berücksichtigt. Als Radfahrer schätze ich natürlich einen gut ausgebauten Radweg. Was aber hilft mir dieser, wenn er ständig vom Lieferverkehr zugestellt wird?

schreibt NutzerIn Firefighter_No9

Dass Berlins SPD Radverkehr nicht kann, hat sie bewiesen: Nur 15 Millionen Euro jährlich für Radwege, ein Teil davon mangels Planung nicht mal ausgegeben; kein Radbeauftragter im Lande, keine in den Bezirken; uneinholbar im Rückstand beim Bau von Radschnellwegen, die der Senat erst prüft, wo im Ruhrpott erste Strecken ans Netz gehen. Berlins Senator für Stadtentwicklung, Andreas Geisel, gibt Fehler zu. Radverkehr ist nicht sein Thema. Das Bauen ist es und der Kampf gegen die Wohnungsnot – das reicht.

Sollte die Wahl entsprechend ausgehen, würde sich beim Thema Radverkehr im Kabinett die in der Bürgerschaft existierende Kampfzone spiegeln. Den fahrradgerechten Umbau der Straßen vergleichen Kritiker böse mit der Umwandlung Berlins in eine autogerechte Stadt während der 1960er Jahre. Die Versiegelung von Flächen schreckt Umweltverbände auf, die Fußgänger fürchten um ihren Platz auf Bürgersteigen und nur die Finanz-Affäre um den eigenen Verein lässt das Sprachrohr der Autolobby erst mal leisere Töne anschlagen, die ihre politische Wirkung trotzdem nicht verfehlen.

Der tägliche Kampf der Radler

Denn Tatsache ist und bleibt: Keine 30 Millionen Euro für Radschnellwege will der Bund erstmals unter den Ländern verteilen, dreistellige Milliardenbeträge fließen für Autostraßen. Die Förderung der Radwege soll nach gegenwärtigen Erwägungen außerdem nur dann erfolgen, wenn diese den Verkehr entlasten, indem Autofahrer aufs Rad umsatteln. Eine Verkehrspolitik ist das, die einem bisher unterschätzten, umweltfreundlichen Verkehrsmittel eine Nebenrolle zubilligt, nicht mehr – aber immerhin.

Diese Nebenrolle müssen sich Radfahrer in Berlin täglich auf den Straßen erkämpfen. Fußgänger haben ihre Bürgersteige und an Bushaltestellen selbst auf markierten Radwegen Vorrang. Beispielhafte Radwege zwischen Bezirken, wie die CDU sie von Zehlendorf zum Gleisdreieck angeregt hat, gibt es so gut wie keine. Während London „Superhighways“ für Radfahrer quer durch die Metropole zieht, sich dafür mit der mächtigen Cab-driver-Lobby anlegt und eine große Debatte lostritt, um die Bewohner der Millionen-Metropole mitzunehmen, überließ der Senat die Radler sich selbst.

Ein Fehler. Wir brauchen einen neuen Mix der Verkehrsmittel für die wachsende Stadt und den politischen Willen, diesen auszuhandeln mit den Zigtausenden, die täglich aufs Rad steigen oder dies tun würden, wenn es mehr sichere Wege gäbe.  Fahrradbeauftragte braucht es und Investitionen. London und andere Metropolen machen es vor: Wachstum geht, aber nicht mit noch mehr Emissionen. Berlin wächst gewaltig, zu den politischen Aufgaben gehört es, dieses Wachstum nicht mit Verkehrskonzepten der Vergangenheit zu begleiten – sondern der Zukunft. Das Rad gehört dazu.

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