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Freie Fahrt. Der Ruhrschnellweg RS1 durch die Metropolregion Ruhr ist ein mögliches Vorbild für Berlin.
© Simulation: orange edge / Regionalverband Ruhr

Radverkehrsförderung vom Bundesminister: Der Ruhrpott radelt – Berlin guckt zu

Im Jahr 2017 will Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt 25 Millionen Euro in neue Radschnellwege investieren. Doch um zu profitieren, müsste der Senat Ideen entwickeln.

Gute Nachrichten vom Bund: Nicht nur Autofahrer kommen in den Genuss von Milliarden für den Straßenbau, erstmals sollen auch Millionen zugunsten des Radverkehrs fließen. Schlecht nur, dass der Senat dem beliebten Verkehrsmittel keine besondere Beachtung schenkte. Weil es keine Pläne gibt, wird Berlin wohl bei der Vergabe der ersten Millionen aus dem neuen Haushaltstitel von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt leer ausgehen. Schade, denn bereits im kommenden Jahr will Dobrindt 25 Millionen Euro ausdrücklich für den Bau von Radschnellwegen in den Bundeshaushalt einstellen, wenn dadurch Auto-Fernstraßen entlastet werden.

Voraussetzung für den Geldsegen sind allerdings Machbarkeitsstudien zur Menge des Radverkehrs, zu den Trassen und zu den Flächen, die für den Bau von Schnellwegen nötig sind. Während solche Gutachten in Nordrhein-Westfalen bereits vor mehr als zwei Jahren vorgelegt wurden und dafür schon Geld des Bundes floss, gab der Senat die erforderliche „Potenzialanalyse“ erst vor Kurzem in Auftrag – Beobachtern zufolge vor allem zur Besänftigung der Initiatoren des Rad-Volksentscheides, die den Bau von 100 Kilometern Fahrradschnellwegen in Berlin fordern. Doch bis die Studie fertig ist, werden zwei Jahre vergehen, befürchten Experten, die ersten Millionen werden dann längst vergeben sein. Die Dauer von zwei Jahren bestätigt die Stadtentwicklungsverwaltung.

„Offensichtlich hat man lange geschlafen in der Stadtentwicklungsverwaltung“, sagt der Fachexperte der CDU, Stefan Evers. Eine „solide Planung“ für den Bau von Radschnellstraßen sei zwar geboten, zwei Jahre Planungsdauer hält er allerdings für sehr großzügig. Es sei doch längst klar, was zu tun ist: Eine Ost-West-Verbindung durch die Stadt sowie eine Ringtrasse. In das Thema hatte sich bereits vor Monaten die CDU aus Steglitz-Zehlendorf eingebracht und den Bau einer ersten Fahrrad-Schnellstraße von Zehlendorf zum Gleisdreieck vorgeschlagen. Der Radschnellweg könne entlang der stillgelegten Stammbahn neben der S-Bahn verlaufen. Kurzum, „mit dem nötigen politischen Willen könnte man im nächsten Jahr mit ersten Arbeiten starten“, sagt Evers.

Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht man eher mögliche Hindernisse als sich bietende Chancen. So heißt es: „Unserer Kenntnis nach hat der Bund auch keine Radwege in Städten in Aussicht gestellt, in denen die Straßenbaulast für Bundesstraßen bei der Kommune liegt“ wie in Berlin. Andererseits heißt es weiter: „Die Bedingungen der Antragsstellung und Aufteilung unter den Bundesländern steht unserer Kenntnis nach noch gar nicht fest.“

Der Senat hatte zuletzt 15 Millionen Euro für Fahrradwege bereit gestellt. Doch weil es an Planern in den Bezirken fehlt, verfiel ein beträchtlicher Teil. Von wegweisenden Vorhaben ist nichts bekannt.

Beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) heißt es: „Radschnellwege sind Bauprojekte, da reicht es nicht aus, bestehende Trassen einfach umzubenennen“. Im Kohlenpott ist man da weiter: der erste Abschnitt vom Radschnellweg Ruhr (RS1) von Essen nach Mühlheim ist schon eröffnet. Geplant ist die Vernetzung von zehn Städten und die Durchquerung des Reviers von Hamm bis Duisburg.

Pro Kilometer kostet das laut ADFC rund 1,5 Millionen Euro. Radschnellwege sollten möglichst kreuzungsfrei und durch große Kurvenradien ein Durchschnittstempo von mindestens 20 Kilometern pro Stunde zulassen. Im Idealfall sind die Wege in jede Richtung zwei Meter breit, damit Platz genug zum Überholen ist – auch für etwas breitere Lastenräder oder Räder mit Kinderanhängern. In Städten ließen sich diese Idealmaße aber oft nicht durchhalten.

Noch steht zwar nicht fest, was Bundesverkehrsminister Dobrindt unter welchen Voraussetzungen genau fördern wird. Ein Zurück wird es aber kaum geben: In Ministeriumskreisen kursiert ein Brief des Ministers, in dem er ankündigt, er werde sich dafür einsetzen, ab dem kommenden Jahr 25 Millionen Euro als „eigenen Haushaltstitel“ bereitzustellen. Dazu müsse „das Bundesfernstraßengesetz geändert“ werden – das ist nämlich ganz auf Autofahrer zugeschnitten.

Auch beim Wettlauf um weitere rund 70 Millionen Euro, Fördergelder aus dem Etat von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, läuft Berlin hinterher, und auch hier liegt Nordrhein-Westfalen vorn: „Da kommen die meisten Bewerber her“, sagt ein Sprecher. Immerhin zwei Projekte aus Berlin sind im Rennen: einerseits die Pläne zur Umgestaltung der Schönhauser Allee, wo der Platz für Autos zugunsten von Radwegen eingeschränkt werden soll. Außerdem hat sich ein Verleih für Lastenräder um die maximal 200 000 Euro je Projekt beworben, die Handwerkern und Gewerbetreibenden das Radeln erleichtern sollen. Beginn dieser Förderung ist das Jahr 2017. Für öffentliche Antragsteller besteht die Begrenzung auf 200 000 Euro je Projekt übrigens nicht. Aber dazu müssten Bezirke und Senat sich mal aufs Rad setzen.

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