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Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stellt am 03.08.2016 bei einer Pressekonferenz in Berlin den neuen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 vor.
© dpa

Bundesverkehrswegeplan: Erstmals sind Radwege eingeplant

Der Bund hat seinen Verkehrswegeplan auf den Weg gebracht. Auch der umstrittene Weiterbau der A100 wurde trotz Streitigkeiten in Berlin beschlossen.

Die Sitzung des Bundeskabinetts hat am Mittwoch etwas länger gedauert, als das in den Sommerferien üblich ist. 45 Minuten tagte die Regierung, den größeren Teil davon füllte der Bundesverkehrsminister. Alexander Dobrindt (CSU) ging bei der Vorstellung seines Bundesverkehrswegeplans ein bisschen in die Breite. Schließlich ist das Vorhaben nicht alltäglich – Pläne dieser Art werden nur alle fünfzehn Jahre vorgelegt. Im neuen Bundesverkehrswegeplan, der bis 2030 gilt, sind jene Bauvorhaben für Straßen, Schienentrassen und Wasserwege aufgelistet, die der Bund in den kommenden Jahren finanzieren will. Nach der Verabschiedung im Kabinett werden sich nun Bundestag und Bundesrat mit dem Plan beschäftigen – Änderungen sind da programmiert. Aber Dobrindt zeigte sich optimistisch, dass er im Großen und Ganzen saubere Vorarbeit geleistet hat und mit seinen Vorschlägen durchkommen wird. Erstmals hat es bei diesem Verkehrswegeplan schon vorab die Möglichkeit einer Bürgerbeteiligung gegeben. Und erstmals sind auch Radwege im Plan enthalten.

Was steht im Bundesverkehrswegeplan?

Bis 2030 sollen 269,6 Milliarden Euro für den Erhalt, den Ausbau und den Neubau von Fernstraßen, Eisenbahnstrecken und Kanälen oder schiffbaren Flüssen ausgegeben werden. Etwa die Hälfte dieses Finanzierungsvolumens, 132,8 Milliarden Euro, fließt in den Straßenbau. Für Schienenstrecken werden 112,3 Milliarden Euro veranschlagt, für die Bundeswasserstraßen 24,5 Milliarden Euro. Dem Vorwurf, er gebe dem Straßenbau den Vorrang, hält Dobrindt zweierlei entgegen. Zum einen sei bei der Ausweitung des Programms gegenüber dem Entwurf vom März um 5,1 Milliarden Euro vorrangig die Schiene bedacht worden. Zum anderen liege, bezogen auf die Streckenkilometer, das Ausgabevolumen für die Eisenbahn um das 1,3-Fache über dem der Straße. Zudem verweist Dobrindt auf die Prioritätensetzung: Von den etwa tausend Einzelprojekten entfielen 70 Prozent auf den Erhalt von Infrastruktur, 30 Prozent auf den Aus- und Neubau. Die Hälfte der Projekte liegt im Bereich Straßenbau, knapp 42 Prozent betreffen die Schiene. Als „sensibelsten Bereich“ definierte Dobrindt die Brücken. Neben dem Vorrang für den Erhalt hat der CSU-Politiker einen zweiten Schwerpunkt gesetzt: Viele Maßnahmen sollen der Beseitigung von Engpässen dienen, betreffen also die besonders berüchtigten Staustrecken auf Autobahnen und Bundesstraßen (zusammen rund 2000 Kilometer) sowie überlastete Schienenstrecken (insgesamt 800 Kilometer). Der Verkehrsminister sieht darin auch einen Beitrag zum Klimaschutz, denn „wer den Stau nicht beseitigen will, der kann Umweltziele nie erreichen“. Vom Koalitionspartner SPD kam Lob: „Der neue Bundesverkehrswegeplan ist ehrlich gerechnet, setzt richtige Prioritäten und ist das größte Antistauprogramm der kommenden Jahre“, sagte der Verkehrspolitiker Sören Bartol. „Wir bauen dort, wo der Verkehr wirklich stattfindet.“

Was sagen Opposition und Verbände?

Die Grünen bezeichnen den Plan als „Wünsch- Dir-was-Liste“ für Abgeordnete der Koalition. „Die Bundesregierung lässt die Möglichkeit zur Gestaltung einer klima- und umweltverträglichen Mobilität ungenutzt verstreichen“, sagte die Verkehrspolitikerin Valerie Wilms. Durchgesetzt hätten sich „die Betonmischer“. Die Linken-Politikerin Sabine Leidig warf Dobrindt vor, die Prioritäten falsch gesetzt zu haben: „Jede kleine Ortsumfahrung mit erwarteten 3000 Autos am Tag wurde aufgenommen, während regionale Schienenprojekte fehlen.“ Zudem sei die Zahl der Vorhaben viel zu groß, die vollständige Umsetzung werde erst weit nach 2050 möglich sein. Dobrindt nimmt dagegen an, dass alle Projekte bis 2030 zu schaffen sind. Allerdings appellierte er an die für die Umsetzung zuständigen Länder, ihre Planungskapazitäten auszubauen, damit die Mittel auch verbaut werden könnten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte, die Genehmigungsverfahren zu straffen, damit Projekte schneller umgesetzt werden könnten.

Was hat die Bürgerbeteiligung gebracht?

Verkehrsminister Dobrindt findet, dass 40000 Stellungnahmen ein Zeichen dafür seien, dass „die Bürgerbeteiligung erfolgreich war“. Die wichtigsten Anliegen listet ein Bericht über die Bürgerbeteiligung auf knapp 100 Seiten summarisch auf – allerdings ist schwer einzuschätzen, wie weit sich die Bürgerbeteiligung konkret im nun vorgelegten Plan niedergeschlagen hat. Bei seiner Pressekonferenz am Mittwoch wies Dobrindt auf zwei Projekte hin, die durch die Bürgerbeteiligung aufgenommen beziehungsweise verändert worden seien. Er nannte das Schienenprojekt RRX, den Rhein-Ruhr-Express, der Köln und Dortmund im 15-Minuten-Takt verbinden soll. Dabei geht es laut Dobrindt um die Verstärkung eines Streckenteils. Bei einem Autobahnausbauprojekt in der Nähe von Augsburg dagegen soll es nun nur noch drei statt vier Spuren geben. Da sich im allgemeinen Beteiligungsprozess auch Verbände über Einzelpersonen bereits geäußert haben, fand Dobrindt es jetzt ausreichend, die Frist für Stellungnahmen der Verkehrs-, Industrie- und Umweltverbände auf drei Tage zu kürzen, was bei diesen mitten in den Sommerferien weniger gut ankam.

Wie kam der Radverkehr in den Plan?

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Dobrindt haben sich in den vergangenen zwei Wochen noch in die Herzen der deutschen Fahrradlobby verhandelt. Der Geschäftsführer des Fahrrad-Clubs ADFC, Burkhard Stork, sagte: „Wir sind begeistert, dass der Bundesverkehrsminister verstanden hat, dass Premium-Radinfrastruktur wirklich massive Stauentlastung bringen kann.“ Die Euphorie speist sich aus einem neu in den Plan eingebrachten Absatz zu Radschnellwegen, die Hendricks mit eingebracht hat. „Mir liegt sehr viel an einer leistungsfähigen Infrastruktur für den Radverkehr“, sagte sie nach der Kabinettssitzung. „Ich sehe in Radschnellwegen gerade in Verbindung mit Elektrofahrrädern ein großes Potenzial für den Klimaschutz.“ Zunächst sollen noch in diesem Jahr 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, um solche Schnellwege zu planen. Im Ruhrgebiet gibt es entlang der Emscher bereits Teilabschnitte. Nach ADFC-Angaben gibt es auch in den Großräumen Hannover, Frankfurt am Main, Nürnberg und München Pläne für Radschnellwege. Die Fahrradlobby hätte am liebsten eine Ko-Finanzierung für kommunale und Landesinvestitionen durch den Bund. Ob es so üppig werden wird, ist noch nicht entschieden. Das Umweltministerium ist optimistisch, dass schon 2016 eine beachtliche Summe für den Ausbau von schnellen Radverbindungen zur Verfügung stehen wird. Im Verkehrsministerium hätten „viele schon darauf gewartet“, ist auch dort zu hören. Das Geld für die Radschnellwege solle nicht aus dem Schienen-, sondern aus dem Straßentopf kommen, heißt es im Umweltministerium.

Wie profitiert Berlin?

Das Land hat drei Straßenbauprojekte angemeldet – zwei aus eigenem Antrieb, ein weiteres auf Druck aus dem Bundesverkehrsministerium. Selbstverständlich für den Senat war der Weiterbau der Stadtautobahn A100 vom Dreieck Neukölln bis zum Treptower Park. Die bisher nur vage geplante Fortführung bis zur Storkower Straße in Lichtenberg hat der Bund gleich als „in Bau“ befindlich eingestuft; für ihn ist das Vorhaben ein zusammenhängendes Projekt, obwohl es für den 17. Bauabschnitt der A100 noch keinen Planfeststellungsbeschluss gibt. Der 16. Abschnitt vom Dreieck Neukölln zum Treptower Park soll 2021/2022 fertig sein und nach derzeitigem Stand rund 470 Millionen Euro kosten. Der nächste Abschnitt könne bei rund einer Milliarde Euro landen. Der Bau wäre technisch enorm aufwendig; unter anderem ist ein doppelstöckiger Tunnel geplant. Beim Umbau des Bahnhofs Ostkreuz hat man bereits für mehrere Millionen Euro den Bau eines Tunnels unter den Gleisanlagen vorbereitet. Auch deshalb wertet der Bund den 17. Abschnitt als „im Bau“ befindlich.

Noch ist aber politisch nicht entschieden, ob es zu einem weiteren Bau überhaupt kommt. Die SPD hatte dem 16.Abschnitt erst nach langen internen Streitigkeiten zugestimmt; der frühere Koalitionspartner, die Linken, hatte den Bau lange blockiert. Erst mit Hilfe der CDU gelang dann in der Koalition der Durchbruch. Ob sich nach den Wahlen im September eine neue Regierung auf den Weiterbau der umstrittenen Autobahn einigen kann, muss sich zeigen.

Geld spendiert der Bund auch für eine sechsstreifigen Ausbau der Avus zwischen Hüttenweg und dem Kreuz Zehlendorf. Er soll insgesamt 126,5 Millionen Euro kosten. Berlin hatte den Ausbau nur auf „Weisung“ des Bundesverkehrsministeriums angemeldet. Dort hält man es für sinnvoll, die Lücke zwischen vorhandenen sechsstreifigen Abschnitten zu schließen. Wann hier gebaut werden soll, ist offen. Der Ausbau ist aktuell nur als „weiterer Bedarf“ eingestuft.

Zum „vordringlichen Bedarf“ gehört dagegen die Ortsumgehung Malchow. Dort quält sich der Verkehr auf der Bundesstraße 2 auch Richtung Autobahn heute durch den Ortskern. 20,6 Millionen Euro will der Bund für die Umgehungsstrecke locker machen.

Nicht so erfolgreich war Berlin mit seinen Wünschen bei Bahnprojekten. Im Plan bleiben der Ausbau der Dresdner Bahn, die in Berlin zwei zusätzliche Gleise erhalten soll. Auf ihnen soll es parallel zur S-Bahn Fern- und Regionalverkehr sowie einen bescheidenen Güterverkehr geben. Der Airport-Express zum BER-Bahnhof soll hier ebenfalls fahren. Auch der Ausbau der Stettiner Bahn im Bereich Karow war unumstritten. Kein Gehör fand dagegen der Berliner Wunsch nach einem Ausbau der Nordbahn über Frohnau für den Fern- und Regionalverkehr. Nicht in das Planwerk geschafft haben es auch der Ausbau des Kreuzes Wuhlheide und der von Küstrin kommenden Ostbahn von der Stadtgrenze bis zum Außenring.

Dafür ist die durchgehende Elektrifizierung und der zum Teil zweigleisige Ausbau der Verbindung Berlin–Stettin im Plan vom „Vorhaben des potenziellen Bedarfs“ in die Kategorie „Vordringlicher Bedarf“ aufgerückt. Und auch für den Ausbau der Wasserstraße Hannover–Berlin gibt es weiter Geld. Sie gehört noch zu den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“.

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