Neubau von Sozialwohnungen: Berlin lässt die Bedürftigen in Stich
Die Zahl der Sozialwohnungen in Berlin sinkt. Der Mietendeckel dürfte die Situation noch verschlimmern. Ein Kommentar.
Winzige Kunststofffenster, PVC-Boden in Holzoptik und eine trostlose Fassade aus weiß verputztem Dämmstoff: Das Hochhaus, das ich mir am Wochenende in Berlin-Marzahn angesehen habe, war alles andere als eine Schönheit. Aber um Ästhetik sei es ihr bei der Planung ohnehin nicht gegangen, sagte die Architektin, die das Gebäude für die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“ entworfen hat. Ziel war vielmehr das winzige Budget der Bauherren einzuhalten. Weil nämlich die Wohnflächen zu hundert Prozent förderfähig sein sollten, war kein Geld für Schnickschnack übrig.
Neubauten wie jener in Marzahn werden immer seltener in der Hauptstadt. In den vergangenen zwölf Jahren habe Berlin nur 12880 Sozialwohnungen geschaffen, das nur halb so große Hamburg dagegen 28500, sagte Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) am Montag bei der Jahreskonferenz seines Verbandes. Und er garnierte diese Zahlen noch mit etwas Senatskritik: „Die Berliner Politik hat versagt.“
Nun könnte man Gedaschkos Vorwurf als giftigen Kommentar eines Wirtschaftslobbyisten abtun. Nur leider hat er recht. Denn wem sonst sollte man ein Versagen beim sozialen Wohnungsbau vorwerfen, wenn nicht der Politik? Der vom Berliner Senat vielbemühte Vorwurf des „Marktversagens“ ist in diesem Fall nicht angebracht, denn einen Markt für Sozialwohnungen gibt es nun mal nicht.
Ein Immobilienentwickler muss nicht nur seine Kosten decken, er geht auch ein unternehmerisches Risiko ein, weshalb er sich mit einer Baurendite absichern muss, sagte die Architektin in Marzahn. Die aber gibt es im sozialen Wohnungsbau nicht zu holen. Wenn die Politik also Menschen mit geringem Einkommen bei den Mietkosten unterstützen möchte, muss sie selbst zum Bauherren werden. Die Berliner Landesregierung hat sich bislang, die Bauzahlen legen das nahe, nicht dazu durchringen können. Und lässt damit all jene im Stich, die nicht so viel Glück hatten im Leben und jeden Monat mit weniger Geld auskommen müssen, als der Durchschnitt der Stadtbevölkerung.
Hoffnung? Ist nicht in Sicht. Denn wenn die Koalition den geplanten Mietendeckel umsetzt, wird die Zahl der Neubauten auch in allen anderen Preissegmenten zurückgehen und sich die Krise auf dem Wohnungsmarkt zuspitzen. Letztlich schadet ein Mieterhöhungs-Stopp den Vermietern und ihren Mietern gleichermaßen.
Das wiederum sagte am Dienstag nicht etwa ein renditegieriger Immobilienentwickler, sondern der Sozialdemokrat Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Dem Beispiel seiner Berliner Kollegen will der SPD-Politiker deshalb auch nicht folgen: Ein Mietenstopp richte sich am Ende auch gegen die Mieter, weil ihre Wohnungen zwangsläufig in einen schlechten Sanierungszustand geraten würden, befürchtet er.