Immobilien-Präsident Andreas Mattner: „Haben wir die schwarzen Schafe übersehen?“
Beim „Tag der Immobilienwirtschaft“ versucht sich die Branche in Selbstkritik – zumindest ein bisschen.
Mut, das muss man der Immobilienwirtschaft lassen, hat sie. Für sein alljährliches Branchentreffen hat der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) sich nämlich jene Stadt ausgesucht, in der seit Monaten über die Enteignung ihrer Mitgliedsunternehmen debattiert wird. Damit nicht genug: Der Veranstaltungsort, die Verti Music Hall, liegt ausgerechnet in dem Bezirk, Friedrichshain-Kreuzberg, dessen Baustadtrat Florian Schmidt seit Monaten gegen Spekulanten und Geschäftemacher am Immobilienmarkt wettert.
Doch nicht nur die Ortswahl fiel verblüffend aus, auch die Begrüßungsrede von ZIA-Präsident Andreas Mattner. Verblüffend selbstkritisch, um genau zu sein: „Es steht nicht gut um das Image unserer Branche“, gestand der Lobbyist vor den mehr als 2000 Gästen der Veranstaltung. Und schickte gleich noch eine selbstkritische Frage hinterher: „Haben wir übersehen, dass es auch bei uns schwarze Schafe gibt?“ Ein konkrete Antwort wollte Mattner letztlich dann allerdings nicht geben. Auf jeden Fall sei aber versäumt worden, die Menschen davon zu überzeugen, dass sich die überwiegende Mehrheit der Branche anständig verhalte. Auch das habe dazu geführt, dass in Berlin nun Diskussionen geführt würden über Regularien wie Mietendeckel und Enteignungen.
Noch deutlicher als der Verbandspräsident wurden andere Besucher am Donnerstag. „Natürlich gibt es schwarze Schafe“, sagte etwa der Berliner Projektentwickler Xaver Egger. „Es sind zwar nicht viele, aber sie schaden unserer Arbeit enorm.“ Dass die Berliner Landespolitik nun mit Mietendeckel und Enteignungsdrohungen gegen die Branche vorgehe, hält er dennoch für falsch: „Das wird nicht helfen, die Wohnungsnot in der Stadt zu beheben.“
Auch ZIA-Geschäftsführer Klaus-Peter Hesse warf der Politik am Mittwoch eine falsche Strategie vor. „Wenn ein Mangel auf dem Markt ist, muss man diesen Mangel beseitigen, indem man ein größeres Angebot schafft. Das geht nur durch Bauen“, sagte er. „Das Problem ist ja nicht, dass die Immobilienwirtschaft nicht bauen möchte, sondern dass sie nicht bauen kann“, argumentierte er. Die Baugenehmigungsverfahren dauerten zu lange, es gebe zu wenige Grundstücke und Menschen vor Ort würden Bauprojekte häufig verhindern. Als Beispiel nennt er das Tempelhofer Feld. Dort habe die Politik sich so ungeschickt verhalten, dass die Menschen sagten, wir wollen nicht, dass dort gebaut wird.
Verband lehnt Mietendeckel ab
„Wir haben wahrscheinlich vor zehn bis 15 Jahren nicht rechtzeitig erkannt, dass immer mehr Menschen in unsere Städte ziehen wollen“, sagte der Funktionär und meint dabei nicht nur seine Branche. Er fordert von der Politik keine Regulierungen, die nicht zu mehr Wohnraum führen, mehr Bauland und Wohnungsbau als Chefsache.
Zum Mietendeckel, zu dem sich der Berliner Senat in der vergangenen Woche grundlegend verständigt hatte, sagte er: „Wir hatten hier schon einmal feste Mieten in Ostberlin und in der DDR. Kann man alles machen.“ Dann werde aber nicht mehr gebaut, Investoren würden sich zurückziehen und der Zustand der Wohnungen würde schlechter werden.
Nichts einzuwenden gegen härtere gesetzliche Regelungen wie den Mietendeckel hatte am Donnerstag hingegen die Gruppe von Demonstranten, die sich vor der Veranstaltungshalle zum Protest versammelt hatte. Im Gegenteil: „Das ist ein Klagelied, das wir auch aus allen anderen Branchen kennen, sobald der Staat mit schärferen Gesetzen droht”, sagte Andreas Würfler. „Aber nachdem die Spielregeln angepasst wurden, sehen wir ja regelmäßig: Es funktioniert sehr wohl.“ Fragt man Würfler hingegen nach den Verstaatlichungsplänen des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, fällt seine Antwort vorsichtiger aus. „Es ist auf jeden Fall gut, dass die Forderung gestellt wurde“, sagt er. Ob eine Enteignung dann aber wirklich das richtige Vorgehen sei, müsse sich erst noch zeigen.
Mehrheit der Deutschen lehnt Enteignung ab
Mit seiner Skepsis steht Würfler nicht alleine da. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey zufolge lehnen die Deutschen Enteignungen mehrheitlich ab. Mehr als 63 Prozent der Befragten antwortete auf die Frage, ob Enteignungen privater Wohnungsunternehmen ein adäquates Mittel sei, um neuen Wohnraum zu schaffen, mit „Nein, auf keinen Fall“ oder „eher nein“. Mehr als 2500 Menschen hatten an der Online-Umfrage des Instituts teilgenommen, die der Branchenverband ZIA in Auftrag gegeben hatte. 28 Prozent hielten Enteignungen hingegen für zielführend, um neuen Wohnraum zu schaffen.
Beim Thema Mietendeckel, bei dem die Mieten für einen festgelegten Zeitraum nicht steigen dürfen, sind die Befragten gespaltener. Rund 46 Prozent glaubten, dass das politische Instrument zu weniger Investitionen führe. Knapp 34 Prozent glaubten das Gegenteil.
Der Berliner Senat hatte sich in der vergangenen Woche auf Eckpunkte für einen Mietendeckel geeinigt. Demnach sollen Mieten in den kommenden fünf Jahren eingefroren werden.