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Viele Berliner sind es leid, immer mehr Miete für ihre Wohnung zahlen zu müssen.
© dpa/Wolfgang Kumm

Kein Grund für Optimismus: Berliner Wirtschaft warnt vor weiter steigenden Mieten

In Berlin steigen die Mieten erstmals nicht mehr stärker als zuvor. Mit einer Trendumkehr rechnen Wirtschaftsvertreter allerdings nicht.

Es war ein kleiner Hoffnungsschimmer, den Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher am Wochenbeginn zu verkünden hatte. In der Hauptstadt steigen die Mieten derzeit nur noch halb so schnell wie bei der letzten turnusmäßigen Erhebung vor zwei Jahren, verkündete die Linken-Politikerin. Um 2,5 Prozent statt um 4,8 Prozent jährlich nämlich.

Ist damit nun die Trendwende am Wohnungsmarkt ein Stück näher gerückt? Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses, hält es jedenfalls für möglich, dass der Berliner Immobilienmarkt in eine „kühlere Phase“ geht. Es sei jedoch noch viel zu früh, von einer Trendumkehr zu sprechen. Die kommenden Monate werden zeigen, ob er recht behalten wird.

Fest steht allerdings schon jetzt, dass die Hauptstadt in der vergangenen Dekade eine beispiellose Preisrally erlebt hat. Das beweist eine Langzeitbeobachtung des Maklerportals Immobilienscout24, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt. Darin sind Angebotspreise für Miete und Kauf von Wohnimmobilien in Berlin im Zeitraum 2007 bis 2018 erfasst.

Dieser Statistik zufolge ist die durchschnittliche Miete in Berlin in zehn Jahren um 83 Prozent gestiegen. Kostete eine Wohnung in einer Bestandsimmobilie im Jahr 2007 noch fünf Euro pro Quadratmeter, waren es 2018 schon zehn Euro. Bei Neubauwohnungen stieg der Preis sogar von sieben auf 13 Euro.

Allerdings gab es bei der Preisentwicklung erhebliche Unterschiede zwischen den Bezirken und Ortsteilen. Vor allem im Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings kannten die Mieten nur eine Richtung: gen Himmel. Am stärksten betroffen war dabei der Ortsteil Neukölln, der den Norden des gleichnamigen Bezirks umfasst: Um 147 Prozent stiegen die Mieten dort an. Es folgen die Ortsteile Wedding mit einem Anstieg von 122 Prozent, Kreuzberg mit 114 Prozent und Treptow mit 110 Prozent.

Dass der prozentuale Anstieg in diesen Stadtteilen so hoch ist, liegt auch daran, dass die Mieten dort zu Beginn des Beobachtungszeitraums noch vergleichsweise niedrig waren. Zum Vergleich: Im noblen Grunewald stiegen die Mieten „nur“ um 36 Prozent. Die Quadratmetermiete betrug 2007 schon zwölf Euro für Neubau und neun Euro für den Bestand. Die Innenstadtbezirke Mitte und Kreuzberg haben inzwischen aufgeholt, liegen aber bei den Quadratmeterpreisen immer noch auf den Plätzen zwei und drei hinter Grunewald.

Stärker noch als die Mieten fiel der Anstieg der Kaufpreise aus: Der Quadratmeterpreis für Neubau lag 2007 in Berlin noch bei 1812 Euro. Zehn Jahre später sind es nun 4743 Euro. Beim Bestand verdoppelte sich der Preis durchschnittlich von 1299 auf 3402 Euro.

Kaufpreise steigen am stärksten

Auch bei den Kaufpreisen ist der Preisanstieg innerhalb des S-Bahn-Rings am stärksten. Spitzenreiter ist auch hier der Stadtteil Neukölln. Denn dort stiegen die Quadratmeterpreis um 304 Prozent, gefolgt von den Ortsteilen Kreuzberg und Wedding mit jeweils 220 Prozent. Nur einer der Top 5 liegt außerhalb des S-Bahn-Rings: In Hellersdorf verzeichneten die Makler eine Steigerung von 207 Prozent. Die höchsten Quadratmeterpreise wurden laut Immobilienscout24 genau wie bei den Mieten in Grunewald bezahlt: 7016 Euro für Neubau und 5062 für Bestandsobjekte.

Doch wie aussagekräftig sind diese Statistiken? „Die Zahlen geben nur Angebotsmieten eines einzelnen Portals wieder“, gibt David Eberhart, Sprecher des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), zu bedenken. Doch nicht alle Immobilienkäufe werden dort abgewickelt. Viele Immobilienunternehmen würden andere Kanäle nutzen, zum Beispiel ihre eigene Website. Im Durchschnitt lägen Angebotsmieten etwas über den tatsächlich gezahlten Preisen. Dennoch könne man an solchen Erhebungen allgemeine Langzeittrends erkennen, sagt Eberhart.

Zumindest Bausenatorin Katrin Lompscher hat angesichts der jüngsten Entwicklung beim Mietspiegel die Hoffnung, dass der Langzeittrend demnächst gestoppt werden könnte – mit noch stärkerer staatlicher Intervention in den Immobilienmarkt. „Der Mietanstieg hat sich in den vergangenen zwei Jahren abgeflacht“, sagte sie am Montag. „Das ist kein Grund zur Entwarnung, aber ein deutliches Zeichen dafür, dass die mietenstabilisierenden Maßnahmen des Landes Berlin Wirkung zeigen.“

Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) bewertet man die Entwicklung allerdings etwas weniger optimistisch. „Die Bestandsmieten in Berlin steigen weiter, nur weniger rasant“, sagt IHK-Präsidentin Beatrice Kramm. „Wer allein schon diese Nachricht als Entspannung für den Berliner Wohnungsmarkt deutet, lenkt davon ab, dass noch enorme Aufgaben unbewältigt sind. Denn nachhaltige Entlastung schaffen nur neu errichtete Wohnungen – und hier liegt die Zielmarkte bei 20.000 pro Jahr.“

Tatsächlich gab es zuletzt auch positive Zahlen zum Neubau zu vermelden: Laut Statistikamt Berlin wurden in den ersten drei Monaten des Jahres insgesamt 4840 Baugenehmigungen ausgesprochen, was einem Zuwachs von 11,9 Prozent entspricht. Der angepeilte Schnitt von 20.000 Wohnungen im Jahr wird aber wohl auch 2019 weit verfehlt werden.

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