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In Pankow sollen 176 Wohnungen an die Deutsche Wohnen verkauft werden. Die Enteignungskampagne zielt insbesondere gegen den Konzern.
© RubyImages/F. Boillot

Wegen Enteignungsdebatte: Berlin fürchtet um seine Kreditwürdigkeit

Die Ratingagentur Moody's kritisiert die Debatte um die Verstaatlichung von Immobilienkonzernen. Der Finanzsenator ist besorgt, die Wirtschaft entsetzt.

Die Ratingagentur Moody’s warnt vor den Folgen, die die Enteignungsdebatte für die Kreditwürdigkeit Berlins hat. Sollte der geplante Volksentscheid über die Verstaatlichung privater Immobilienkonzerne wie Vonovia oder die Deutsche Wohnen erfolgreich sein, würde das Berlins Kreditprofil negativ beeinflussen, heißt es in einem neuen Kommentar der Agentur. Die Enteignung von Immobilienkonzernen würde die Möglichkeiten der Hauptstadt mindern, Investoren anzuziehen und zudem die Verschuldung auf ein Rekordhoch drücken.

Die Landesregierung zeigte sich am Mittwoch besorgt angesichts dieser Warnung. Zwar seien die Auswirkungen des Moody’s-Kommentars noch nicht abzusehen, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) dem Tagesspiegel. Aber: „Ungeachtet dessen ist die Einschätzung der Ratingagentur ernst zu nehmen.“

Angesichts des Mietenanstiegs in Berlin will eine Initiative von April an Unterschriften für einen Volksentscheid sammeln. Ziel ist es, Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen zu „vergesellschaften“. Der Vorstoß zielt vor allem auf den Konzern Deutsche Wohnen, der in Berlin rund 110.000 Wohnungen besitzt.

Laut einer Schätzung des Senats müsste das Land bei einer Enteignung des Konzerns eine Entschädigung in Höhe von bis zu 36 Milliarden Euro zahlen. Moody’s warnt deshalb vor den Folgen für das Budget. „Die Entschädigung würde Berlins Verschuldung auf einen Schlag in die Höhe treiben und den Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung entgegenwirken, die das Land in den letzten Jahren geleistet hat“, sagte Moody’s-Analyst Harald Sperlein dem Tagesspiegel. Zumindest kurzfristig hat die Hauptstadt keine Herabstufung zu befürchten. „Das langfristige Rating hat weiterhin einen stabilen Ausblick und die rating-relevanten Fundamentaldaten haben sich in den letzten Jahren sogar kontinuierlich verbessert.“

Die Wirtschaft reagierte am Mittwoch entsetzt auf den Vorstoß der Ratingagentur. „Die Überlegung an den Finanzmärkten, Berlins Kreditwürdigkeit herabzustufen, muss dem Senat eine deutliche Warnung sein“, sagte Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), dem Tagesspiegel. „Dies würde bedeuten, dass das Land in Zukunft deutlich höhere Zinsen für neu aufgenommene Kredite zahlen müsste.“

Amsinck wies darauf hin, dass der Senat derzeit Milliarden-Ausgaben für den öffentlichen Nahverkehr, für den Schulbau, für die Rekommunalisierung der Energienetze, für den Rückkauf von Wohnungen im großen Stil oder für Entschädigungen nach Enteignungen plane. „Das zeigt, dass viele in der Koalition die finanziellen Möglichkeiten Berlins vollkommen überschätzen“, sagte er.

Enteignungskampagne startete Ende 2018

Die Kampagne zur Enteignung der Immobilienkonzerne wurde Ende 2018 von einer privaten Initiative gestartet und fand seither auch bei den Koalitionären des Berliner Senats Unterstützung. Die Linkspartei hatte einen solchen Schritt bereits auf ihrem Parteitag im Dezember 2018 gefordert – gefolgt von Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek, die ihn im Januar für „besonders krasse Fälle“ guthieß. Finanzsenator Kollatz warnte am Mittwoch hingegen vor Enteignungen. „Diese Politik mache ich mir nicht zu eigen.“

Die Enteignungskampagne ist nicht die einzige wohnungspolitische Maßnahme, die derzeit koalitionsintern für Streit sorgt. SPD und Linke streiten sich zudem über den Vorschlag der Sozialdemokraten, einen Mietendeckel für Berlin einzuführen. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, das Projekt zu verzögern.

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