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Sie sorgen für Ärger in der Stadt: Seit einigen Monaten fahren die E-Scooter durch Berlin.
© Reuters/Annegret Hilse

Gespräche mit Vermieterfirmen: Berlin dämmt das E-Roller-Chaos ein

Die Gehwege Berlins sollen von E-Scootern befreit werden – möglichst bald und teilweise schon sofort. Die Polizei hat bereits 38 Verkehrsunfälle registriert.

Das Brandenburger Tor kann ab sofort wieder ohne Rollerstapel im Vordergrund fotografiert werden. Bei einem Gespräch in der Senatsverwaltung für Verkehr haben sich Verwaltungsspitzen und die Anbieter der neuen Elektroscooter geeinigt, dass die Fahrzeuge am Pariser Platz und am Holocaustmahnmal ab sofort nicht mehr abgestellt werden dürfen.

Um die Vorgabe umzusetzen, sollen die Anbieter die Parkfunktion der Roller – deren Position sie auf wenige Meter genau orten können – an diesen Orten deaktivieren. Die Vereinbarung ist der erste von mehreren Schritten, um das Chaos in der Innenstadt zu verringern.

Perspektivisch soll das Parkverbot nicht nur auf weitere historisch bedeutsame Orte ausgedehnt werden, sondern auf sämtliche Gehwege, kündigte Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) an. Es ist die Konsequenz aus den Klagen von Fußverkehrs- und Behindertenverbänden über die neuen Stolperfallen. „Sehr konstruktiv“ sei das Gespräch mit den Vermietfirmen gewesen, „geprägt vom Bestreben, die Akzeptanz der E-Scooter deutlich zu erhöhen“.

Das soll vor allem dadurch gelingen, dass die Roller künftig nicht mehr auf Gehwegen, sondern auf anderen Teilen des Straßenlandes abgestellt werden. Teilweise sollen dafür Autostellplätze umgewidmet werden, teilweise bieten sich bisher nicht oder illegal genutzte Stellen an.

Als typisches Beispiel nannte der an dem Gespräch beteiligte Neuköllner Bürgermeister Martin Hikel (SPD) die Fünfmeterbereiche um Kreuzungen und Einmündungen, die bisher von Autofahrern selbstverständlich zugeparkt werden. Diese Bereiche seien „prädestiniert“ für einen Umbau zu gesicherten Stellplätzen sowohl für Scooter als auch für Fahrräder.

30.000 Autostellplätze in Mitte

„Platz gibt es genug“, gab Hikels Friedrichshain-Kreuzberger Amtskollegin Monika Herrmann (Grüne) als Parole aus. Ziel sei, „dass wir zum Saisonbeginn 2020 ausreichend Plätze zur Verfügung haben werden“. Ihr Parteifreund und Amtskollege aus Mitte, Stephan von Dassel, bestätigte, dass angesichts von zurzeit 30.000 bewirtschafteten Autostellplätzen allein in seinem Bezirk reichlich Potenzial vorhanden sei.

Er sagte, Abstellsperren durch die Hersteller seien viel effektiver als die täglichen Aufräumaktionen der Ordnungsämter. Hikel nannte als denkbare Sperrgebiete auch die Umgebung von Senioreneinrichtungen – wegen der Stolpergefahr. Besondere Priorität für Neukölln habe aber, das Abstellen in Grünanlagen zu unterbinden. Denn dort landen die Roller gern nachts – um sich bei Tageslicht mitunter als schrottreif zu erweisen. Bei deaktivierter Parkfunktion tickt die Gebühren-Uhr in den Rollern weiter, bis ein legales Abstellgebiet erreicht ist. Fahrsperren für gesperrte Gebiete – zu denen außer Gehwegen auch Grünanlagen gehören – gibt es allerdings nicht.

Den Nutzern die grundlegenden Regeln beibringen

Knapp 6000 Scooter stehen und fahren mittlerweile in Berlin herum. Eine Obergrenze ist nicht geplant – zumal die nach Auskunft von Günther vom Verbreitungsgebiet abhängen müsste. Und Gebühren könne das Land nicht verlangen, weil die seit Mitte Juni zugelassenen „Elektrokleinstfahrzeuge“ – im Unterschied etwa zu Bierbikes – rechtlich Verkehrsmittel seien und ihr Betrieb keine Sondernutzung des Straßenlandes sei.

Nach Auskunft der ebenfalls am Gespräch beteiligten Polizeipräsidentin Barbara Slowik wurde mit den Vermietern außerdem vereinbart, den Nutzern die grundlegenden Regeln verbindlich beizubringen. Statt einfach ein Häkchen zur pauschalen Bestätigung anzuklicken, sollen die Nutzer über die Apps künftig zum Lesen der Vorschriften – Fahrverbot auf Gehwegen, Benutzung erst ab 14 Jahren und nur einzeln, Alkoholverbot – genötigt werden.

Außerdem sollen Sicherheitstrainings angeboten werden – virtuell über die Apps, aber auch praktisch, etwa in den Jugendverkehrsschulen, wie von Dassel sagte. Die Unfallbilanz der Polizei nach sieben Wochen: Von 38 registrierten Unfällen mit Scooter-Beteiligung wurden 34 von deren Fahrern verursacht.

100 Euro und ein Punkt bei Handynutzung

27 Beteiligte wurden leicht und sieben schwer verletzt. Die Polizeipräsidentin erinnerte daran, dass für die Scooter dieselben Strafen gelten wie bei Verkehrsverstößen im Auto – also 100 Euro und ein Punkt bei Handynutzung sowie Fahrverbote bei Rotlichtverstößen und Nachschulungen für Führerscheinneulinge.

Die jetzt mit den Anbietern vereinbarten Maßnahmen ähneln teilweise denen, die auch schon in anderen Städten ergriffen wurden, etwa in Köln. Den propagierten Zweck als umweltfreundlicher Auto- Ersatz verfehlen die Roller in Berlin offensichtlich: In aller Regel brausen Touristen oder spaßbedürftige Jugendliche auf ihnen durch die City, und in den Außenbezirken mit ihrem wesentlich dünneren Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln stehen gar keine Scooter zur Verfügung. Die Verkehrssenatorin berichtete vom „erkennbaren Willen“ der Anbieter, auch die äußeren Stadtteile zu bedienen.

Was das Chaos auf den Gehwegen betrifft, wiederholen sich mit den Scootern die Probleme, die schon bei den Leihfahrrädern zu erleben waren. Auch mit deren Anbietern soll demnächst gesprochen werden, sagte Günther. Man habe sich nur zuerst um die Roller gekümmert, weil die Probleme bei denen so akut seien.

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