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Mit seiner emotionalen Rede im Juni 1987 hat Ronald Reagan viel für den Mauerfall getan.
© AFP

Ehemaliger US-Präsident: Berlin braucht einen Reagan-Platz!

„Open this gate!“, forderte der US-Präsident 1987 vor dem Brandenburger Tor und tat damit viel für den Mauerfall. Trotzdem bleibt Ronald Reagan unbeliebt in der Stadt. Dabei hätte er einen Platz verdient.

Die Menschen ändern sich – nur lieb gewordene Vorurteile bleiben manchmal erhalten. Warum nicht 30 Jahre nach der berühmten Rede Ronald Reagans vor dem Brandenburger Tor mal den Versuch unternehmen, die chronisch negative Haltung zum früheren US-Präsidenten zu überwinden? Der Mann verdient einen Platz in Berlin. Bis heute wird er jedoch vor allem mit den Demonstrationen gegen seinen damaligen Besuch in Verbindung gebracht statt mit seinem Beitrag zum Fall der Mauer.

Schon klar, da geht nichts drüber. Man erzählt vom Krieg, und alle Augen leuchten. Damals, als der Reagan kam, erst 1982, dann 1987 wieder, die Randale, das Anarchogefühl, das unentwegte Lalülala der Polizeiwannen, lange bevor das Wort Deeskalation erfunden wurde. Wisst ihr noch, wie der K. vom Wasserwerfer getroffen wurde und die R. vorsorglich eingeknastet? Ha, ausgerechnet die R., wenn die „Scheißbullen“ geahnt hätten, was aus der noch wird!

Er hat auf der gleichen Seite gekämpft wie all die Friedensbewegten

Damals, in den 80ern, waren sich die Randalierer in ihrem Hass gegen den vermeintlichen Kriegstreiber und die Etablierten in ihrer Hybris über das fahrende Volk („Dieser Schauspieler!“) selten einig. Dabei hat er doch auf der gleichen Seite gekämpft wie all die Friedensbewegten. Nur eben mit anderen Mitteln.

Hat Ronald Reagan in guter Erinnerung: Tagesspiegel-Autorin Elisabeth Binder.
Hat Ronald Reagan in guter Erinnerung: Tagesspiegel-Autorin Elisabeth Binder.
© Doris Spiekermann-Klaas

20 Jahre nach der Rede bestätigte der damalige Außenminister George Schultz, dass Reagan ein hoffnungsvoller Mensch war, einer, der wirklich an Veränderung glaubte. Wäre es nach dem diplomatisch vorsichtigen Außenministerium gegangen, hätte es keine emotionalen Worte zum Thema „Mauer“ gegeben. Stattdessen sollte der Präsident für Olympische Spiele in beiden Hälften der damals geteilten Stadt werben. Er hatte aber längst eine Beziehung zu Michail Gorbatschow aufgebaut, wusste, dass Veränderung möglich war. Sein damaliger Redenschreiber erzählte, dass Reagan selbst die emotionalen Worte „Tear down this Wall“, die ihm das Außenministerium aus dem Manuskript gestrichen hatte, kurz vor der Rede wieder eingesetzt hat. Bevor er Schauspieler wurde, war er schließlich Reporter.

In Amerika ist er ähnlich beliebt wie Kennedy

Auf der anderen Seite des Atlantiks gibt es inzwischen eine Menge Menschen, auch unter den Demokraten, die Reagans gute Seiten anerkennen. An der Spitze steht der ehemalige Präsident Barack Obama, der aus seiner Achtung für den Vorvorvorgänger keinen Hehl macht. Reagans Botschaft vom ewigen Neuanfang in Amerika sei sein Geschenk gewesen, „dafür müssen wir immer dankbar sein“, schrieb er mal. Am 100. Geburtstag des Verstorbenen konstatierte die „Financial Times“ 2011, dass Reagan, der in den 90ern auch bei vielen Amerikanern verpönt war, dort inzwischen zu den beliebtesten Präsidenten zähle – so wie Kennedy. Fragt man in Berlin Leute, was sie mit Reagan verbinden, kann man schon mal so eine Antwort ernten: „Der hatte doch was mit Krieg zu tun.“

Der Präsident hat einen Atomkrieg verhindert

Richtig, er hat einen Atomkrieg erfolgreich verhindert. Beim Wettrüsten den Russen ihre Unterlegenheit klargemacht. Er war fest davon überzeugt, dass die Sowjets irgendwann erkennen würden, dass es ihnen schlechter ging als den westlichen Kontrahenten. Und sie sich dann die Frage stellen würden: Warum eigentlich? „Ja, quer durch Europa wird die Mauer fallen. Denn sie kann dem Glauben nicht standhalten. Sie kann der Wahrheit nicht standhalten. Die Mauer wird der Freiheit nicht standhalten können“, verkündete er mit großem Pathos an jenem sonnigen Junitag des Jahres1987 am Brandenburger Tor. Niemand rechnete damals ernsthaft damit, dass es nur noch zweieinhalb Jahre dauern würde – er selber, wie er später eingestand, auch nicht. Und doch hat er mit seinem emotionalen Auftritt dazu beigetragen, dass die Stadt heute die ist, die sie ist. Er hat den Glauben wachgekitzelt.

...dann eben Nancy!

Deshalb hat er einen Platz verdient, oder wenigstens eine Straße. Das geht nicht, weil erst die Frauennamen aufholen müssen? Dann könnte doch vorerst wenigstens Nancy Reagan mal eine hübsche Straße bekommen. Schon wegen des unnachahmlichen visionären Blicks, mit dem sie den klugen Gatten in der Öffentlichkeit immer so anhimmelte.

Dieser Text erschien zuerst am 10. Juni 2017 im gedruckten Tagesspiegel-Samstagsmagazin Mehr Berlin.

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