Nur Neukölln nutzt Testgeräte: Behörden können Echtheit von Pässen nicht prüfen
Berlin hat seit Jahren keine Geräte, um gefälschte Dokumente zu erkennen. Nur in Neukölln sind sie im Einsatz. Betrüger haben leichtes Spiel.
Ausländer mit gefälschten Pässen haben in Berlin leichtes Spiel. Hier können sie sich in fast allen Bezirken staatliche Leistungen erschleichen.
Nur Neukölln wendet schon seit Jahren Dokumentenprüfgeräte der Bundesdruckerei an, mit denen auf einfachem Wege gefälschte Dokumente erkannt werden können. Im Jahr 2018 wurden in Neukölln 74 auffällige Dokumente als Fälschungen erkannt, in diesem Jahr waren es auch schon mehr als 40.
Sämtliche anderen Bezirke haben die Geräte noch nicht im Einsatz, wie eine Tagesspiegel-Umfrage ergab. Laut Innenverwaltung ist fest geplant, bis Jahresende mindestens zwei Geräte pro Standort des Bürgeramts in Betrieb zu nehmen. Nur warum das alles so lange dauert, ist nicht so leicht zu erklären.
Die Forderung, die Geräte einzusetzen, kam von der Berliner CDU-Fraktion regelmäßig seit 2016, wie parlamentarische Drucksachen belegen. Im Haushalt waren schon 2016 und 2017 je 400.000 Euro dafür eingestellt, die nicht abgerufen wurden. Für 2018 wurden 450.000 Euro eingestellt und zum Teil verwendet.
Nach Senatsangaben dauert das Verfahren sehr lange, mit dem die Geräte technisch in das IT-System des Landes und der Bezirke integriert werden. Allerdings scheint das in anderen Bundesländern kein Problem zu sein, dort laufen die Geräte erfolgreich. Sie sind sehr einfach zu bedienen, dennoch äußerte dem Vernehmen nach in Berlin die Schwerbehindertenvertretung Bedenken, weil die Software nur mit der Maus und nicht mit der Tastatur zu bedienen sei.
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Eintrag ins Melderegister ermöglicht weiteren Betrug
Momentan wird ein Dokument, das „auffällig“ ist, an einen besonders geschulten Vorgesetzten abgegeben. Und sobald sich der Verdacht auf eine Fälschung erhärtet, wird das Landeskriminalamt eingeschaltet. Die Visocore-Prüfsysteme der Bundesdruckerei sind inzwischen aber so ausgereift, dass sie manipulierte oder beschädigte Dokumente innerhalb von Sekunden entdecken. Zudem können die Daten gleich digital in die Datenbanken der Meldebehörden übernommen werden. Dies alles spart Zeit, Personal und minimiert Fehler.
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Der CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger kann sich über diese Langsamkeit richtig ärgern. „Ich war 2014 bei der Bundesdruckerei und habe mir die Geräte angeschaut“, sagte er dem Tagesspiegel. „Es ist empörend, mit welcher Sorglosigkeit der Senat den massenhaften Missbrauch falscher Pässe durch sein Nichtstun ermöglicht.“ Das Ziel werde nicht mit Nachdruck verfolgt, er höre immer nur Ausflüchte.
Die Neuköllner Zahl lässt den Schluss zu, dass es berlinweit eine durchaus relevante Zahl an Fällen gibt. Dass Neukölln die Pässe prüfe, spreche sich herum, meint Dregger – tendenziell gehen Inhaber gefälschter Pässe also woandershin.
Vorrangiges Ziel der Tätergruppe ist es, ins aktuelle Berliner Melderegister aufgenommen zu werden, eine amtliche Meldebestätigung ausgehändigt zu bekommen und damit als Einwohner legalisiert zu werden. Die Eintragung ins Melderegister erleichtert die Eröffnung von Konten, sichert Zugang zu Kitaplätzen und Sozialleistungen und hilft auch beim Abschluss etwa von Mobilfunkverträgen.
Weitere Bezirke folgen im Herbst
Welche Dimension Straftaten mithilfe gefälschter Pässe haben, ist unklar. Bei der Polizei sind im vergangenen Jahr 5724 Fälle von Leistungsbetrug erfasst worden, was einer Verdoppelung binnen acht Jahren entspricht. Wobei allerdings die Konstellation „mithilfe eines gefälschten Passes“ nicht gesondert ausgewiesen wird. Dasselbe trifft auf die Zahl der erfassten Urkundenfälschungen zu. Es wurden 5960 Fälle von Urkundenfälschung erfasst, wobei laut Polizei ebenfalls keine Aufschlüsselung nach gefälschten Pässen, Führerscheinen und Personalausweisen vorgenommen wird.
Lichtenberg wird nach Neukölln wohl der erste Bezirk sein, der Dokumentenprüfgeräte in Betrieb nimmt, voraussichtlich im Herbst. Treptow-Köpenick, Pankow, Tempelhof-Schöneberg und Friedrichshain-Kreuzberg haben noch keine Bestellungen ausgelöst, wie aus der Antwort auf eine aktuelle parlamentarische Anfrage des CDU-Abgeordneten Stephan Lenz hervorgeht. Auch diese Bezirke würden die Geräte aber bekommen, teilte IT-Staatssekretärin Sabine Smentek mit. Insgesamt seien für Berlin 110 Geräte bestellt.
Reinickendorf habe 31 Geräte geordert, teilte der zuständige Stadtrat Sebastian Maack (AfD) mit. Es gebe zwei Software-Varianten. „Verify“ sei die einfache Version. Hier werde nur durch Rot oder Grün angezeigt, ob ein Dokument auffällig oder unbedenklich ist. Im Fall von Rot bekommt der Bürgeramtsleiter den Pass, er nimmt dann eine Tiefenprüfung mit einer gesonderten Software vor. Gibt es einen Befund, wird der Pass einbehalten und die Polizei gerufen. Ob es schon Verurteilungen oder andere Konsequenzen gegeben hat, konnte niemand sagen.