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Alles echt? Eine Frage, die ohne geeignete Prüfgeräte nur schwer oder gar nicht zu beantworten ist.
© AFP

Urkundenfälschung: Wie Berlins Bezirke gegen falsche Identitäten kämpfen

Mit gefälschten Pässen kann viel Missbrauch getrieben werden. Doch in fast allen Bezirken fehlen Geräte, um sie zu erkennen.

Während Betrug im Asylverfahren für Antragsteller praktisch nicht mehr möglich ist, seit das Bundesamt das Verfahren professionalisiert hat, ist in vielen Länderbehörden Missbrauch mithilfe falscher Identitäten sehr wohl möglich – auch in Berlin. Denn die Bezirke sind bisher nicht mit Dokumentenprüfgeräten ausgestattet, so dass ihnen wohl die meisten Fälle nicht auffallen – und das, obwohl Mittel für solche Geräte zur Verfügung stehen.

Einzig Neukölln hat die Geräte im Gebrauch – testweise von der Bundesdruckerei zur Verfügung gestellt. Mit Erfolg: 2016 hat allein Neukölln 40 Betrugsversuche mit gefälschten Dokumenten festgestellt, teilte die Innenverwaltung mit. In den anderen Bezirken wird es im Zweifel gar nicht bemerkt, wenn ein Antragsteller einen falschen Pass vorlegt.

„In Reinickendorf konnten in den letzten Jahren keine gefälschten Pässe oder Ausweise identifiziert werden. Wenn es solche Fälle gab, waren die ,Betrüger‘ also erfolgreich und wurden nicht erwischt“, teilte zum Beispiel der zuständige Stadtrat Sebastian Maack (AfD) mit.

Die Neuköllner Fälle wurden der Polizei übergeben, die jeweils Ermittlungsverfahren einleitete, wie ein Polizeisprecher bestätigte. Allerdings ist unklar, was aus den Fällen geworden ist. Die Polizei hat die Sachen der Staatsanwaltschaft übergeben, die wiederum sieht sich zu keiner Auskunft in der Lage, da man ja die Namen der Beschuldigten nicht kenne.

Ein Eintrag ins Melderegister sichert Zugang zu Kita-Plätzen und Sozialleistungen

„Vorrangiges Ziel der Tätergruppe ist es, ins aktuelle Berliner Melderegister aufgenommen zu werden, eine entsprechende amtliche Meldebestätigung ausgehändigt zu bekommen und damit als Einwohner legalisiert zu werden“, teilte der Neuköllner Stadtrat Jochen Biedermann (Grüne) mit. Die Eintragung ins Melderegister erleichtert die Eröffnung von Konten, sichert Zugang zu Kita-Plätzen und Sozialleistungen und hilft auch beim Abschluss etwa von Mobilfunkverträgen.

„Wir haben einen erheblichen Missbrauch durch die Nutzung von Scheinidentitäten und gefälschten Identitäten“, sagt der CDU-Innenpolitiker Burkard Dregger. „Dabei werden beim Bezirk falsche Papiere vorgelegt, dann erhält so ein Antragsteller einen Melderegistereintrag und ist ein existierender Bürger Berlins, den es nicht gibt.“ Es gebe Erkenntnisse, dass derart eröffnete Konten genutzt würden, um den Terrorismus zu finanzieren

Das Erschleichen von Meldebescheinigungen wird bei der Polizei nicht statistisch erfasst, wie die Innenverwaltung auf eine Anfrage Dreggers mitteilte. Der Staatsschutz habe seit 2008 mindestens acht betrügerische Kontoeröffnungen durch Personen festgestellt, die dem islamistischen Spektrum zuzurechnen waren. Die Konten waren mithilfe gefälschter Pässe eröffnet worden, allerdings ohne den Umweg über die Meldebescheinigung. Das heißt, auch Banken müssten eigentlich mit Dokumentenprüfgeräten ausgestattet werden, ebenso wie die Post für ihre Post-Ident-Verfahren.

Fälschungen sind heutzutage so professionell gemacht, dass sie selbst von qualifiziertem Personal nicht immer zu erkennen sind. Und manche gefälschten Pässe gehen sogar als echt durch – etwa wenn die Druckplatten aus der zerbombten Staatsdruckerei eines Kriegsgebiets gestohlen wurden. Dann haben die Papiere alle Merkmale eines echten Passes und werden nicht erkannt.

Noch in diesem Jahr sollen alle Bezirke Dokumentenprüfgeräte bekommen

Trotz des Mangels an Ausstattung haben die Meldestellen allein in den ersten zwei Monaten des Jahres 2015 insgesamt 15 Fälschungsfälle entdeckt und angezeigt; dies sind allerdings Zufallsfunde. „Diese hohe Zahl der festgestellten Fälschungen belegt die anhaltend hohe Attraktivität, durch Vorlage gefälschter Ausweise für illegale Zwecke Meldebescheinigungen zu erschleichen“, schreibt die Innenverwaltung in der Antwort auf die Anfrage Dreggers. Mindestens zehn Fälle von Sozialleistungsbetrug habe die Polizei seit 2012 bearbeitet. Pro erfolgreiche Registrierung mit einem gefälschten Dokument entsteht ein Schaden von 20.000 bis 40.000 Euro, schätzt die Behörde .

Alle Bezirke sollen noch in diesem Jahr mit den Dokumentenprüfgeräten ausgestattet werden, allerdings dauert das. Die Technik wird im Auftrag der Senatsverwaltung für Inneres zentral beschafft. Ein Gerät kostet 200 Euro Miete monatlich; der Kauf würde 2000 Euro kosten, zuzüglich regelmäßiger Software-Updates. Im Februar wurde die europaweite Ausschreibung der Geräte im europäischen Amtsblatt veröffentlicht. Die Innenverwaltung rechnet damit, dass Geräte ab September für den Einsatz in den Behörden bezogen werden können.

Die Bezirke erwarteten, auf die neuen Geräte umfassend vorbereitet zu werden bezüglich Betrieb, Sicherheit und Datenschutz, teilte die Innenverwaltung mit. Dazu würden von einer Arbeitsgruppe aus Polizei, Innenverwaltung, Bezirksamt Neukölln und dem IT-Dienstleistungszentrum der Berliner Verwaltung Konzepte erarbeitet.

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