Mobilitätsgesetz geht in die nächste Runde: Autos sollen weniger Platz auf der Straße haben
Private Autos sollen weniger Platz haben – Lieferdienste und Handwerker mehr. Verbänden ist die Umsetzung zu langsam, und in der Koalition gibt es Streit.
Deutlich weniger Autos in Berlin, dafür mehr Platz auf den Straßen für Lieferdienste, Handwerksbetriebe und den Transport aller Güter, die in der Stadt benötigt werden: Die rot-rot-grüne Koalition will mit den beiden nächsten Abschnitten des Mobilitätsgesetzes den Verkehr in Berlin grundsätzlich verändern. Mit den Gesetzesentwürfen zu den Themen „Wirtschaftsverkehr“ und „Neue Mobilität“ befasste sich am Montag der Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses in einer Anhörung. Geladen dazu waren Vertreter der Berliner Wirtschaft sowie Mobilitätsexperten.
Um die Autozahl in Berlin deutlich zu reduzieren, will Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) über den Abschnitt „Neue Mobilität“ unter anderem die Zahl der Parkplätze und Straßenflächen für den motorisierten Verkehr reduzieren. Auch „Preismechanismen“ – höhere Parkgebühren und eine City-Maut – sollen dabei helfen, privat Autofahrten unattraktiver zu machen. „Die Straßen sollen für die da sein, für die es notwendig ist“, sagte Günther im Ausschuss. Dazu zähle auch der Wirtschaftsverkehr. Dieser sei auf die Straße angewiesen. „Deshalb soll er nicht im Stau stehen“, sagte die Senatorin. Helfen sollen den Transportunternehmen und Handwerksbetrieben auch zusätzliche Lieferzonen anstelle der heutigen Auto-Parkplätze.
Günther nannte weitere Punkte, zur Sicherung des Wirtschaftsverkehrs. Geplant sei ein Routennetz für den Schwerlastverkehr. Zudem solle ein „Flächendeckendes Netz von Umschlagplätzen“ für Güter geschaffen werden. Mit der Senatswirtschaftsverwaltung wolle man ein Konzept erstellen. Für die Bezirke soll ein Plan erarbeitet werden, um festzustellen, wo Bedarf für weitere Lieferflächen ist.
Bei den Wirtschaftsverbänden stößt der Entwurf überwiegend auf Zustimmung. Mehr Geschwindigkeit wünschen sich die Verbände jedoch unter anderem bei den Stellflächen für Transportfahrzeuge. „Ausreichende Lieferzonen sind nicht nur eine notwendige Bedingung für den Berliner Handel, sie schützen auch andere Verkehrsteilnehmer und ermöglichen Verkehrsfluss“, erklärte Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg. So sei geplant, dass über eine neue Austauschplattform zunächst zwei Jahre lang beraten werde, wo in der Stadt neue Lieferflächen entstehen. Der Handelsverband wünscht sich mehr Tempo und fordert schnelle Lösungen wie bei den Pop-up-Radwegen.
„Was für den Radverkehr möglich ist, muss auch für den so wichtigen Lieferverkehr machbar sein. Statt nun zwei weitere Jahre über passende Kriterien nachzudenken und das Thema zu verschleppen, fordern wir Pop-Up-Lieferzonen, um das sichere Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten“, teilte Busch-Petersen mit. Insgesamt zeigten sich die Wirtschaftsvertreter mit dem Entwurf jedoch zufrieden. „Dass der Wirtschaftsverkehr jetzt seinen Abschnitt im Berliner Mobilitätsgesetz erhält, ist notwendig und überfällig. Ich bin froh, dass dabei viele unserer Forderungen aufgenommen wurden“, erklärte der Geschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer, Jan Eder.
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Hoffnungen setzt Sven Weickert, Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) in die mit dem Gesetz geplante Verkehrsdatenplattform. „Bislang hat es kaum belastbare Zahlen über Verkehrsströme und -entwicklungen gegeben. Daten müssen aber die Grundlage für Infrastruktur-Entscheidungen sein.“
Wie sehr es dem Senat bislang am Überblick über den Wirtschaftsverkehr in der Hauptstadt fehlt, zeigt die Antwort auf eine bislang unveröffentlichte Anfrage der FDP-Fraktion, die dem Tagesspiegel vorliegt. Es sei aktuell „weder feststellbar, wie viele Lieferfahrzeuge in Berlin zugelassen sind, noch wie viele Lieferfahrzeuge sich in Berlin befinden, einpendeln oder ähnliches“, teilte die Senatsverwaltung mit. „Damit fehlt die Grundlage, um Maßnahmen zur Optimierung des Wirtschafts- und Lieferverkehrs beurteilen und priorisieren zu können“, erklärte FDP–Verkehrspolitiker Henner Schmidt.
Scharfe Debatte umd City-Maut und Parkgebühren
Während bei der Verbesserung des Wirtschaftsverkehrs Einigkeit herrschte, wurde um Parkgebühren und City-Maut schärfer debattiert – auch in der Koalition. SPD–Verkehrspolitiker Tino Schopf kritisierte die Pläne, Parkgebühren zu stark anzuheben oder eine City-Maut einzuführen. „Da macht die SPD nicht mit. Wenn wir wollen dass die Menschen ihr Auto stehen lassen, dann müssen wir den ÖPNV verbessern.“ Dies dürfe nicht länger im „Bummeltempo“ geschehen. Auch Kristian Ronneburg (Linke) sprach sich gegen eine Gebühr für die Einfahrt in die innere Stadt aus, genauso wie CDU und FDP.
Günther widersprach und erklärte wie wichtig, höhere Gebühren seien. „In allen Expertenzirkeln ist unumstritten, dass die Bepreisung für die Neuaufteilung des Verkehrsraums eine elementare Rolle spielt.“ Zehn Euro wie derzeit pro Jahr für die Anwohnerparkausweise seien „keine angemessene Bepreisung“. Die Einführung einer City-Maut stehe hingegen „nicht an erster Stelle“. Unterstützung bekam sie vom Mobilitätsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. „Wir müssen dem Auto die Privilegien, die es genossen hat, wieder entziehen.“ Mit dem Auto würden 24 Prozent der Wege zurückgelegt, es verbrauche aber 80 Prozent des öffentlichen Raums. Mit einer intelligenten Sharing-Strategie, sagte Knie, würden 300.000 Autos in Berlin ausreichen. „Wir würden dadurch unfassbar viel Fläche gewinnen.“
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