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Lieferwagen gefährden vor allem Radfahrer und bremsen den restlichen Verkehr.
© Jörn Hasselmann
Update

Dritter Teil des Mobilitätsgesetzes: Berlin will Parkplätze aufgeben, aber mehr Lieferzonen einrichten

Stadtverträglicher Wirtschaftsverkehr, mehr Flächeneffizienz, weniger motorisierter Individualverkehr – darauf zielt ein neuer Teil des Mobilitätsgesetzes ab.

Am Mittwochabend hat die Verkehrsverwaltung im Mobilitätsbeirat Entwürfe für den dritten Teil des Mobilitätsgesetzes vorgestellt. Nach dem Fahrrad- und Fußverkehr befasst sich der dritte Teil des Gesetzes mit dem Lieferverkehr und "Neuer Mobilität". Ziele sind ein stadtverträglicher Wirtschaftsverkehr, mehr Flächeneffizienz und weniger motorisierter Individualverkehr, teilte die Verwaltung mit.

Der Parlamentsbeschluss zu diesem Teil soll im Frühjahr 2021 kommen. Langfristig soll die Zahl der Parkplätze im öffentlichen Raum verringert werden. Von diesen Flächen soll auch der Lieferverkehr profitieren, der bislang meist in zweiter Reihe haltend abgewickelt wird. Dies bremst andere Fahrzeuge aus und gefährdet Radfahrer. 

Für den Lieferverkehr soll eine "Austauschplattform Wirtschaftsverkehr" inklusive einer koordinierenden Ansprechperson gebildet werden, hieß es. "Die drei übergeordneten Ziele beim Wirtschaftsverkehr sind die Sicherung notwendiger Flächen etwa für den Warenumschlag, die Reduktion von Emissionen durch Verlagerung auf klima- und umweltfreundliche Verkehrsträger oder Antriebe sowie die stadtverträgliche Optimierung von Liefer- und Ladeprozessen durch Bündelung und zeitliche Flexibilisierung."

Einfacher formuliert: Der Lieferverkehr soll gebündelt werden, an Umschlagstationen sollen Waren und Pakete verteilt werden auf kleinere und umweltfreundlichere Fahrzeuge, zum Beispiel Lastenräder. Ziel ist zum Beispiel auch, dass nicht jeder Paketdienst jedes Haus anfährt, sondern dass auf der "letzten Meile" dies von einem Anbieter übernommen wird. Dieses Konzept wurde ansatzweise bereits in Prenzlauer Berg getestet.

Am Mittwoch hat die Verkehrsverwaltung den Entwurf veröffentlicht und ins Netz gestellt. Im Juli waren erste Details genannt worden.

Wirtschaftsverbände protestierten schon im Juli

Die Wirtschaftsverbände hatten im Juli heftig protestiert, als die Verkehrsverwaltung die Eckpunkte des Gesetzes vorgestellt hatte. Das Gesetz werde "weder inhaltlich noch strukturell der Bedeutung des Wirtschaftsverkehrs für die Stadt und für die Mobilitätswende gerecht", so die Verbände damals.

Am Donnerstag fiel die Reaktion weitaus positiver aus:  „Der jetzt vorgelegte Entwurf ist zunächst einmal eine gute Basis“, sagte IHK-Chef Jan Eder. Sinnvoller als eine City-Maut sei eine Reduzierung des Individualverkehrs, damit mehr Platz für den Wirtschaftsverkehr sei, hieß es. Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg lobte: "Nach langwieriger Debatte bekommt der Wirtschaftsverkehr endlich den Rang im Gesetz, der ihm zusteht."

Jürgen Wittke von der Handwerkskammer forderte, dass das Gesetz "schnell die parlamentarischen Hürden nimmt, damit Lieferzonen an den Hauptgeschäftsstraßen, aber auch bei den Endkunden, am tatsächlichen Bedarf orientiert eingerichtet werden können." Die Wirtschaftsverbände sind wie Fraktionen, Fahrrad- und Fußverbände im Beirat vertreten.

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Unter "Neuer Mobilität" nannte die von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) geführte Verwaltung: "Zu den Zielen gehören die Verringerung motorisierten Individualverkehrs, etwa durch Flächenumverteilung zugunsten des Umweltverbunds, aber auch mehr Flächeneffizienz bei der Ausgestaltung von Mobilitätsangeboten."

Gerade Fahrradverbände haben in den vergangenen Jahren immer wieder mehr Flächen-"Gerechtigkeit" gefordert, der Gesetzentwurf nennt dies nun "Effizienz". Kritisiert wurde vor allem, dass dem privaten Autoverkehr zu viel Platz zur Verfügung steht, nicht nur zum Fahren, sondern auch zum Abstellen. "Die Parkraumbewirtschaftung soll nicht nur ausgeweitet, sondern auch digitalisiert werden", teilte die Verwaltung nun mit. 

Im Frühjahr 2021 soll – so der Plan der Verwaltung – das Gesetz beschlossen werden

Das Berliner Mobilitätsgesetz soll die rechtliche Basis bilden für die Neuorganisation des Berliner Straßenraums im Sinne von Verkehrssicherheit, Klimaschutz und Anforderungsgerechtigkeit. Das kann allerdings nur gelingen, wenn neben den Anforderungen des ÖPNV und des Fahrradverkehrs auch die des Wirtschaftsverkehrs zügig berücksichtigt werden, so die Wirtschaftsvertreter. 

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Die Verwaltung entgegnete, dass "der Referentenentwurf in einem aufwändigen Beteiligungs- und Diskussionsverfahren mit dem Mobilitätsbeirat erarbeitet wurde, dem Mobilitätsverbände, Bezirke, Senatsverwaltungen und Fraktionsvertreter*innen angehören". Der Mobilitätsbeirat habe nun im Rahmen der Verbändebeteiligung die Gelegenheit, Stellung zu dem Gesetzesentwurf zu nehmen. Danach folgen das offizielle Mitzeichnungsverfahren und die Beschlussfassung im Senat.

Im Frühjahr 2021 soll – so der Plan im Hause Günther – das Gesetz im Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Wie berichtet, war die Verkehrssenatorin gerade im Senat mit ihrem Klimapaket gescheitert. 

Die ersten drei Abschnitte des Mobilitätsgesetzes – Allgemeine Ziele, ÖPNV und Radverkehr – sind bereits im Juli 2018 in Kraft getreten, der vierte Teil zum Fußverkehr wird derzeit noch im Abgeordnetenhaus beraten.

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