Berlin-Schmargendorf: Auf der Kolonie Oeynhausen rollen die ersten Bagger
Wo früher 150 Lauben der Schmargendorfer Kleingartenanlage standen, baut die Groth-Gruppe jetzt 973 Wohnungen – für 400 Millionen Euro.
Am Rande der knapp fünf Hektar großen Brache neben der Forckenbeckstraße in Schmargendorf gammeln noch alte Protestplakate vor sich hin: „Kräuter oder Kräne?“ und „Beton oder Bäume?“, lauteten Slogans, mit denen sich Kleingärtner in der Kolonie Oeynhausen gegen Wohnungsbaupläne der Groth-Gruppe gewehrt hatten. Sie gewannen vor drei Jahren sogar einen Bürgerentscheid für die Erhaltung aller Parzellen mit 77 Prozent der Stimmen. Trotzdem mussten 150 Pächter im Januar 2016 ihre Laubengärten räumen. Nun hat der Unternehmer Klaus Groth die Pläne für sein „Maximilians Quartier“ vorgestellt.
Die Bezeichnung ist abgeleitet vom Namensgeber der Forckenbeckstraße, dem einstigen Berliner Oberbürgermeister Maximilian Franz August von Forckenbeck (1821 bis 1892). Für etwa 400 Millionen sollen 973 Wohnungen bis zum Jahr 2021 entstehen. Damit handelt es sich um eines der größten aktuellen Bauprojekte in der westlichen Innenstadt. Geplant sind 472 Eigentumswohnungen und 501 Mietwohnungen, von denen 65 der Mietpreisbindung unterliegen. Hinzu kommen eine Kita, ein Stadtplatz und Tiefgaragen mit 526 Stellplätzen. In umliegenden Schulen finanziert der Investor 28 neue Grundschulplätze.
Kaufpreise ab 4718 Euro pro Quadratmeter
Die meisten Bewohner werden in fünf- bis achtstöckige Gebäuderiegel ziehen. Außerdem werden acht Einzelhäuser und zwei Stadtvillen gebaut. Zum Beginn der Vermarktung nannte Groth am Donnerstag auch Preise. Käufer zahlen mindestens 4718 Euro pro Quadratmeter. Für Mieter der freifinanzierten Wohnungen geht es bei 13 Euro je Quadratmeter los, in den 65 Sozialwohnungen liegt der Betrag bei 6,50 bis acht Euro .
Zusammen mit dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hatte Groth ein architektonisches Workshopverfahren gestartet. Um eine „individuelle Gestaltung“ zu erreichen, hat der Unternehmer vier Architektenbüros beauftragt (Nöfer Gesellschaft von Architekten, Hilmer Sattler Ahlers Albrecht Architekten, léonwohlhage Gesellschaft von Architekten, Modersohn & Freiesleben). Im ersten Bauabschnitt mit 219 Eigentumswohnungen, für den die Baugenehmigung vorliegt, beginnt gerade der Bodenaushub. Ab Oktober soll der Hochbau folgen, damit diese Wohnungen bis Ende 2019 bezugsfertig sind. Für den zweiten der vier Quartiersteile erwartet Groth die Baugenehmigung im Laufe der kommenden sechs Wochen.
Die Hälfte der Lauben auf Groths Gelände bleibt
Das Gelände sei „ausgesprochen ruhig und grün gelegen“, wirbt die Immobilienfirma. Das mag wie Hohn in den Ohren der 150 Betroffenen klingen, die ihre Kleingärten verloren haben – es ist aber trotzdem wahr. Das Grün besteht vor allem aus erhaltenen Laubengärten. Denn die Kolonie Oeynhausen wurde nicht ganz abgerissen. Laut einem Kompromiss mit dem Bezirk bleiben rund 150 Parzellen auf der Hälfte des Groth-Areals stehen. Außerdem gibt es 122 Lauben auf einem Grundstücksteil, der dem Land Berlin gehört. Und nebenan bis hin zur Mecklenburgischen Straße existieren noch weitere Kleingartenkolonien.
Bezirksamt fürchtete Schadensersatzansprüche
Bezirksvertreter nahmen nicht an der Präsentation des Projekts teil. Der jahrelange Kampf um die Kolonie hat auch politisch Spuren hinterlassen. Eigentlich hatten alle Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung stets als Ziel genannt, die Kolonie Oeynhausen vollständig zu retten – ganz im Sinne des Bürgerentscheids. Doch Gerichte bestätigten, dass Groth ein Baurecht auf dem Gelände habe, das zuvor lange der Deutschen Post und später einem Investmentfonds gehört hatte. Aus Sorge vor Schadensersatzansprüchen in Millionenhöhe erlaubte der damalige Baustadtrat Marc Schulte (SPD) die Wohnbebauung.
Die politischen Diskussionen im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf halten aber bis heute an. Für die „Rettung von Grünflächen“ überall im Bezirk sammelten Kiezinitiativen und Kleingärtner im vorigen Jahr noch einmal mehr als 18 000 Unterschriften. Das hätte für einen erneuten Bürgerentscheid gereicht. Die Abstimmung fiel am Ende nur aus, weil die Bezirksverordnetenversammlung die Forderungen in einem wortgleichen Beschluss übernahm. Demnach soll das Bezirksamt künftig Grünflächen und Kleingärten „dauerhaft sichern und bestehende andere Planungen unverzüglich aufheben“.