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Eine Demonstration gegen steigende Mieten in Berlin im Sommer 2020.
© imago images/IPON
Update

„Deutsche Wohnen & Co enteignen“ legt Gesetz vor: Auch unbebaute Grundstücke sollen vergesellschaftet werden

Ein Volksbegehren soll die „Privatnützigkeit des Eigentums“ in Berlin beenden. Die Ideen für die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen werden konkreter. Aber sind sie umsetzbar?

Die Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ sammelt weiter Unterschriften für ihr Volksbegehren. Was sie inhaltlich will, gab sie Montag bekannt. Am Vormittag stellten die Aktivisten ihren Entwurf für ein „Vergesellschaftungsgesetz“ vor. 

Im Kern sollen alle Vermieter mit mehr als 3000 Wohnungen enteignet und ihre Wohnungen in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden. Sie soll „Gemeingut Wohnen“ heißen. Zu ihrer Errichtung müsste ein eigenes Gesetz erlassen werden. 

Stichtag für die Zahl der Wohnungen ist der 26. September 2021. Das ist kein Zufall – an diesem Tag wird in Berlin und im Bund gewählt und, wenn bis 25. Juni die nötige Zahl von 175.000 Unterschriften erreicht ist, auch der Volksentscheid zur Wahl gestellt. 

Der nun vorliegende „Gesetzentwurf“ macht deutlich, wie weit der Eingriff gehen soll: Sogar unbebaute Grundstücke zählen mit und ebenso Wohnungen, die lediglich im Miteigentum stehen, also mehrere Eigentümer haben. Sind Gesellschaften miteinander verflochten, so zählt alles oberhalb von 20 Prozent der Stimmrechte. 

Alle drei Jahre soll die Vergesellschaftung wiederholt werden. Genossenschaften, Landesunternehmen und andere Non-Profit-Organisationen sollen nicht von der Vergesellschaftung umfasst sein. 

[Lesen Sie mehr: Das Netz der Mietaktivisten: Was hinter dem Erfolg der Berliner Enteignungs-Initiative steckt (T+)]

Ziel der Vergesellschaftung ist laut Initiative, den seit Jahren anhaltenden Aufwärtstrend bei den Mietpreisen in Berlin zu bremsen. „Die Privatnützigkeit des Eigentums wird hiermit beendet“, sagte Sebastian Schneider, der an dem Entwurf maßgeblich mitwirkte. Juristin Agnes Schober sagte, es gehe darum, „Großgrundbesitz neu zu verteilen“. 

Technisch gesehen ist es kein richtiger Gesetzentwurf, denn einen solchen hätte die Innenverwaltung prüfen müssen. Es ist also lediglich ein unverbindlicher Vorschlag. Am Wahltag wird daher nicht über ein Gesetz abgestimmt, sondern über folgenden Wortlaut: „Beschluss zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durch den Senat zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen“. 

Ein Graffiti gegen hohe Mieten und für Enteignungen in Berlin.
Ein Graffiti gegen hohe Mieten und für Enteignungen in Berlin.
© John MACDOUGALL/AFP

Der Senat soll per Volksentscheid lediglich aufgefordert werden, die Möglichkeiten für eine Vergesellschaftung zu prüfen und einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten. Aus der Innenverwaltung heißt es dazu: Nach einem Volksentscheid „könnte der Senat frei darüber entscheiden, ob er ein Vergesellschaftungsgesetz entwirft und in das Abgeordnetenhaus einbringt“. 

Gezwungen ist er dazu nicht. Alternativ könnte jede Fraktion im Abgeordnetenhaus „vor oder nach dem Volksentscheid einen eigenen Gesetzentwurf“ einbringen. Nach dem Willen der Initiative sollen bei fälligen Entschädigungen Schuldverschreibungen erteilt werden, die in vierzig gleichen Jahresraten getilgt werden sollen.

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Insgesamt liegt die vorgesehene Entschädigung weit unter Marktwert, auch unter Verkehrswert. Der Vorsitzende des Berliner Mietervereins, Rainer Tietzsch, sagte zu dem Entwurf, er sei „positiv angetan“. Auch das Modell der Entschädigung hält er für „gut vertretbar“.

Maßstab der Entschädigungshöhe ist die „leistbare Miete“, die man auf 4,04 Euro pro Quadratmeter berechnet habe, sagte Sebastian Schneider von „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ bei der Vorstellung des Entwurfs am Montag. Das sei eine Miete, die sich armutsgefährdete Haushalte gerade noch leisten könnten. 

Auch Mieter mit mehr Geld sollen künftig nur 4,04 Euro netto kalt zahlen. Die durchschnittliche Nettokaltmiete in Berlin lag 2018 bei 6,71 Euro pro Quadratmeter, die Entschädigungssumme läge in diesem Fall bei 24 Milliarden Euro. 

Entschädigungen auf 7 bis 40 Milliarden Euro geschätzt

Der Träger des Volksbegehrens schätzte im Vorfeld die Entschädigungssumme auf 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro, wie auf der Webseite der Landeswahlleiterin nachzulesen ist. Die Schätzung geht davon aus, dass die Summe allein aus den Mieteinnahmen bezahlt werden kann und man die Mieten dabei noch senken könnte. Die amtliche Kostenschätzung geht hingegen von Gesamtkosten von fast 40 Milliarden Euro aus, für die Kredite aufgenommen werden müssten.

Bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs hieß es, die Kosten der Entschädigungen würden den Landeshaushalt gar nicht tangieren. Die Schuldverschreibungen, auch „Entschädigungsbonds“ genannt, könnten von den Wohnungsunternehmen am Kapitalmarkt in Geld getauscht werden. Wie das funktionieren soll, konnten zwei vom Tagesspiegel angefragte Experten am Montag nicht erklären. 

Artikel 15 des Grundgesetzes wurde noch nie angewendet

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja lehnte den Entwurf als ruinös ab und forderte „bauen statt klauen“. CDU-Fraktionschef Burkard Dregger sprach von einer erneuten „Mietertäuschung“ und – wie beim gekippten Mietendeckel – von einem neuen Anlauf „gegen unsere Verfassung“. 

Auch SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey hat sich bereits von den Zielen der Enteignen-Initiative distanziert. Die Grünen wollen prüfen, ob der Entwurf rechtlich gangbar ist und ins grüne Programm passt. 

Aus Sicht der Linken schafft der Gesetzesentwurf der Initiative „Klarheit über die angestrebten Ziele und Auswirkungen“. Nötig sei eine breite gesellschaftliche und juristische Debatte über ein solches Gesetz, „um damit die Grundlagen zu schaffen, das Volksbegehren im Falle seines Erfolgs zügig umsetzen zu können“.  

Eine Entziehung von Eigentum, wie von den Initiatoren erhofft, hat es so noch nie gegeben. Das Grundgesetz sieht die „Vergesellschaftung von Eigentum“ zwar in seinem Artikel 15 vor, dieser Artikel existierte aber bisher ungenutzt vor sich hin. Es gibt dazu keinen Präzedenzfall und keine Rechtsprechung. 

Zudem sieht die Berliner Verfassung – im Gegensatz zum Grundgesetz – keine Vergesellschaftung vor. 

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