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Für viele Vergessliche die letzte Rettung: Spätkaufläden wie der von Sahhüseyin Özer in der Neuköllner Laubestraße.
© Kai-Uwe Heinrich

Bürgermeisterin zur Sonntagsöffnung in Berlin: Auch Spätis müssen sich an die Gesetze halten

Neukölln wird vorgeworfen, das Ladenöffnungsgesetz rigoros durchzusetzen. In einem Debattenbeitrag nimmt die Bürgermeisterin dazu Stellung.

Die generelle Sonntagsöffnung von Geschäften entspricht durchaus der Lebenswirklichkeit einer weltoffenen Metropole wie Berlin. Warum soll in Berlin nicht das stattfinden, was in anderen internationalen Städten längst üblich ist? Bei den Diskussionen um die Sonntagsöffnung von Läden im Allgemeinen und über die sogenannten Spätis im Besonderen wird jedoch eines immer gern übersehen. Die in Berlin geltenden Regelungen sind keine freien Erfindungen der Politik, sondern gehen auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück.

Sonn- und Feiertage werden vom Grundgesetz als Tage der Arbeitsruhe geschützt. Das Bundesverfassungsgericht hat 2009 in seinem Urteil hervorgehoben, dass Ausnahmen hiervon eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes bedürfen. Ein rein wirtschaftliches Umsatzinteresse der Geschäftsinhaber und ein alltägliches Shopping-Interesse potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe zu rechtfertigen.

Franziska Giffey ist SPD-Bürgermeisterin von Neukölln.
Franziska Giffey ist SPD-Bürgermeisterin von Neukölln.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

In Berlin hat sich die Diskussion am Discounter am Innsbrucker Platz - und am Beispiel der Spätis entzündet. Spätis stellen gewerberechtlich keine Besonderheit dar, sondern fallen unter das Berliner Ladenöffnungsgesetz wie andere Geschäfte auch. Danach dürfen sie an Werktagen von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr durchgehend geöffnet, müssen an Sonn- und Feiertagen jedoch geschlossen sein. Ausnahmeregelungen für Sonntagsöffnungen sieht das Gesetz für bestimmte Branchen wie Bäcker oder Blumen- und Zeitschriftenläden vor, die Spätis mit ihrem breiten Sortiment fallen aber nicht darunter.

Dem Bezirksamt Neukölln wird häufig vorgehalten, den Spätis besonders streng auf die Finger zu schauen. Da kann ich immer nur antworten, dass wir lediglich das tun, was unsere Aufgabe ist. Wir haben keine besondere „Späti-Verfolgungsstrategie“. Kontrollen auf Einhaltung der Bestimmungen des Berliner Ladenöffnungsgesetzes gehören schlichtweg zum Aufgabenkatalog der Berliner Ordnungsämter. Und wenn das Ordnungsamt Verstöße hiergegen feststellt, dann muss es diese genauso ahnden wie beispielsweise Zuwiderhandlungen gegen die Straßenverkehrsordnung, das Jugendschutzgesetz, das Grünanlagengesetz, das Nichtraucherschutzgesetz, das Gewerberecht, das Berliner Straßengesetz oder die Spielverordnung Berlin.

Das Bezirksamt muss sich an Gesetze halten

Auch wenn Spätis zur Kiezkultur gehören mögen und ich grundsätzlich sagen würde: „Leben und leben lassen“. Das Bezirksamt kann nicht einfach nonchalant darüber hinweg sehen, wenn die Läden entgegen der geltenden Rechtslage am Sonntag geöffnet sind. Nach unserem Rechtstaatsverständnis können Behörden nun einmal nicht zwischen guten und schlechten Gesetzen und auch nicht darin unterscheiden, ob eine gesetzliche Bestimmung der gelebten Wirklichkeit entspricht oder nicht.

Wer die Situation ändern will, muss sich für eine Änderung der geltenden Rechtslage auf Bundesebene einsetzen, die der heutigen Lebensrealität der Menschen eher entspricht. Immerhin arbeitet jeder siebte Arbeitnehmer nach Angaben des Statistischen Bundesamtes häufig oder regelmäßig auch am Sonntag.

Rechtsgrundlage von 1919

Der grundgesetzliche Schutz des Sonntags ist auf Artikel 139 der Reichsverfassung von 1919 zurückzuführen. Dieser sogenannte Weimarer Kirchenartikel wurde 1949 in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernommen. Der Schutz des Sonntags hat bis heute Verfassungsrang. Man muss kein Hellseher sein, um voraus zu sagen, dass eine bunte Koalition aus Gewerkschaften und Kirchen gegen eine Änderung dieser Regelung erbitterten Widerstand leisten dürfte.

Die Autorin ist Bezirksbürgermeisterin von Neukölln.

Franziska Giffey

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