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Vor Gericht. Im Juni wurden zwei Ärztinnen in Berlin verurteilt, weil sie öffentlich über ihre Abtreibungsmethoden informiert hatten.
© Christian Mang / Imago
Exklusiv

SPD verlangt schnelle Nachbesserung: Ärger über lückenhafte Information zu Abtreibungsärzten

Im Internet steht jetzt eine Liste von Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Doch selbst das Gesundheitsministerium findet: So geht das nicht.

Nach der Veröffentlichung einer ersten rudimentären Liste von Medizinern, die in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, pocht die SPD auf schnelle Nachbesserungen. „Gesundheitsminister Jens Spahn muss sicherstellen, dass sich es für die Betroffenen deutlich mehr Information gibt“, sagte Fraktionsvize Karl Lauterbach dem Tagesspiegel. Die bisherige Übersicht der Bundesärztekammer (BÄK), reiche in keiner Weise.

Im Verzeichnis finden sich fast nur Mediziner aus Berlin und Hamburg

Die aufgrund der Reform des Strafrechtsparagraphen 219a zusammengestellte Liste der BÄK verzeichnet bislang nur 87 der bundesweit rund 1200 Ärztinnen und Ärzte, die Abtreibungen vornehmen. Dabei fehlen fast alle größeren Bundesländer. 56 der aufgeführten Praxen haben ihren Sitz in Berlin, 26 in Hamburg. Daneben finden sich nur noch drei Praxen aus Nordrhein-Westfalen und zwei aus Hessen im Verzeichnis.

Die Ärzteliste beruht auf einer Gesetzesänderung vom Februar. Nach langen Debatten hatte sich die Große Koalition darauf geeinigt, dass Werbung für Schwangerschaftsabbrüche aus wirtschaftlichen Interessen oder in "grob anstößiger Weise" verboten bleibt. Allerdings sollten Betroffene von „befugten Stellen“ eine Übersicht erhalten, in welchen Praxen Abtreibungen möglich sind.

Gesundheitsministerium: So ist das keine Hilfe für Schwangere in Konfliktsituationen

Selbst Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) räumte ein, dass die jetzt veröffentlichte Übersicht den Vorgaben dieses Kompromisses nicht genügt. „Diese Liste ist absolut unvollständig und so auch keine Hilfe für schwangere Frauen in Konfliktsituationen, so wie es der Gesetzgeber wollte“, sagte ein Ministeriumssprecher dieser Zeitung. Allerdings befinde sich das Ärzteverzeichnis erst im Aufbau. Es werde monatlich aktualisiert und solle noch „deutlich benutzerfreundlicher gestaltet“ werden als bisher. „Wir setzen darauf, dass die Bundesärztekammer das so hinbekommt.“

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Bundestag, Ulle Schauws, bezweifelt allerdings, dass sich die Situation in den nächsten Monaten groß verbessert. Schließlich könne man  Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, nicht zur Eintragung auf zentralen Listen verpflichten.

Viele Ärzte wollen womöglich nicht ins Visier von Abtreibungsgegnern

„Viele überlegen sich sehr genau, ob sie auf diese Weise ins Visier von Abtreibungsgegnern geraten wollen“, sagte Schauws dem Tagesspiegel. Fakt sei, dass es wegen des Werbeverbots zu „hanebüchenen Verrenkungen“ komme und die Regierung ihr Versprechen nicht halte.  Die Informationsmöglichkeiten hätten sich nicht verbessert, die Versorgungssicherheit sei nicht gewährleistet. Die gesetzliche Regelung gehe „total an der Lebensrealität von Frauen vorbei“.

Es sei darum gegangen, "Frauen in Notlagen möglichst schnell bereits vorhandene Informationen bereitzustellen", sagte ein BÄK-Sprecher dieser Zeitung. Deshalb habe man schon jetzt, parallel zum Start des Registrierungsprozesses, eine erste Liste mit Ärzten, Krankenhäusern und Einrichtungen veröffentlicht. Diese beruhe hauptsächlich auf bereits vorhandenen Angaben aus Hamburg und Berlin, wo entsprechende Listen von den dortigen Gesundheitsbehörden vorlägen.

"Wir nehmen die Verantwortung sehr ernst"

Man habe bei den dort Gelisteten schriftlich angefragt, ob sie auch im Verzeichnis der Bundesärztekammer erscheinen wollten. Ein Großteil habe dem zugestimmt. Darüber hinaus seien einzelne Ärzte aus Nordrhein-Westfalen und Hessen "im Vorfeld an die Bundesärztekammer herangetreten" und hätten um Aufnahme in das die BÄK-Liste gebeten.

Die am Montag veröffentlichte Liste befinde sich noch im Aufbau, versicherte auch BÄK-Geschäftsführer Alexander Dückers. „Wir nehmen die Verantwortung sehr ernst.“ Ob sie sich in die Liste eintragen wollten, müssten alle Ärzte aber freiwillig entscheiden. Wie lange der Aufbau der Liste insgesamt dauere, sei noch nicht abzusehen.

Weder Informationen über Narkose noch über die Kosten

Auch die Gießener Ärztin Kristina Hänel und ihre Kasseler Kollegin Nora Szasz, die 2017 die Debatte über den Paragrafen 219a angestoßen hatten, finden sich bislang nicht in dem Verzeichnis. Sie werde sich nicht auf die Liste setzen lassen, "schon gar nicht während laufender juristischer Verfahren", sagte Hänel dem Tagesspiegel. Stattdessen unterstütze sie es, "wenn Kolleginnen und Kollegen wieder damit beginnen, auf ihren Websites zu schreiben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen". Damit könne "dem Verschwinden des Themas Schwangerschaftsabbruch entgegengewirkt werden, das in den letzten Jahren aufgrund hunderter Strafanzeigen gegen Ärztinnen und Ärzte" eingesetzt habe. Gleichzeitig forderten beide Ärztinnen weiterhin die Abschaffung des Strafrechtsparagrafen.

Auf der jetzt veröffentlichten Liste fehlten auch viele Informationen, die für die Behandlung wichtig seien, monierte Hänel. "Sie enthält keine Details zum chirurgischen Abbruch, weder die Form der Narkose noch die durchgeführte Methode." Betroffene erführen auch nicht, "bis zu welcher Schwangerschaftswoche mit welcher Methode Abbrüche durchgeführt werden, was sich in der Realität oft als großes Problem erweist". Und sie bekämen keine Informationen über die zu erwartenden Kosten.

Bundesärztekammer: Wir haben keinen Spielraum

Tatsächlich enthält die Liste lediglich Namen und Kontaktdaten der Ärzte, Angaben über die in der Praxis gesprochenen Fremdsprachen und die Information, ob die Schwangerschaftsabbrüche dort medikamentös oder operativ erfolgen. Die Bundesärztekammer halte sich bei den Inhalten an die Vorgaben des Gesetzgebers, rechtfertigt sich Dückers. Man habe keinen Spielraum, eigenständig weiterführende Informationen hinzuzufügen. Auch Lauterbach sieht darin weniger das Problem. Für Detailinformationen könnten sich die Patientinnen an die jeweilige Praxis wenden, meint er.

In Berlin wurden zuletzt im Juni zwei Ärztinnen zu Geldstrafen verurteilt, weil sie unzulässig für Schwangerschaftsabbrüche geworben hatten. Sie hatten angekündigt, sich weiter gegen den Paragraphen 219a einzusetzen.

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