Werbeverbot für Abtreibungen: Berliner Ärztinnen verurteilt nach Paragraf 219a
Auf ihrer Website weisen zwei Steglitzer Frauenärztinnen darauf hin, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Ein Gericht verhängt dafür Geldstrafen.
Kaum war das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten gefallen, standen die beiden Ärztinnen in der prallen Sonne und sahen nach vorn. „Wir werden weitermachen, werden den Kampf gegen diesen unsäglichen Paragrafen fortführen.“ Die Gynäkologinnen Bettina Gaber und Verena Weyer, die in Steglitz gemeinsam eine Praxis führen, sind am Freitag wegen unzulässiger Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft zu Geldstrafen von jeweils 2000 Euro verurteilt worden.
Es ist der erste Prozess seit der Reform des umstrittenen Paragrafen 219a. Seit der Neuregelung vor rund vier Monaten dürfen Frauenärzte zwar beispielsweise auf ihrer Internetseite darauf verweisen, dass sie generell auch Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Aber zu ihren Methoden sind keinerlei Informationen erlaubt.
Ein Gesetz, das immer wieder Protest hervorruft – auch nun am Rande des Strafprozesses. Der Bundesverband pro familia, das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, der Arbeitskreis Frauengesundheit und viele weitere Organisationen hatten zu einer Kundgebung aufgerufen. Es waren weit über einhundert Teilnehmer, die die ersatzlose Streichung des Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch verlangten.
Im Gerichtssaal fuhren die Verteidiger der Ärztinnen schwere Geschütze auf. „Es ist ein irres Gesetz, das kein Mensch versteht“, kritisierte einer der Anwälte. „Die sachliche Information darüber, wie ein Abbruch durchgeführt wird in der Praxis, kann nicht strafbar sein.“ Es liege keine Werbung vor. Das Gesetz sei ungeeignet und unverhältnismäßig. Es werde in die Berufs- und Meinungsfreiheit eingegriffen.
Anfeindungen gegen Ärztinnen
Der Satz des Anstoßes steht auf der Homepage der Gemeinschaftspraxis in Steglitz. Auch ein „medikamentöser, narkosefreier“ Abbruch gehöre zu den Leistungen von Frau Dr. Gaber, wird dort mitgeteilt. Das sei laut Gesetz eine Werbung, so die Anklage. Sie hätten „öffentlich ihres Vermögensvorteils wegen eigene Dienste zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen angeboten“, hätten den Erhalt des üblichen ärztlichen Entgelts angestrebt.
Dieser Paragraph gehört ersatzlos gestrichen - oder von mir aus auch mindestens so neugefasst, dass sinnvolle Information idiotischerweise nicht mehr mit Werbung gleichgesetzt werden kann.
schreibt NutzerIn ancoats
„Das ist lächerlich, hanebüchen“, so Gaber nach dem Prozess. Ihr Anwalt sagte, Abbrüche seien für seine Mandantin ein „menschlich, persönlich und wirtschaftlich belastender Teil ihrer Arbeit“. Sie sei zudem Anfeindungen ausgesetzt. Die Anzeige hatten zwei militante Abtreibungsgegner erstattet.
Bis vor wenigen Monaten machte sich jeder Arzt bereits strafbar, der auf seiner Homepage „Abtreibung“ lediglich als eine seiner Leistungen anbot. Eine Reform wurde angeschoben. Die Koalition debattierte monatelang. Anfang dieses Jahres dann der Kompromiss. Es blieb beim Werbeverbot, allerdings mit einer Lockerung. Gynäkologen dürfen nun veröffentlichen, dass sie Abbrüche vornehmen. Mehr aber ist nicht erlaubt. Eine Methode dürfe nicht genannt werden. Zu weiteren Informationen soll auf die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verwiesen werden.
Behrendt fordert Streichung des Paragrafen 219a
„Schaffen Sie Rechtsfrieden“, forderte einer der Verteidiger und plädierte auf Freispruch. Das würde dem sozialen und rechtlichen Verständnis der Mehrheit der Bevölkerung entsprechen. Zuvor hatte die Staatsanwältin auf Strafen von je 7500 Euro (50 Tagessätze zu je 150 Euro) plädiert.
„Die Politik macht die Gesetze, die Gerichte wenden die Gesetze an“, sagte die Richterin und verhängte jeweils 20 Tagessätze zu je 100 Euro. Für eine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift seien keine Anhaltspunkte erkennbar. Allerdings halte sie die Vorwürfe „nicht für sehr strafwürdig“. Die Ärztinnen kündigten bereits Rechtsmittel an.
Berlins Justizsenator Dirk Behrendt reagierte kurz nach der Verkündung des Urteils mit einem Statement und forderte die Streichung des Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch.
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