Historische Mitte in Berlin: Architekten bezeichnen Bürgerdialog als "Farce"
Der Onlinedialog zur Historischen Mitte ist beendet. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher zieht eine positive Bilanz. Der Architekten- und Ingenieurverein übt dagegen harsche Kritik.
Der Onlinedialog zur historischen Mitte zwischen Fernsehturm und Spree ist beendet. Ergebnisse? Im Wesentlichen keine. "Ergebnisoffen", wie Senatsbaudirektorin Regula Lüscher gerne formuliert. Analysen, ob sich mehr Teilnehmer für oder gegen eine Bebauung ausgesprochen haben, gibt es nicht. Man sei eher an Argumenten und Inhalten interessiert, sagt Daniela Riedel von der Agentur Zebralog. Für quantitative Analysen sei das Format nicht geeignet. Teilnehmer können sich beliebig oft zu Wort melden, anonym oder mit vollem Namen. Hinweise auf bewusste Manipulation des Dialogs oder des Einsatzes von "Trollen", die die Debatte bewusst stören oder in eine falsche Richtung lenken, gebe es aber nicht.
Der Architekten- und Ingenieurverein (AIV) nutzte diese offene Flanke zur harschen Kritik: Der Dialogprozess drohe "zur Farce zu werden". Aus den rund 3100 Beiträgen und Kommentaren lasse sich "schwerlich ein repräsentatives Meinungsbild von Berlins Bürgern" ableiten. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hätte besser "Eckpunkte eines nachhaltigen Entwicklungskonzepts" vorgelegt statt ein "kurzatmiges und kurzsichtiges" Dialogverfahren zu präsentieren", erklärte AIV-Vorstandsmitglied Harald Bodenschatz.
Lüscher ist mit dem Onlinedialog zufrieden
Regula Lüscher wies die Kritik zurück. Es gehe eben gerade nicht darum Eckpunkte vorzugeben. Die Bürger einzubeziehen sei wichtig für den Prozess. Lüscher ist mit dem Onlinedialog sehr zufrieden. Die Teilnehmer hätten relativ ausgewogen für oder gegen eine kleinteilige Bebauung votiert. Hauptkritik sei die Geschichtslosigkeit des Ortes, als Hauptqualität sei der öffentlich zugängliche Freiraum gelobt worden.
Die meisten Beiträge befassten sich mit den Themen Aufenthaltsqualität, Architektur und Platzgestaltung sowie Urbanität und städtisches Leben. Das "Ansehen des Ortes", die Pflege der Freiflächen sowie der Verkehr wurden eher negativ bewertet, die Rolle der Historischen Mitte als "Kommunikations- und Begegnungsort" eher positiv. In der Kategorie "Architektur und Platzgestaltung" hielten sich positive und negative Aussagen zum "Ist-Zustand" die Waage. Lüscher sagt, sie sei "hoffnungsvoll für die Zukunft". In den Beiträgen spüre sie bei aller Kontroverse um Bauen oder Freilassen auch "Kompromissbedürfnisse".
Schauspieler sollen als Spreefischer und DDR-Bauarbeiter auftreten
Die nächsten Angebote im Bürgerdialog sind Fachkolloquien (15. und 22. Juni, 17 bis 21.30 Uhr, Haus des Berliner Verlags), ein Straßentheater (26. Juni, 15 bis 19 Uhr, am Neptunbrunnen) und eine Bürgerwerkstatt (4. Juli, 10 bis 17.30 Uhr). Außerdem gibt es den Sommer über verschiedene Platzführungen. Zu den Kolloquien und der Werkstatt muss man sich anmelden.
Das Theater ist ein spontanes Angebot, das sich an Passanten und Dauernutzer des Freiraums richtet. Die Schauspieler wollen mit den Leuten über die historischen Bezüge des Ortes ins Gespräch kommen. Dazu werden historische Figuren wie Spreefischer und DDR-Bauarbeiter auftreten. Aus den einzelnen Dialogformaten werden so genannte "Dialogbotschafter" auf dem "Halbzeitforum" am 5. September berichten. Ultimo der "Stadtdebatte Berliner Mitte" ist das Jahresende. Dann sollen die Ergebnisse dem Abgeordnetenhaus übermittelt werden, als Empfehlung. Entscheiden muss dann das Parlament.
Thomas Loy