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Kritisch durchgecheckt: Die Justizvollzugsanstalt JVA Tegel.
© dpa, Paul Zinken

Untersuchungsbericht zur JVA Tegel: „Anzeichen von Verzweiflung“

Das externe Gutachten zur Sicherheit in der Berliner JVA Tegel liegt vor. Der Experte rügt vor allem Probleme beim Personal sowie bauliche Mängel.

Die Personalsituation ist „prekär“, der bauliche Zustand der Teilanstalt II für rund 370 Gefangene ist derart miserabel, dass sie „für einen Strafvollzug im 21. Jahrhundert nicht mehr geeignet ist“. Und die derzeitigen Möglichkeiten sowie die geplanten Verbesserungen bei der Kontrolle des Unterbodens ein- und ausfahrender Lieferfahrzeuge sind aus Expertensicht noch nicht die optimale Lösung, um weitere Ausbrüche zu verhindern: Diese drei Hauptgründe sowie etliche weitere Schwächen der Justizvollzugsanstalt Tegel nennt der rheinlandpfälzische Strafvollzugsexperte Gerhard Meiborg in seinem am Montag vorgelegten Untersuchungsbericht zur JVA Tegel.

Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hatte ihn Mitte Februar beauftragt, die Mängel des größten und ältesten Gefängnisses Deutschlands als externer Fachmann zu erfassen und Verbesserungsvorschläge zu machen.
Anlass war die Flucht des inzwischen wieder gefassten Gewalttäters Hamed M. am 7. Februar aus Tegel. Er war wie berichtet beim Hofgang über einen ungesicherten Zaun geklettert. Dann hatte er sich unter einem Lieferwagen versteckt, der beim Ausfahren nicht ausreichend kontrolliert worden war.

Müde Mitarbeiter und weniger Freistunden

Wegen des Personalnotstandes beobachtet Gerhard Meiborg bei den Mitarbeitern „Ermüdungserscheinungen, mitunter auch Anzeichen von Verzweiflung“, worunter aus seiner Sicht die Aufmerksamkeit leidet. Beim allgemeinen Aufschluss und den Freistunden sei nicht immer gewährleistet, „dass alle Stationen besetzt werden können“. Viele der 120 Gefangenen, die sich in solchen Situationen frei bewegen könnten, seien die meiste Zeit unbeobachtet. Meiborg konstatiert zwar, Besserung sei beim Personal angesichts der aktuellen Bemühungen des Senats in Sicht. Bis dies eintritt, regt er als rasche Notmaßnahme aber an, zumindest die Zahl der Freistunden zu reduzieren, was gesetzlich erlaubt sei.

Beim Blick auf die Teilanstalt II der JVA wendet sich der Experte mit Grausen. „Sie sollte unverzüglich geschlossen werden“, schreibt er. Allerdings ist ihm klar, dass dafür die Voraussetzungen fehlen. Es gebe derzeit keinen anderen Platz für die Gefangenen. Deshalb müsse die derzeit leerstehende Teilanstalt III zügig grundsaniert und mit einem Erweiterungsbau verbunden werden.

Fahrzeugkontrollen mit neuen Inspektionskameras

Äußerst kritisch setzt sich Meiborg auch mit der Unterbodenkontrolle ein- und ausfahrender Lieferwagen auseinander. Das Mitte Februar verkündete Sofortprogramm des Justizsenators für mehr Sicherheit in Tegel sieht unter anderem vor, die Fahrzeugkontrollen mit neuen Inspektionskameras und heller beleuchteten Unterbodenspiegeln zu verbessern. Auch eine künftige digitale Kontrolltechnik mit Unterbodenfotos sowie Wärmebildkameras sind im Gespräch, um Häftlinge unter den Lkw’s zu entdecken.

Für Meiborg sind diese Techniken aber nicht „der große Wurf“. Er geht das Problem in seinem Bericht buchstäblich bodenständiger an. Aus seiner Sicht wäre es einfacher zu handhaben und eine verlässlicher Lösung, Kontrollgruben wie in Autowerkstätten zu schaffen. Seit langem fordert dies die Gefängnisleitung – bisher umsonst.

Zusätzlich schlägt der Experte vor, alle Fremdfahrzeuge während ihres Aufenthaltes in der JVA von Bewachern begleiten zu lassen, zumal der Lieferverkehr auch ein Einfalltor für Drogen und vielerlei andere hineingeschmuggelte verbotene Dinge sei. Dies könne beispielsweise eine sinnvolle Betätigung für die 50 zusätzlichen Mitarbeiter sein, die Senator Behrendt im Rahmen seines Sofortprogrammes rasch engagieren will. Sie sollen die Vollzugsbedienstete entlasten, dürfen als unausgebildete Kräfte aber keinen direkten Kontakt zu Gefangenen haben.

Ausbruchssicherungen reichen aus

Abschließend stellt Gerhard Meiborg immerhin fest, dass im Grundsatz zumindest „die äußeren Sicherheit nicht gefährdet ist“. Die Ausbruchssicherungen rund um die JVA wie Mauern, Zäune und Überwachungsanlagen würden ausreichen. Die Kameraüberwachung habe ihre „technische Betriebsdauer“ zwar überschritten, vieles funktioniere noch analog statt digital – doch an dieser Stelle seien ja bereits zügige Modernisierungen geplant.

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