Prozess wegen Schwulenfeindlichkeit: Anklage gegen Bushido voller Vorurteile über Homosexuelle
Bushido rappt offen schwulenfeindlich. Doch beim jüngsten Versuch, die Sache vor Gericht zu bringen, verhedderte sich die Staatsanwaltschaft ihrerseits in Klischees – über Aperol und Unterwerfung.
In der Berliner Staatsanwaltschaft herrschen offenbar verzerrte Vorstellungen von männlicher Homosexualität. Die Behörde hat den Rapper Bushido angeklagt, weil der in seinem Song „Stress ohne Grund“ unter anderem Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) beleidigt habe. Allerdings begründet die Behörde selbst ihre Anklage in einem mehrseitigen internen Vermerk mit Klischees über Schwule: Es heißt in dem Papier, Wowereit werde in strafbarer Weise herabgewürdigt, weil es beim Sex unter Männern stets einen „sich unterordnenden Part“ gebe, der sich einer „demütigenden Unterwerfung“ aussetze.
Mehrfach geben die Ermittler Vorurteilen über Homosexuelle Raum. Das Modegetränk „Aperol Spritz“ etwa, das in dem Lied erwähnt wird, bringen die Beamten mit Schwulsein in Verbindung. Auch sehen sie in der Zeile über „blonde Opfer“ eine Anspielung auf schwule Männer, weil diese sich angeblich gern die Haare blondieren. Im Songtext selbst gibt es für derlei Interpretationen keine Hinweise.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Bushido wurde schon einmal abgelehnt
Bushido singt in „Stress ohne Grund“ über den Ex-Kumpel und Rapper Kenneth Glöckler („Kay One“), mit dem er sich verkracht hat. Er beschreibt in vulgärer Sprache homosexuellen Verkehr mit ihm und ergänzt am Ende des Satzes „wie Wowereit“. Weiter wird der Bürgermeister in dem Song nicht namentlich erwähnt. Bushido rappt aber auch offensichtlich schwulenfeindlich, beispielsweise heißt es im Song, er wolle die „Schwuchtel“ Kay One „foltern“. Auch geht es um Mordfantasien gegenüber der Grünen-Politikerin Claudia Roth und um Gewaltfantasien gegen den TV-Moderator Oliver Pocher. Zudem rappt Bushido, der FDP-Politiker Serkan Tören solle „ins Gras beißen“. Das Amtsgericht hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Beleidigung, Volksverhetzung und Gewaltdarstellung Ende November vergangenen Jahres unter anderem mit Verweis auf die Kunstfreiheit dennoch abgelehnt. Dagegen erhob die Staatsanwaltschaft Mitte Dezember Beschwerde, über die das Landgericht in den nächsten Wochen entscheiden wird.
Die Existenz des Vermerks bestätigt die Staatsanwaltschaft nicht, betont aber, dass sich die genannten Passagen nicht in der Anklageschrift fänden. Strafbar beleidigt werde Wowereit durch den Song, weil der ihn „auf seine Homosexualität reduziert“ und er damit „aus dem Gesamtkontext des Liedes folgend herabgewürdigt wird“, teilt die Behörde mit. Wörtliche Zitate aus der Anklageschrift seien zum jetzigen Verfahrensstand strafbar.
Nicht Bushido reduziere Wowereit in vorwerfbarer Weise auf seine Homosexualität, sondern die Staatsanwaltschaft
Bereits der Richter am Amtsgericht hatte die Staatsanwälte scharf kritisiert: Es sei „grundsätzlich klarzustellen, dass Homosexualität eine gesellschaftlich voll anerkannte und absolut gleichwertige Form der Lebensgestaltung darstellt, der aus sich heraus keinerlei ehrenrührige Gesichtspunkte anhaften“, heißt es in dem Beschluss, mit dem das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnte.
Die Reduzierung eines Menschen auf seine Homosexualität könne daher so wenig den Tatbestand der Beleidigung erfüllen, wie dies bei heterosexueller Lebensweise der Fall wäre. Die Sicht der Ankläger auf homosexuelle Praktiken sei eine „apodiktische Feststellung“, die in der gesellschaftlichen Realität keine Stütze fände. Im Klartext: Nicht Bushido reduziere Wowereit in vorwerfbarer Weise auf seine Homosexualität, sondern die Staatsanwaltschaft. Was für sie alles als schwul gelte, beruhe auf „recht uferlosen Assoziationsketten“.
Der Regierende Bürgermeister hatte die Ermittlungen selbst mit einer Strafanzeige ins Rollen gebracht. In der Berliner Staatsanwaltschaft ist die Entscheidung, Bushido wegen des Liedes anzuklagen, nach Tagesspiegel-Informationen hoch umstritten. In Teilen der Behörde ist man der Auffassung, „Stress ohne Grund“ sei straflos, nicht zuletzt wegen der im Grundgesetz geschützten Kunstfreiheit. Durchgesetzt hat sich dagegen eine härtere Linie, womöglich auch wegen Wowereits Strafanzeige. Eine förmliche Anweisung an die Staatsanwaltschaft, den Fall anzuklagen, hat es nach Auskunft des Senats nicht gegeben. Allerdings unterliegt das Vorgehen der Ermittler der Berichtspflicht, heißt es aus der Justizverwaltung. Senator Thomas Heilmann (CDU) ist damit über die Schritte der Ankläger stets informiert.
Homophobe Tendenzen seitens der Staatsanwaltschaft sind unwahrscheinlich
In Berliner Justizkreisen gilt es als unwahrscheinlich, dass der fragwürdigen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft homophobe Tendenzen zugrunde liegen. Eher habe man wohl verzweifelt nach Argumenten gesucht, um irgendwie eine Anklage wegen Beleidigung des Bürgermeisters zu rechtfertigen, heißt es.
Jost Müller-Neuhof