US-Bürgerrechtlerin in Berlin: Angela Davis will Flüchtlingsbewegung neuen Schub geben
Der Bezirk ließ sie nicht zu den Flüchtlingen in die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule. Nun hielt die berühmte US-Menschenrechtlerin Angela Davis in Neukölln eine Rede vor der Berliner Flüchtlingsbewegung.
„Kann mir mal jemand erklären warum sie uns nicht in diese Schule gelassen haben?“, sagt die Frau, auf die alle Blicke gerichtet sind, „ist das eine Schule oder ein Gefängnis?“ Der Saal seufzt kollektiv und klatscht im Chor. Angela Davis weiß welche Stichworte zu benutzen sind, um ihr Publikum mitzureißen. Sie ist eine Ikone der US-Menschenrechtsbewegung, neben Martin Luther King und Malcom X kämpfte sie für ein gerechtes, friedliches Amerika, für ein Land in dem jeder frei leben kann – egal welche Hautfarbe er oder sie hat. Ihre Person umgibt eine Aura des Widerstands. Ihre Anwesenheit in Berlin soll der Flüchtlingsbewegung neuen Schub geben.
Der große Saal der Werkstatt der Kulturen in Neukölln ist gut gefüllt, sie erhoffen sich hier praktische Tipps und aktivistische Fürsorge vom Idol zu bekommen – in ihrem Kampf gegen den Rassismus in Deutschland, gegen „die tödliche Flüchtlingspolitik der EU“. Angela Davis und die Antirassismus-Forscherin Gina Dent sind mit einer Mission nach Berlin gereist: transnationale Verknüpfungen zwischen einzelnen Menschenrechtsbewegungen zu spinnen. Die deutsche Hauptstadt sehen sie als Zentrum dafür in Europa.
"Berlin ist die Zukunft"
Ihre Tour durch den alten Kontinent führte sie auch nach Frankreich: „Paris verkörpert die Vergangenheit, Berlin ist die Zukunft“, sagt Angela Davis. Die Aktivistin, die sehr lange über Kämpfe gegen Rassismus und Unterdrückung erzählen könnte, versucht sich in prägnanten Aufrufen. In Berlin, da ginge gerade etwas, das spüre sie. Der Flüchtlingsprotest sei nicht zu Ende und die transnationale Solidarität könne den Flüchtlingen in Deutschland und in Europa bei ihrem Kampf für mehr Akzeptanz helfen. In den USA würden sie auch weiter kämpfen, gegen rassistische Polizeigewalt zum Beispiel. Und so erzählt Davis aus ihrem Erfahrungsreservoir, um daraus Tipps für die vor ihr sitzenden Flüchtlingsaktivisten abzuleiten.
Viele europäische Stundenten, so Davis, würden mit einem Studentenvisum in die USA einreisen. Viele von ihnen entscheiden sich dann zu bleiben. Niemand störe sich an ihnen, niemand beschimpfe sie als „gefährliche Migranten“. Mexikanische Bürger dagegen, egal was sie tun würden, seien in den USA als Problem gebrandmarkt. „Wenn du Mexikaner bist, kannst du bei uns nicht willkommen sein“, sagt Davis. Deswegen ginge es beim Kampf für mehr Gerechtigkeit immer um eine Selbstreflexion der eigenen Position und Fähigkeiten. Es ginge immer darum die eigenen Privilegien zu hinterfragen. Bei dieser öffentlichen Veranstaltung geht es um theoretisches Futter und um ein paar Streicheleinheiten für die hiesige migrantische Aktivistenszene.
Persönliches Coaching für Aktivisten
So zum Beispiel für die Aktivistin, die gerade eine Zusage für ein Praktikum bei der UN bekommen hat. Sie sei sich nicht sicher, ob sie dies annehmen könne, da die UN ja auch viele schlechte Dinge tue oder meistens gar nichts gegen Missstände unternehme. „Ich würde meinen Studenten niemals raten am Rande einer Gesellschaft zu verbleiben, wir müssen schauen, was uns erfüllt, was uns Spaß macht und wie wir innerhalb des Systems unseren Platz finden, um es zum Besseren zu verändern“, sagt Gina Dent, die an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz Themen rund um Rassismus und Widerstand erforscht. Es ist Balsam auf die Aktivistenseele, persönliches Coaching im Schnelldurchgang, Energie für erschöpfte Batterien, nach langen Kämpfen mit für die Flüchtlingsbewegung unbefriedigenden Ergebnissen.
Davis bietet Aktivisten Zusammenarbeit an
Und so berichten zum Ende der Runde einige Flüchtlinge über ihre Situation in Berlin, ihren Kampf auf dem Oranienplatz und die Verhältnisse rund um die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg. Angela Davis fackelt nicht lange mit ihrer aktivistischen Antwort: „Wir werden uns zusammensetzen und eine Strategie ausarbeiten, wie wir das Problem lösen können.“ Ein Besuchsverbot von der Bezirksverwaltung könne keine Bewegung stoppen. Es ginge um weit mehr als ein Gebäude. Der kämpferische Ton, begleitet vom tosenden Applaus, soll durchaus als Drohung verstanden werden.