Lehramtsstudium an der Freien Universität: Angehende Grundschullehrer verzweifeln an Mathe
Berliner Lehramtsstudenten sind zum zweiten Mal reihenweise an Mathematik gescheitert. Die Universitätsleitung will jetzt die Studienordnung überarbeiten und Kritik „berücksichtigen“.
Sie gelten als Goldstaub – und werden nun nochmals gehörig ausgesiebt: Die wenigen angehenden Berliner Grundschullehrer haben so massive Probleme in Mathematik, dass etliche während des Studiums an der Freien Universität auf der Strecke bleiben dürften. Über die Gründe wird gestritten.
Während Studenten zu hohe Anforderungen beklagen, nennt Dozentin Christine Scharlach den Schwierigkeitsgrad „angemessenen“. Befragt nach den Gründen für das schlechte Abschneiden spricht sie davon, dass schon der Vorwissenstest zu Studienbeginn „erschreckend“ ausgefallen sei. Als dann im vierten Semester die entscheidende Klausur geschrieben wurde, fielen beim ersten Durchgang im August 36 Prozent durch und bei der Wiederholungsklausur im September 43 Prozent, so Scharlach.
Die schwierigste Aufgabe war nicht bewertet worden
Fachleute begründen den Anstieg der Durchfallquote damit, dass beim zweiten Mal jene mitschreiben, die schon einmal durchgefallen sind, mithin sei der Anteil der schwächeren Studenten bei dieser Klausur größer. Es seien auch oftmals die Schwächeren, die den ersten Termin verstreichen ließen und daher überproportional beim zweiten Anlauf dabei seien. Das schlechte Ergebnis war zustandegekommen, obgleich eine der Aufgaben, die besonders große Probleme verursacht hatte, bereits aus der Bewertung der ersten Klausur gestrichen worden war und in die zweite Klausur gar nicht erst aufgenommen wurde. Sonst wäre die Durchfallquote noch wesentlich höher gewesen.
Studenten hatten gegen die Anforderungen protestiert
Gegen die Schwierigkeitsgrad der Klausur hatten bereits im August Studenten protestiert. Die Universitätsleitung kündigte daraufhin an, sich mit den miserablen Ergebnissen befassen zu wollen. Das hat sie inzwischen getan: Die FU und „insbesondere auch der zuständige Fachbereich, nimmt die von den Studierenden angesprochenen Punkte ernst und hat sich universitätsintern in den zuständigen Gremien damit befasst“, teilte der Sprecher des FU-Präsidenten, Goran Krstin, auf Anfrage mit.
Bereits im Sommersemester hätten sich der Prüfungsausschuss und die Ausbildungskommission mit den Hinweisen beschäftigt, sagt Krstin. Zudem würden die Erfahrungen mit dem Modul und dessen Aufbau „in die anstehende Überarbeitung der Studienordnung einfließen“. Krstin erinnert aber auch daran, dass die Möglichkeiten zur Prüfungswiederholung an der FU „großzügiger“ als an anderen Universitäten geregelt sei: Studienbegleitende Prüfungsleistungen dürften bis zu dreimal wiederholt werden. Zudem gibt es noch eine mündliche Prüfung, wie der Fachbereich erläutert. Somit könnte sich die Zahl der Studenten, die die Klausur nicht bewältigen, am Ende auf weit unter 20 Prozent reduzieren.
Insgesamt haben die Studenten vier Versuche
Dessen ungeachtet wird der gesamte Veranstaltungszyklus – wie alle anderen Zyklen auch – im Anschluss regulär evaluiert: „Selbstverständlich werden hierbei auch Hinweise und Kritik der Studentinnen und Studenten berücksichtigt, um den Studiengang weiter zu verbessern“, kündigt Krstin an.
Wer in Berlin Grundschullehrer werden möchte, muss neuerdings Mathematik als Fach belegen. Grund für diese Festlegung sind die schwachen Mathematikkenntnisse der Berliner Schüler: Die Bildungsverwaltung erhofft sich von fachlich ausgebildeten Grundschullehrern, dass ihre Schüler künftig mit besseren Mathekenntnissen in die Oberschule kommen: Die Oberschullehrer beklagen nämlich vielfach, dass sie die großen Lücken aus sechs Jahren Grundschule nicht schließen könnten: Stets ist Mathematik die größte Hürde vorm Schulabschluss.
Auch Lehrer sorgen sich um das Niveau
Zuletzt hatten Mathematiklehrer beklagt, dass das Niveau nochmals abgesenkt worden sei, um die Abbrecherquote zu senken. Dies bestritt die Verwaltung. Allerdings deutet das immer wieder beklagte geringe Vorwissen darauf hin, dass bei den Anforderungen tatsächlich etwas nicht stimmt. „Offenbar gelingt es den Mathematiklehrern in der Schule nicht, die Schüler für das Fach zu begeistern und sie in der Sache kundig zu machen“, kommentierte FU- Grundschulforscher Jörg Ramseger die Lage. Das Niveau abzusenken, sei aber keine Lösung.