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Rund 24.000 Zehntklässler nahmen dieses Jahr an den Abschlussprüfungen teil (Archivfoto).
© Frank Rumpenhorst/dpa

Schulabschluss in Berlin: Lehrer finden Mathe-Prüfungen "Pillepalle"

Die zentralen Mathematikprüfungen für Zehntklässler in Berlin waren in diesem Jahr auffallend leicht zu bestehen. Aus Bayern heißt es, das Niveau entspreche der siebten Klasse.

Sekundarschulreform, Ganztagsangebote, Bonusprogramm: Es war ein Schock, als 2015 jeder zehnte Schüler ohne Abschluss die Schule verließ, obwohl die Politik so viel unternommen hatte, um auch die schwachen Schüler zu fördern. Falls dieses Jahr die Misserfolgsquote sinkt, könnte es dafür eine einfache Erklärung geben: Die zentralen Mathematikprüfungen für die Zehntklässler sind offenbar wesentlich einfacher ausgefallen als in den Vorjahren. Diese Einschätzung von Fachlehrern lässt sich durch einen Vergleich erster Prüfungsergebnisse belegen.

„2015 hatten 79 Schüler eine Fünf oder Sechs, dieses Jahr waren es noch 43“, berichtet Hannelore Weimar, Leiterin der Tempelhofer Johann-Eck-Gemeinschaftsschule. Das sei doch eine „ziemliche Diskrepanz“. Die Freude über die gesunkene Durchfallquote sei gedämpft, „denn wir wissen, was dahinter steht“.

Einige Schüler hätten sich veralbert gefühlt

„Was dahinter steht“ ist für Mathematiklehrerin Carola Hoppe die „große Anzahl einfacher Aufgaben: Dadurch war es leichter, eine Vier zu bekommen“. Einige Schüler hätten sich veralbert gefühlt. Auch die Anzahl der Zweier-Ergebnisse habe sich erhöht, bilanziert Hoppe, die den Fachbereich Mathematik an der Eck-Schule leitet.

„Schon beim Öffnen der Aufgaben haben die Mathematiklehrer gesagt, dass das dieses Jahr Pillepalle ist“, fasst der Konrektor einer Sekundarschule, der nicht genannt werden möchte, die Reaktionen zusammen. Dies habe sich dann auch bei den Ergebnissen gezeigt: Der Anteil der Fünfen habe sich gegenüber 2015 von über 40 auf 25 Prozent reduziert. Aus Brandenburg sind ähnliche Einschätzungen zu hören.

In den letzten Jahren wurde mehrfach zutreffend festgestellt, dass die Zahl der Kinder, die die Schule ohne Abschluss verlassen, unerträglich hoch ist. Aber anstatt das Hauptaugenmerk darauf zu legen, dass diesen Kindern frühzeitig dabei geholfen wird, den Anschluss zu halten, ist man mal wieder bequem und senkt einfach die Anforderungen.

schreibt NutzerIn Sokratis

Eine Aufgabe auf dem Niveau der dritten Klasse

Besonders verärgert waren die Lehrer über eine Aufgabe, die sich auf dem Niveau der dritten Klasse befand. Dort waren drei Ziffern (2,3,6) gegeben. Die Schüler sollten aufschreiben, welches die „größte dreistellige Zahl ist, die aus diesen Ziffern gebildet werden kann“ (Ergebnis: 632). Bei dieser Aufgabe hätten sich ihr die „Zehennägel hochgekrümmt“, sagt eine Gymnasiallehrerin. In Berlin müssen auch die Gymnasiasten an den Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss (MSA) teilnehmen.

Konfrontiert mit der Aussage, dass etliche Lehrer die diesjährigen Aufgaben leichter als 2015 einschätzen, hieß es aus der Bildungsverwaltung, dass die Aufgaben wie stets „vorab pilotiert“ wurden. Eine signifikante Häufung „einfacher“ Aufgaben sei dabei nicht beobachtet worden. In Bezug auf besagte Drittklässleraufgabe sagte Behördensprecherin Beate Stoffers, „in prüfungsdidaktischer Hinsicht“ könne es angezeigt sein, „durch eine einfache, einführende Fragestellung die Aufmerksamkeit der Schüler auf bestimmte Gesichtspunkte zu lenken, die für die folgende Bearbeitung der folgenden Aufgaben wichtig sind“.

Die Art des Unterrichts müsse verändert werden

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Regina Kittler, selbst Mathematiklehrerin, findet die diesjährigen Aufgaben „vielfältig, anwendungsorientiert und eindeutig formuliert“, plädiert aber angesichts der noch immer hohen Durchfallquoten in Mathematik dafür, „nicht den Anspruch nach unten zu schrauben, sondern die Art des Unterrichts zu verändern“.

Konfrontiert mit den Berliner MSA-Aufgaben lobte der bayerische Realschullehrerverband „das Bemühen um eine neue Aufgabenkultur und eine Anwendbarkeit“. Allerdings sei in der Realschule in Bayern eine derartige Abschlussprüfung „undenkbar“. Viele Aufgaben lägen auf dem Niveau „maximal der siebten Klasse“. Wie der Tagesspiegel berichtete, haben Gymnasiallehrer auch im diesjährigen Mathematik-Abitur eine Tendenz zu leichteren Aufgaben beklagt. „Es gibt einen schleichenden Prozess hin zu einem gesunkenen Anforderungsniveau bei zentralen Prüfungen in Mathematik“, fasst die Fachbereichsleiterin des Europäischen Gymnasiums Bertha von Suttner in Reinickendorf, Katrin Car, ihre Beobachtungen beim MSA und im Abitur zusammen.

Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier.

Die Mathematik-Aufgaben der Abschlussprüfung finden Sie hier.

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