Linken-Parteitag in Berlin: An der Schwelle zur Radikalität
Die Stimmung ist gut, und die Linke verzichtet darauf, sozialistische Maximalforderungen auszurufen. Ein Kommentar zum Landesparteitag.
Aus Sicht der Linkspartei hätte das Timing besser kaum sein können: Am Freitagabend und damit wenige Stunden vor Beginn des Landesparteitags der Linken in Adlershof wurde die jüngste Ausgabe des BerlinTrends veröffentlicht.
Eine der Fragen dort: Finden Sie den Mietendeckel gut oder schlecht? Dass 71 Prozent der 1003 befragten Berliner die Frage mit einem „gut“ beantworteten, sorgte für Freude bei Anhängern und Anhängerinnen wie Mitgliedern der Linkspartei. Vor allem weil eine Ende Oktober im Auftrag des Tagesspiegel erstellte Befragung des Meinungsforschungsinstituts Civey ergeben hatte: Der geplante Mietendeckel wird mehrheitlich der Linkspartei zugerechnet und dürfte deren Popularität im positiven Sinne stärken. Der SPD, die das Konzept eines fünfjährigen Mietenstopps ursprünglich entwickelt hatte, geht leer aus.
Nicht überraschend war es da, dass die Genossen und Genossinnen der Linken am Samstag sich und ihren eingeschlagenen Kurs hin zu einer „gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik“ feierten. Landeschefin Katina Schubert frohlockte in ihrer Auftaktrede, der im Übrigen noch immer nicht verabschiedete Deckel werde dem „Mietenwahnsinn ein Ende“ und der „Profitschneiderei von Unternehmen wie Deutsche Wohnen, Vonovia, Akelius“ endlich etwas entgegensetzen. Ohne Ausnahme stimmten alle nach ihr redenden Anführer der Partei, darunter auch die Senatoren Klaus Lederer und Elke Breitenbach, in den Jubelchor mit ein.
Der weitere Verlauf des Tages wiederum zeigte: Vom Abheben in Form vom Ausrufen sozialistischer Maximalforderungen, wie sie in Teilen der Parteibasis und am revolutionären Rand der Fraktion durchaus mehrheitsfähig scheinen, schreckt die Partei trotz oder gerade wegen der aktuell guten Stimmung zurück.
Ein im Vorfeld des Parteitags für Kontroversen sorgender Antrag zum Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) wurde schließlich entschärft. Statt zu dessen Spaltung durch eine wahlweise Herauslösung der landeseigenen oder der „profitorientierten Wohnungsunternehmen“ aus dem BBU aufzurufen, was angesichts der grundgesetzlich verankerten Koalitionsfreiheit ohnehin theoretisch geblieben wäre, entschieden sich die Delegierten für eine kurzfristig vom Landesvorstand eingebrachte Version.
Der BBU möge die Kampagne gegen das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ und den Mietendeckel einstellen. Sollte sich der Verband, dem nicht zuletzt durch den von der Linken mitgetragenen Verkauf der GSW überhaupt erst private Konzerne angehören, nicht dem Interesse des Gemeinwohls verschreiben, plädiert die Linke für die Gründung einer alternativen Interessenvertretung.
Keine Konfrontation bei der S-Bahn-Ausschreibung
Und auch beim Thema S-Bahn-Ausschreibung schreckten die Genossen am Ende, nach vehementem Einsatz des früheren Wirtschaftssenators Harald Wolf, vor einer Konfrontation mit den Koalitionspartnern zurück. Zwar blieb die Partei bei ihrer Forderung, die S-Bahn solle nicht zerschlagen werden, sperrte sich aber nicht gegen die zuletzt im Senat – also mit Zustimmung der Linken – verabschiedete Ausschreibung von Teilstücken. Stattdessen fordert die Partei eine Bundesratsinitiative, um Verkehrsleistungen künftig direkt vergeben zu können. Am Ende des Prozesses schwebt der Linkspartei eine S-Bahn in Landeshand vor, so viel Radikalität darf dann doch sein.
Gut möglich übrigens, dass sich die Linke die kontroverse Debatte um diesen kurz vor Ende ihres Parteitags verhandelten Antrag hätte sparen können. Nicht nur Wolf sprach mit Bezug auf die federführend von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) erarbeiteten Ausschreibungspläne von Hinweisen darauf, dass die gerade im Amt vereidigten Kollegen der Brandenburger Landesregierung das federführend von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) erarbeitete Paket wieder aufdröseln könnten.
Ähnliches war zuletzt auch in den Reihen der Berliner Grünen befürchtet worden. Tritt der Fall ein, droht der knapp bemessene Zeitplan für die Acht-Milliarden-Ausschreibung zu platzen. Den Schaden hätten die Grünen – und die Ausschreibungs-Gegner bei der Linkspartei könnten (heimlich) jubeln.
Robert Kiesel