Digitalisierung in der Verwaltung: Ämter sollen digitaler werden
Zu oft verlangt der Staat persönlichen Kontakt zum Bürger. Dabei ließen sich viele Angelegenheiten online regeln. Wie eine digitale Verwaltung aussehen würde.
In welcher Warteschlange standen Sie zuletzt? Heute morgen beim Bäcker? Gestern an der Kasse im Supermarkt, bei einem Behördengang im Amt, oder vorm Check-in am Flughafen?
Jeden Tag wird an unzähligen Stellen gewartet. Mal eher freiwillig beim Brötchenkauf in der Bäckerei unserer Wahl, an anderen Orten eher unfreiwillig in dem uns zugeordneten Bürgeramt oder dem Flughafen in unserer Nähe.
Beim Bäcker und Supermarkt gibt es eine große Auswahl, beim Flughafen immerhin schon Check-in Automaten oder Apps, über die eingecheckt und etwas Wartezeit gespart werden kann.
Beim Amtsbesuch wird das schwieriger. Wir müssen bei den vorgegebenen, für uns und unser jeweiliges Anliegen zuständigen Stellen vorstellig werden. Eine Fastlane oder eine besonders schnelle Bearbeitung ohne Wartezeit gibt es nicht. Auch nicht gegen Aufpreis.
Die einzige für alle alltäglichen Verwaltungsangelegenheiten in Berlin verfügbare Neuerung in den letzten Jahren war die Online-Terminvereinbarung. Doch warum müssen Bürger für die Beantragung von Wohngeld oder die Ummeldung der Wohnung immer noch persönlich vorstellig werden, oder Anträge per Post einreichen? Denn eigentlich sind gerade diese Themen, die bisher mit Lauferei, Warterei und dem damit einhergehenden Zeitverlust verbunden sind, prädestiniert für eine Abwicklung über das Internet.
Bis Ende 2022 sollen 575 digitale Dienstleistungen zur Verfügung stehen
Damit sich das ändert, wurde in Berlin das Service-Konto Berlin eingerichtet. Darüber soll ein sicherer Zugang zu allen zukünftigen E-Government-Dienstleistungen ermöglicht werden. Aktuell gibt es genau zwei Dienstleistungen für private Nutzer, die darüber in Anspruch genommen werden können: die Beantragung von Bewohnerparkausweisen und Kitagutscheine.
Der Ausblick in die Zukunft ist da erfreulicher. Bis Ende 2022 werden insgesamt 575 Verwaltungsdienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen online nutzbar sein. Das zumindest schreibt das Onlinezugangsdienstegesetz vor, das 2017 vom Bundestag beschlossen wurde.
Das zeigt, dass die Chancen der intelligenten Nutzung von Daten über unterschiedliche Verwaltungsebenen hinweg erkannt wurden, die Umsetzung aber offenbar eine große Herausforderung ist.
Die digitale Geburtsurkunde liegt in Deutschland damit noch in ferner Zukunft. Ein Beispiel aus Hamburg zeigt aber, was allein die einfache Zusammenfassung von verschiedenen Anliegen an Arbeitsbereicherung bringt.
Hamburg macht es vor
Beim Projekt „Kinderleicht zum Kindergeld“ aus Hamburg gibt es die Möglichkeit, in einem der kooperierenden Krankenhäuser verschiedene Verwaltungsangelegenheiten rund um die Geburt eines Kindes mit nur einem Formular zu erledigen. Dazu gehört die Geburtsanzeige, die Namensfestlegung, die Bestellung von Geburtsurkunden und die Beantragung von Kindergeld.
Für diese Vorgänge, für die bisher einzeln bei Bundes- und Landesbehörden Anträge gestellt werden mussten, reicht nun ein einziger Antrag, auf dem nur Daten eingetragen werden müssen, die der Verwaltung noch nicht vorliegen. Schon jetzt erreicht der Kindergeldbescheid die Eltern in durchschnittlich 9,5 Tagen. 2020 soll der Prozess komplett digitalisiert sein. Wenn die Eltern dann den elektronischen Personalausweis zur Authentifizierung nutzen, können sie den Antrag online einreichen und unterschreiben. Die Bearbeitungszeit wird sich durch den Wegfall der Postlaufzeiten noch weiter verkürzen.
Open Data für mehr Transparenz im Politikbetrieb
Im Gegensatz zu den hier auf höchstem technischen Niveau zu schützenden privaten Daten, gibt es andere Daten, deren möglichst weite Verbreitung wünschenswert ist. Diese sollten als Open Data, also ohne weitere Einschränkungen für die weitere Verbreitung, maschinenlesbar zur Verfügung gestellt werden.
Ein Beispiel: Kleine Anfragen stellen in den Landesparlamenten eine wichtige Kontrollmöglichkeit der Abgeordneten gegenüber der Regierung dar. Jede Anfrage der Parlamentarier muss innerhalb bestimmter Fristen von der Regierung beantwortet werden und wird vom Parlament veröffentlicht.
Es gibt keine geheimen kleinen Anfragen oder andere Gründe, weshalb die Dokumente der Öffentlichkeit nicht möglichst einfach und als strukturierter Datensatz zur Verfügung gestellt werden sollten. Dennoch werden sie bisher nicht maschinenlesbar veröffentlicht, sondern lediglich als PDF-Dokument. Da dies kein Open-Data-Format ist, das einfach weiterverarbeitet werden kann, gehen viele Möglichkeiten verloren, die hierin vorhandenen Informationen auszuwerten.
Zugleich zeigt eine hohe Anzahl an Anfragen zu ähnlichen Themenbereichen aber auch auf, in welchen Bereichen eine laufende Veröffentlichung der in kleinen Anfragen angefragten Daten als Open Data sinnvoll wäre. Dadurch könnte nicht nur die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit erhöht werden, sondern auch der Arbeitsaufwand bei der Beantwortung von kleinen Anfragen reduziert werden. Eine Auswertung, welche Themen dies besonders betrifft, findet sich unter lab.technologiestiftung.de.
Verbindung von öffentlichen und privaten Daten
Ein weiteres Beispiel: die Kita-Suche in Berlin, von der Technologiestiftung Berlin. In einer interaktiven Suche wird auf einer Karte das Angebot an Berliner Kindertagesstätten dargestellt. Mit dem Filter „Waldkindergarten“ lässt sich so auf einen Blick feststellen, dass es in Berlin sechs Waldkindergärten gibt, aber nur einen, der eine Betreuung bis 15 Uhr anbietet.
Auch wenn dieses Angebot sicher hilfreich ist, so würden sich die meisten Nutzer doch über eine Verknüpfung mit der Dienstleistung Kita-Gutschein aus dem Service-Konto Berlin freuen. Eine Anzeige von freien Plätzen, eine Online-Anmeldung in einer Kita wäre möglich, wenn zusätzlich die einzelnen Kita-Betreiber angebunden würden. Durch eine Verbindung von öffentlichen und privaten Daten könnte der Nutzen eines solchen Angebots stark erhöht werden.
Damit dies in Zukunft auch passiert, hat die Senatsverwaltung für Wirtschaft zusammen mit der Technologiestiftung Berlin die Open Data Informationsstelle eingerichtet (ODIS). „Die Idee zu ODIS ergab sich aus einer Studie zu Open Data in der Berliner Verwaltung. Aus vielen Interviews ergab sich, dass die Kompetenz fehlt, Open Data in der Verwaltungspraxis umzusetzen.
Die dafür notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten wollen wir mit ODIS vermitteln“, sagt Dr. Benjamin Seibel, Leiter der Informationsstelle. Dabei stehe Berlin im bundesweiten Vergleich in Bezug auf Open Data gar nicht schlecht da, im weltweiten Vergleich hingegen schon.
Das zeigt, dass es noch viel Potenzial gibt, gerade in Bezug auf Daten, die unseren Alltag betreffen. „Am spannendsten finde ich Datensätze, die einen konkreten Bezug zu persönlichen Lebensräumen haben: also alle Daten zu Verkehr, Umwelt, aber auch Gesundheit“, so Seibel. Vielleicht werden also schon bald beispielsweise Echtzeit-Verkehrsdaten so breit verfügbar werden, dass jede Routing-App diese für den öffentlichen Personennahverkehr, aber auch alle sonstigen Verkehrsdaten berücksichtigen kann.
Andreas Baum