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Besser analog. In Sachen Digitalisierung hinken die Berliner Amtsstuben hinterher.
© dpa

Haushaltsentwurf für Berlin: Digitalisierung der Verwaltung könnte am Geld scheitern

Das Abgeordnetenhaus ringt um den Doppelhaushalt 2020/21. Fraglich ist, ob die dringend notwendige Digitalisierung der Verwaltung ins Budget passt.

Die Digitalisierung der Berliner Verwaltung ist auch 2019 noch keine Selbstverständlichkeit. Mitglieder des Ausschusses für Kommunikationstechnologie und Datenschutz von SPD, Grüne und Linke berieten am Donnerstag koalitionsintern über den Doppelhaushalt für die Jahre 2020 und 2021. Experten, Opposition und auch Fachpolitiker der Regierungsparteien befürchten, dass das 2016 noch unter der Rot-Schwarzen Regierung beschlossene E-Government-Gesetz nicht eingehalten werden kann.

Es gibt Zweifel, ob die Senatsverwaltung für Finanzen genug Geld für die Verwaltungsmodernisierung freigibt. Die dafür zuständige IT-Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD) soll jährlich mehr als 300 Millionen Euro für den sogenannten „Einzelplan 25“ beantragt haben – also insgesamt mehr als 600 Millionen Euro für den Doppelhaushalt. In diesem „Querschnittstopf“ werden landesweite Ausgaben für E-Government-Projekte zusammengefasst. 

Ein Flickenteppich verschiedenster Software-Systeme

Ihr Wunsch wird von der Finanzverwaltung allerdings nicht erfüllt. Beteiligte berichten von einem ersten internen Vorschlag, der nur jeweils 150 Millionen Euro für die kommenden zwei Jahre vorsieht. Smentek will sich zu Zahlen öffentlich nicht äußern, bis Mitte Juni der Entwurf des Senats offiziell auf dem Tisch liegt, sagte Smentek dem Tagesspiegel-Fachnewsletter "Background Digitalisierung".

Insider erklären aber, dass die Staatssekretärin mindestens 180 Millionen jährlich brauche, um überhaupt sicherstellen zu können, dass die fristgerechte Umsetzung aktueller Projekte nicht gefährdet werde. „Ein Plus von 30 Millionen Euro pro Jahr wäre das absolute Minimum. Will man die Digitalisierung Berlins beschleunigen, brauchen wir aber tatsächlich eher die gewünschten jährlichen 300 Millionen“, erklärt ein Beteiligter dem Tagesspiegel.

Unter anderem geht es dabei um drei große Vorhaben: die flächendeckende Einführung einer elektronischen Akte (E-Akte) bis 2023, die Umstellung Zehntausender Rechner auf Windows 10 und die sogenannte „Migration“ in das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ). Damit ist eine einheitliche Administration der verwaltungsinternen Informations- und Kommunikationstechnik durch den landeseigenen IT-Dienstleister gemeint. Bisher gab es einen Flickenteppich verschiedenster Software-Systeme über alle Berliner Bezirke hinweg. Bei allen drei Projekten gibt es aktuell schon Probleme, die durch eine Unterfinanzierung weiter verschärft werden könnten. 

Umstellung auf Windows 10

Großes Kopfzerbrechen bereitet etwa weiterhin die Umstellung aller Computer der Berliner Verwaltung von Windows 7 auf Windows 10. Der Landesrechnungshof hat erst in seinem am Montag vorgelegten Jahresbericht kritisiert, dass die Innenverwaltung viel zu spät begonnen hat die betroffenen Endgeräte umzustellen. Von der Feuerwehr bis zum Senatsbüro: Die Berliner Behörden nutzen aktuell über 82.500 Computer. Davon wurden mehrere Zehntausend immer noch nicht geupdatet. Ein Sprecher der Innenverwaltung erklärt im Gespräch mit Tagesspiegel Background, dass man momentan bei einer Umstellungsrate von 17 Prozent liege und optimistisch sei, den Prozess bis Ende des Jahres erfolgreich abschließen zu können.

Ab 14. Januar 2020 läuft nämlich der Microsoft-Support für das veraltete System aus. Will die Verwaltung noch nicht umgestellte Computer nach der Frist weiterhin sicher betreiben, muss sie für eine Supportverlängerung zahlen. Kostenpunkt: Zwischen 1,6 und 2,2 Millionen Euro für zumindest ein weiteres Jahr. Windows 10 ist auch eine der Grundvoraussetzungen, um künftig alle Rechner in der Verwaltung über das ITDZ betreiben zu können. Herzstück ist dabei der sogenannte „BerlinPC“, ein „standardisierter Rechner mit einheitlichen Serverdiensten, Software und Hardware“. Mitarbeiter der Verwaltung sind dann erstmals nicht mehr auf einen einzelnen PC beschränkt, sondern können sich von überall aus einloggen, weil ihre Arbeitsprogramme und Daten in einer Cloud des ITDZ liegen.

Die Sorgen beim landeseigenen IT-Dienstleister dürften aber auch ohne die Windows-Probleme schon groß genug sein. Bis 2026 sollte der zentrale Betrieb und die IT-Standardisierung abgeschlossen sein. Daran glauben aber aktuell nur mehr wenige Beteiligte. Verantwortliche sprechen nun überhaupt nur mehr davon, dass ab 2026 alle neu angeschafften Computer sofort an das ITDZ angebunden sein sollen. Dieses Projekt trifft es besonders hart, wenn Geld fehlt, berichten Insider. Smentek sagt gegenüber Tagesspiegel Background lediglich: „Je höher der Betrag, desto schneller die Umsetzung.“

Externer Anbieter für Justizakten

Unter anderem sieht das E-Government-Gesetz vor, bis zum Jahr 2023 flächendeckend die E-Akte in Berlin zu verwenden. Dass es dabei Probleme gibt, war schon länger bekannt (Tagesspiegel Background berichtete). Nun wird es aber ernst: Die Zeit ist bereits so knapp, dass es schon reichen würde, wenn jemand die aktuell laufende Ausschreibung für ein geeignetes Software-System beanstandet. Das bestätigt Smentek im Gespräch mit Tagesspiegel Background, sagt aber, sie sei dennoch positiv gestimmt.

Bei der E-Akte wird jedenfalls nochmals zusätzliche Arbeit auf das ITDZ zukommen, weil dort die Daten der neuen digitalen Akten gespeichert werden sollen. Aktuell wachse der Personalstand des IT-Dienstleisters wegen all der neuen Herausforderungen stark an, wie Beteiligte berichten.

Nach Informationen des Tagesspiegel werde auch ein Kredit nicht gänzlich ausgeschlossen, um gegebenenfalls eine Direktinvestition in das ITDZ tätigen zu können, falls die Haushaltsmittel tatsächlich zu gering ausfallen sollten. Alle Beteiligten bestätigten zudem eine andere Entlastungsmaßnahme: Der IT-Dienstleister Dataport, der in anderen Bundesländern ähnliche IT-Projekte betreibt, soll sich um die E-Akte im Justizbereich kümmern. Damit bleibt für das ITDZ die E-Akte im allgemeinen Verwaltungsbereich.

Bis Dezember muss der Doppelhaushalt jedenfalls stehen. Nachdem Mitte Juni offiziell der Haushaltsvorschlag des Senats auf dem Tisch liegt, könnten Fachausschussmitglieder im Berliner Abgeordnetenhaus nach dem Sommer noch Änderungswünsche einbringen, bevor der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses über den Entwurf abstimmt. Im Dezember muss der Doppelhaushalt dann von allen Abgeordneten beschlossen werden. Das Büro von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) will keine Stellungnahme vor dem Senatsentwurf abgeben. Kritiker haben die Hoffnung jedenfalls noch nicht ganz aufgegeben, wie ein Beteiligter erklärt: „Am Ende müssen sich alle Beteiligten dazu bekennen die Berliner Verwaltung digitalisieren zu wollen. Wir haben weder Zeit noch einen Plan B.“

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