2000 Tage Nichteröffnung: Am BER funktioniert nicht mal, was fertig schien
Ein Tüv-Bericht beweist: Die Lage auf Deutschlands schwierigster Baustelle ist dramatischer als bekannt. Startet Berlins neuer Flughafen sogar erst 2021?
Es sind 33 Seiten, die Hoffnungen auf eine schnelle Eröffnung des neuen Airportes in Schönefeld erneut zunichte machen. Die Rede ist von einem aktuellen „Statusbericht über die Prüfung der sicherheitstechnischen Gebäudeausrüstung“ im Fluggastterminal des BER. Er ist datiert auf den 2. November 2017. Verfasst hat das Dokument, das dem Tagesspiegel vorliegt, der Tüv Rheinland für die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB). Vor 2000 Tagen war die Eröffnung des neuen Airports geplatzt. Doch nun zeigen die Tests der Tüv-Sachverständigen, dass nach fünfjähriger Sanierung des BER-Terminals selbst Systeme nicht richtig funktionieren, die fertig schienen. Und wieder sind die Entrauchungsanlagen dabei. Wieder gerät ein Zeitplan in Gefahr.
Nur mit der Freigabe durch Sachverständige wie denen vom Tüv darf der BER eröffnen. Doch bis es so weit ist, dürfte es noch eine Weile dauern, lässt der 33-Seiten-Bericht vermuten. Geprüft wurde das Mainpier Nord, das im Hauptterminal noch als vergleichsweise einfacher Gebäudeabschnitt gilt. Noch vor Wochen waren die Verantwortlichen zuversichtlich, dass hier nicht mehr viel passieren kann. Die Prüfungen ergaben nun das Gegenteil. Und das wenige Wochen vor der angekündigten Bekanntgabe eines neuen Eröffnungstermins für den BER.
So lautet der Befund zur maschinellen Entrauchungsanlage so: „Die geprüften Anlagen und Einrichtungen sind in Teilen noch nicht ordnungsgemäß beschaffen. Die Betriebssicherheit und Wirksamkeit kann für die bemängelten Anlagen nicht abschließend bescheinigt werden.“ Und: „Der Betrieb der Entrauchungsanlage ist nicht zulässig.“ Auch bei der Entrauchungssteuerung wurden „wesentliche Mängel“ festgestellt. „Weitere Mängel und Beanstandungen sind vorhanden“, heißt es dort. „Es ist mit einem planerischen Soll und einem Bausoll zu rechnen.“
In dem Tüv-Bericht wiederholen sich auf vielen Seiten solche roten, an die Ampeln der Controllingberichte der Jahre 2011/2012 erinnernden Statusmarkierungen für „Mängel“ – etwa bei der Sprinkleranlage, der Brandmeldeanlage oder der Sicherheitsbeleuchtung. Beim elektroakustischen Notwarnsystem heißt es: „Die geprüften Anlagen sind erst nach Beseitigung der wesentlichen Mängel ordnungsgemäß beschaffen, betriebssicher und wirksam.“
Tüv sagte Prüfung des Mainpiers Süd gleich ab
In sechs von zehn geprüften Anlagen, so das Fazit des Berichtes, wurden „wesentliche Mängel“ festgestellt. „In allen weiteren Anlagengruppen wurden weitere Mängel festgestellt.“ Die Ergebnisse sind so dramatisch, dass die eigentlich im Anschluss geplante Prüfung im Mainpier Süd – baugleich am anderen Ende des Terminals – sofort abgeblasen wurde.
Und der Tüv geht davon aus, dass die Befunde für das Flugastterminal insgesamt zutreffen. „Die bei der Prüfung der sicherheitstechnischen Anlagen festgestellten Mängel sind vielfach auch systemische Mängel und können auf andere noch ungeprüfte Anlagen bzw. Bereiche des Fluggastterminals übertragen werden.“ Es seien Terminrisiken bereits für die Entrauchungssteuerung, die Brandmeldeanlage, die Alarmierungsanlage sowie die Sicherheitsbeleuchtungsanlage eingetreten „und wirken in der Tragweite mit Auswirkungen auf den Terminplan“. Gemeint ist der neue. Hinzu kommt, dass das bisher lediglich die Tests der Einzelsysteme waren. Die gefürchteten, komplizierteren Verbundtests, bei denen alle Anlagen im Zusammenspiel funktionieren müssen, sollen erst nach dem Bauende ab dem 31. August 2018 beginnen.
Diese akuten Probleme sind eine Erklärung, warum Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup und Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider unbedingt einen Technik-Geschäftsführer einstellen wollten, um den BER in den Griff zu bekommen. Wie berichtet, war das vor allem am Veto Brandenburgs gescheitert.
In den vergangenen Tagen hatte Lütke Daldrup sich bei Auftritten nach der Aufsichtsratssitzung und im Potsdamer BER-Sonderausschuss zur Situation auf der Baustelle nur kurz und allgemein geäußert, auf Fortschritte bei der Türeninbetriebnahme und den neuen hydraulischen Berechnungen für den nötigen Umbau der Sprinkleranlage verwiesen.
Dort bleibe es bei den erwarteten Arbeiten. Danach müssen im Terminal einige Kilometer Rohr ausgetauscht werden. Nach den bisherigen Berechnungen – erst 80 Prozent sind fertig – sind für 49 von 104 Löschbereichen in der Anlage „unzulässige Druckverluste bzw. zu hohe Durchflussmengen ermittelt worden.“
Was das bedeutet? Schon vorher war klar, dass eine Eröffnung des BER im Jahr 2019 nicht mehr möglich ist. Mit den akuten Mängeln könnte es selbst für einen Start im Frühjahr oder im Herbst 2020 eng werden. Lütke Daldrup will – Monate vor dem bisher geplanten Ende der Arbeiten und vor den unkalkulierbaren Verbundtests – am 15. Dezember einen BER-Eröffnungstermin nennen. Einen, auf den sich diesmal alle verlassen können. Wenn er dabei bleibt, könnte er eine BER-Eröffnung 2021 ankündigen.
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