Neues Bauprojekt Spreefeld in Mitte: Am alten Kater Holzig wird gewohnt - und gefeiert
Nicht nur das Bauprojekt Holzmarkt der "Kater Holzig"-Macher an der Spree nimmt erste Formen an. Gleich in der Nähe errichtet eine andere Genossenschaft ihr "Spreefeld". Und wie steht's mit dem Uferzugang?
Ganze Generationen von Architekturstudenten haben über Entwürfen für neue Wohnkonzepte und „flexibles Wohnen“ gebrütet. Im späteren Baualltag ist davon kaum etwas angekommen. Wohnungsbaugesellschaften oder Investoren sind an unkonventionellen Wohnkonzepten und Wohnungstypen nicht interessiert, die machen nur Arbeit und sind mit gängigen Routinen schwierig zu vermarkten und zu verwalten. Auch die Internationale Bauausstellung IBA 1987 war angetreten, mit neuen Grundrissen auf veränderte Wohnungsbedürfnisse zu reagieren. Es blieb bei halbherzigen, normgerecht angepassten Lösungen.
Erst in jüngerer Zeit sind neue Initiativen in diese Richtung zu verzeichnen. Einige Wohngruppenprojekte sind schon vom Drei-Zimmer-Küche-Bad-Schema abgewichen, doch nun gelang mit dem Projekt „Spreefeld“ an der Köpenicker Straße in Mitte gewissermaßen der Durchbruch – wie bei Google Earth nach der Eingabe der Zahlen 52, 5105 13,425 gut zu sehen. Unter wahrlich schwierigen administrativen Bedingungen glückte es einer genossenschaftlich organisierten Gruppe von 90 Anteilseignern, drei achtgeschossige Wohnhäuser am Spreeufer unmittelbar hinter dem Deutschen Architekturzentrum zu errichten, die fast alles zu bieten haben, was in dieser Richtung bislang entwickelt und gedacht wurde.
Inspiriert von der Initiative „Mediaspree versenken!“, die eine massive Bürobebauung verhindern und das Spreeufer für alle Bürger frei halten wollte, war der erste Ansatz, das Grundstück und vor allem den Uferweg für Passanten zu öffnen.
Zwischen öffentlich und privat
Ein nächster Schritt war die Überlegung, die Erdgeschosse zugänglich zu machen. Neben einigen Büros und Ateliers, Waschsalon und Jugendraum sowie einer Kita entstand in jedem Haus ein großer „Optionsraum“, dessen Nutzung sich je nach Bedarf entwickeln soll. „Ernährung“ mit Küche und Mittagstisch, „Bewegung und Kunst“ und „Werkstatt“ sind die Themen der drei Räume. Da der Garten öffentlich ist, wurde weiterhin beschlossen, die Häuser auf der Ebene +1 über Brücken intern miteinander zu verbinden und als Hofersatz größere Balkone und Dachterrassen in Gemeinschaftsnutzung anzubieten.
Doch die Differenzierung zwischen öffentlich und privat geht noch weiter. Innerhalb der Häuser gibt es verschiedenste Einzelwohnungen, aber auch „Clusterwohnungen“ mit Ein- bis Dreizimmerwohnungen, die sich um einen Gemeinschaftsbereich gruppieren, eine große Küche, ein Wohnzimmer, eine Terrasse. So können sich verschiedene Formen von Wohngemeinschaften entwickeln. Es ist aber auch möglich, bei Bedarf Wohnungen zu verkleinern, zu vergrößern oder zusammenzulegen und so veränderten familiären Verhältnissen anzupassen.
Die Wohnungen sind ausnahmslos barrierefrei. So bildete sich zum Beispiel eine Wohngemeinschaft mit zwei Rollstuhlfahrerinnen und einem Betreuer. Als bedeutsam hat sich auch erwiesen, dass die Wände und Türen zwischen den Clusterwohnungen und den Gemeinschaftsräumen Wohnungstrennwandqualität mit optimalem Schallschutz aufweisen.
Die Mischung macht's
Das Projekt startete vor acht Jahren, vor vier Jahren konnte das Grundstück von der BIMA, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, erworben werden. Angesichts der inzwischen explodierenden Grundstückspreise würde man heute „wahrscheinlich über ein bisschen mehr Nutzfläche nachdenken wollen“, sinnieren die Architekten. Als Glücksgriff hat sich die Organisation der Baugruppe als Genossenschaft erwiesen, wodurch eine zu weitgehende Individualisierung verhindert werden konnte.
Es gibt keinen Zusammenschluss einzelner Bauherren, sondern Bauherr ist nur die Genossenschaft; die Anteilseigner sind Mieter der Genossenschaft. Es konnten auch Menschen ohne Eigenkapital einsteigen, denn KfW-Förderkredite gibt es auch zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen. So ergab sich also keine homogene Bewohnerschaft wie in Baugruppen sonst üblich, sondern eine Mischung vom älteren Single bis zur jungen Familie mit unterschiedlichen Budgets.
Die moderaten Kosten von knapp 2100 Euro pro Quadratmeter waren durch gemeinsame Entwicklung eines Konstruktionssystems, durch Standardisierung von Ausbauteilen wie Fassaden, Türen, Installationen etc. möglich. Die drei Häuser sind anschließend von den Berliner Büros carpaneto schöningh architekten (federführend für das Gesamtprojekt), FAT_Koehl Architekten und BARarchitekten im Rahmen des gemeinsamen Regelwerks individuell realisiert worden.
Vernetzt mit der Stadt
Da die Innenräume von den Inhabern selbst ausgebaut wurden, sind die einzelnen Wohnungen sehr unterschiedlich ausgestattet, je nach Geldbeutel und Wohnbedürfnissen. Manch einer fühlt sich im ruppigen Rohbaudesign wohl, andere brauchen mehr Komfort, warme Oberflächen, farbige Anstriche, Holz, Designarmaturen. Vieles ist noch zu komplettieren, manches geschieht in Eigenleistung. Die Freiflächen werden in Workshops gemeinsam konzipiert. Auch fehlen noch die Verbindungsbrücken zwischen den Gebäuden.
Auf dem Dach des zentralen Heizhauses entsteht ein Wintergarten, eigentlich eine Orangerie, in der im Winter die Terrassenpflanzen deponiert werden. Im zum Grundstück gehörenden Bootshaus der ehemaligen DDR-Grenztruppen können Privatpartys gefeiert werden, aber es harrt noch der Sanierung. Auch das gemeinsame Motorboot hängt noch reparaturbedürftig in den Seilen. Man hat also noch weiterhin gemeinsame Aufgaben, die auch zum weiteren Zusammenhalt der Bewohnergruppe beitragen.
Die Erwartung ist nun, dass sich das entstandene „Biotop“ nicht als Insel abkapselt, sondern mit der umgebenden Stadt vernetzt. Dazu wird der geplante Uferweg beitragen – so er denn vom Bezirk dereinst durchgehend realisiert sein wird.
Ein großes Ziel der Protagonisten war, unterschiedlichste Wohnungszuschnitte und Wohnkonzepte, auch Flexibilität, Veränderungspotenzial anzubieten. Das andere Ziel war, individuelles innerstädtisches Leben in einer Art dörflichen Gemeinschaft zu ermöglichen, informell, ohne Zwänge, aber mit allen Kontakt- und Aktionsmöglichkeiten. Diese Ziele hat das Projekt Spreefeld in beeindruckendem Maße erreicht.