Abriss der Avus-Tribüne: Altes Dach weicht neuen Träumen
Der Umbau der Avus-Tribüne zum Veranstaltungsort beginnt am Montag mit einer Autobahnsperrung. Zunächst wird das Dach abgerissen.
Wenn der nördliche Teil der Avus am heutigen Montag (9. April) von 22 Uhr bis 6 Uhr am Dienstagmorgen stadtauswärts gesperrt wird, dürften sich einige Autofahrer ärgern – zumindest, falls sie nicht wissen, warum sie Umwege nehmen müssen. Eigentlich geht es aber um ein Projekt, das Autoliebhabern gefallen sollte: Nach 20-jährigem Leerstand will der Unternehmer Hamid Djadda das Baudenkmal nahe dem Charlottenburger Messegelände am Funkturm endlich neu beleben. Dafür wird zunächst das einsturzgefährdete Dach abgerissen.
Mit einer kleinen Feier im schräg gegenüberliegenden Avus-Rasthof will Djadda den Umbaubeginn zelebrieren. Geladene Gäste wie der Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) können voraussichtlich ab 23 Uhr beobachten, wie Kräne und Bagger das Dach der Tribüne abtragen. Bis 2019 soll ein gleichartiges neues Dach entstehen. Diese Arbeiten starten aber erst in den Sommerferien, weil die Ämter vorher keine mehrtägige Sperrung der Avus (A 115) genehmigen.
Platz für die Messe, Cafés und Büros
Das Gebäude wird nach Plänen des Hamburger Architekten Christoph Janiesch umgestaltet und saniert. Er will die Kanzel in der Mitte verglasen und darin auf 400 Quadratmetern Platz für Veranstaltungen schaffen. Mit der Messe Berlin, die als einer der künftigen Mieter infrage kommt, hat Hamid Djadda bereits Kontakt aufgenommen. Im vorigen Sommer konnten Autofahrer erstmals sehen, dass etwas auf der Tribüne geschieht: Damals wurden die alten Sitzbänke entfernt.
Geplant sind auch ein Café, Büros für Start-ups aus der Autobranche und möglicherweise ein Avus-Museum. Bis zum 100. Jubiläum der Autobahn im Jahr 2021 soll alles fertig sein. Insgesamt investiert der Eigentümer bis zu fünf Millionen Euro.
Die Tribüne für die Rennstrecke
Die 8,3 Kilometer lange Avus („Automobil-Verkehrs- und Übungs-Straße“) war 1921 als weltweit erste Autobahn entstanden – vor allem als Rennstrecke mit der damaligen Südkurve in Nikolassee und der Nordkurve in Charlottenburg. Sportwagen wie die „Silberpfeile“ von Mercedes rasten mit fast 400 Stundenkilometern über die Piste. Privatleute mussten anfangs eine hohe Mautgebühr zahlen, wenn sie die Avus benutzen wollten. Die 240 Meter lange Tribüne mit Platz für 4000 Besucher kam 1936 hinzu. Der Anschluss der Autobahn an den Berliner Stadtring folgte vier Jahre später.
1998 wurden die Motorsportveranstaltungen eingestellt, weil die Zuschauerzahlen gesunken waren und jedes Rennen sowie die vorherigen Trainingsrunden den wachsenden Stadtverkehr tagelang behinderten. In den folgenden Jahren blieb die Tribüne ungenutzt und verfiel. Daran änderte sich auch nichts, nachdem die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben das Bauwerk vor elf Jahren an eine private Eigentümergemeinschaft verkauft hatte.
Ein Stück Berliner Geschichte
„Es hat mir jedes Mal im Herzen wehgetan, wenn ich an dieser maroden Ruine vorbeigefahren bin“, sagt Djadda. Er erwarb die Tribüne vor rund drei Jahren. „Das ist doch ein Stück Berliner Geschichte, das bewahrt werden muss.“ Außerdem sei das Gebäude mit das Erste, was viele autofahrende Berlinbesucher von der Stadt sähen.
Der im Iran geborene und in Hamburg aufgewachsene Unternehmer betreibt seit einigen Jahren die „Berliner Blechschild Manufaktur“ in Tempelhof und handelt mit Waren aus dem Iran. Darüber hinaus gründete er 2017 die Marzipankonfekt-Manufaktur „OHDE Berlin“ in Neukölln, zu der inzwischen auch zwei Charlottenburger Läden an der Uhlandstraße und im Bikini-Haus am Zoo gehören. 51 Prozent des Gewinns aus dem Pralinenhandel fließen in die „Ohde-Stiftung“, die Neuköllner Schüler fördert.
Auf der Avus würde Djadda übrigens am liebsten wieder Rennen sehen – und zwar mit Elektroautos in der Formel E. Dafür könne er selbst aber nicht sorgen, bedauert der 60-Jährige.
Cay Dobberke