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Rücksichtslos. Viele Autofahrer achten beim Abbiegen nicht auf Fahrradfahrer. Diese können häufig nur durch eine Vollbremsung einen Unfall verhindern. Diese Kreuzung hier Kaiserdamm/Messedamm gilt seit Jahren als eine besonders gefährliche.
© Kai-Uwe Heinrich

Gefährliche Ost-West-Verbindung: Als Radler ab auf die Piste? Bloß nicht!

Radfahren auf Straßen soll sicherer werden. ADFC und Politik machen sich Gedanken. Im Mittelpunkt: mal wieder die Ost-West-Achse.

In beide Richtungen führt der Verkehr über jeweils vier Fahrspuren vom Ernst-Reuter-Platz zum Theodor-HeussPlatz, schwere Laster donnern über den Asphalt, ständig ist Stau. Für Radfahrer ist die Charlottenburger Ost-West–Verbindung über Bismarckstraße und Kaiserdamm eine gefährliche Herausforderung – vor allem auch, weil eine echte Alternative fehlt. Es gibt auf dem Straßenzug zwar einen Fahrradweg, direkt neben dem Bürgersteig; aber für die Autofahrer sind die Radler schwer zu sehen, da noch der Parkstreifen – die fünfte Spur – zwischen Radlern und Autos ist. Immer wieder kommt es gerade beim Abbiegen zu Unfällen.

Ein 77-Jähriger mit E-Bike wurde von einem Auto erfasst

In dieser Woche wurde ein 77-Jähriger, der mit seinem E-Bike auf dem Radweg unterwegs war, von einem Auto erfasst, das rechts abbiegen wollte. Auch tödliche Unfälle hat es auf diesem Straßenzug schon gegeben. Als 2004 der neunjährige Dersu von einem rechts abbiegenden Lastwagen erfasst und getötet wurde, löste dies überregional eine Diskussion über bessere Rückspiegel für Lastwagen und Busse aus. Denn die herkömmlichen Spiegel erfassen längst nicht alles, was sich neben dem Fahrzeug abspielt. Radler geraten oft in den toten Winkel.

Zum Gedenken. Eine Stele auf der Bismarckstraße an der Ecke Kaiser-Friedrich-Straße. Hier starb 2004 der neunjährige Dersu.
Zum Gedenken. Eine Stele auf der Bismarckstraße an der Ecke Kaiser-Friedrich-Straße. Hier starb 2004 der neunjährige Dersu.
© Kai-Uwe Heinrich

Zwei für Radfahrer besonders gefährliche Kreuzungen – am Messedamm und an der Kaiser-Friedrich-Straße – wurden in den vergangenen Jahren entschärft. Der Radweg wurde direkt von der Kreuzung auf die Straße geführt, damit die Radler sichtbarer werden.

Der Schatten der Gebäude erschwert die Sicht

Dem Berliner ADFC sind die Gefahren auf der Bismarckstraße und dem Kaiserdamm bekannt. ADFC-Geschäftsführer Philipp Poll nennt als weitere Risiken zudem, dass die Straße durch das Gefälle stadteinwärts die Radler oft eine ziemliche Geschwindigkeit erreichen und auf dieser Seite die Sicht durch die Schatten der Gebäude zusätzlich erschwert ist. Gefährlich sei besonders der Abbiegeverkehr zur Stadtautobahn. Oft werde aus zwei Fahrspuren nach rechts abgebogen. Autofahrer hätten dann kaum Sicht auf die Fahrradfahrer. Außerdem sei die Straße oft bis direkt an die Kreuzungen zugeparkt. Dies seien Verstöße, die eigentlich „ordentlich geahndet werden“ müssten, was in der Regel nicht passiere.

Bezirk will auf Parkplätze nicht verzichten

Für Poll wäre es angesichts des massiven motorisierten Verkehrs auf der Straße keine Lösung, einen Fahrradstreifen mit einer Mindestbreite von 1,50 Meter auf die Fahrbahn zu verlegen. Das wäre bei diesem Verkehr einfach zu gefährlich. Poll plädiert für eine Machbarkeitsstudie, damit untersucht werden kann, wie der Verkehr für die Radler sicherer werden kann. Ein Verzicht auf die Parkplätze, um eine Radspur auf der Straße einzurichten, kommt laut Bezirksstadtrat Marc Schulte (SPD) nicht infrage.

Nach dem jüngsten Unfall gab es auf unserer Internetseite eine angeregte Diskussion. Viele Leser vertreten die Meinung, das Problem sei am einfachsten zu lösen, indem man den Parkstreifen weiter nach rechts verlegt und den frei gewordenen Platz für eine Fahrradspur nutzt. Dies würde jedoch umfangreichere Umbauarbeiten bedeuten. Damit ist aber derzeit nicht zu rechnen. Laut der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sind „die vorhandenen Radwege in einem vergleichsweise guten Zustand“. „Die Schließung vorhandener Lücken im Radwegenetz hat deshalb zurzeit Vorrang“, heißt es in einer Stellungnahme.

Versuch an der Frankfurter Allee

An der Frankfurter Allee in Friedrichshain hingegen soll sich die Situation für Radfahrer entspannen. Gleichzeitig möchte man die Belastung der Anwohner durch Feinstaub verringern. Dort soll – wie berichtet – auf dem Abschnitt zwischen Proskauer Straße und S-Bahnhof Frankfurter Allee getestet werden, stadtauswärts eine Autospur für Radfahrer freizugeben. Die vorhandenen „schmalen Radwege auf Gehwegniveau“ entsprächen nicht mehr den „Ansprüchen des stetig steigenden Radverkehrs“, teilte die Verwaltung mit.

Besonders im Bereich der U-Bahnhöfe kämen sich Radfahrer und Fußgänger immer wieder gefährlich in die Quere. Auch wenn Organisationen wie der ADFC dafür plädieren, Radstreifen auf die Fahrbahn zu verlegen, sind nicht alle Radfahrer davon überzeugt. Gerade Menschen, die nur gelegentlich mit dem Rad fahren, fühlen sich auf einem Radweg auf dem Bürgersteig sicherer und geschützter. Deswegen überlegt die Verwaltung an der Frankfurter Allee auch, „überfahrbare Gummischwellen als zusätzliche Absicherung gegenüber dem Kfz-Verkehr“ einzubauen.

Die Pläne gelten als Verkehrsversuch: Hier sollen Erfahrungen gesammelt werden. Ob diese dann auf andere Straßen übertragen werden können, steht erst nach Auswertung des Projekts fest.

Gefährlich ist auch der Tempelhofer Damm

Eine weitere Ausfallstraße, auf der Radfahrer großen Risiken ausgesetzt sind, ist der Tempelhofer/Mariendorfer Damm, die Bundesstraße 96, über die auch der Schwerlastverkehr Richtung Süden rollt. Zwischen Alt-Tempelhof und Alt-Mariendorf gibt es keinen Radweg. Der ADFC versucht gerade, Pläne für Alternativen zu entwickeln.

Sigrid Kneist

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