Kassenärztliche Vereinigung Berlin zu Masern: Alle Praxen sollen impfen dürfen
Berliner Kassenärzte wollen bestehende Regel lockern, damit in Kinderpraxen auch Erwachsene gegen Masern geimpft werden. Krankenversicherungen zahlen auch Älteren die Impfkosten.
Wird bei der nächsten Masernwelle alles anders, werden sich Impfwillige dann unkomplizierter versorgen lassen können – und sei es beim Arzt ihrer Kinder? In diesen Tagen haben sich zahlreiche Kinderärzte darüber aufgeregt, dass ihnen Impfkosten nicht erstattet wurden, wenn sie Erwachsene behandelt hatten. Denn so legen es die Vorschriften des Sozialgesetzbuches fest.
Patienten und Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) passte das nicht. Am Montag nun erklärte auch der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin: „Der Gesetzgeber sollte das lockern.“ Zunächst verwies KV-Vizechef Uwe Kraffel allerdings auf die Rechtslage: Im Fünften Sozialgesetzbuch sind alle Bestimmungen zu den Krankenkassen geregelt. Dort ist festgelegt, dass Praxisärzte, die gesetzlich Versicherte versorgen, nur in ihrem Fachgebiet tätig werden dürfen. Dieser Facharztvorbehalt sieht demnach vor: Kinderärzte impfen nur Kinder, selbst wenn bittende Eltern danebenstehen, Gynäkologen versorgen Frauen und nicht auch den begleitenden Mann. Ausnahmen bilden Notfälle, bei Wunden dürfen alle Mediziner allen Betroffenen also Tetanus-Spritzen setzen. Masern zählen nicht dazu.
Urteil: kein Recht auf fachfremde Honorare
In den vergangenen Jahren, sagte Kraffel, sei man zwar durchaus kulant gewesen: Rund ein Prozent der von Kassenärzten abgerechneten Leistungen habe „fachfremd“ sein dürfen und sei dennoch bezahlt worden – etwa Impfungen, die ein Gynäkologe beim Mann einer Patientin durchgeführt hätte. Vor vier Jahren aber sei ein Sozialgerichtsurteil rechtskräftig geworden, wonach Ärzte kein Recht auf Honorare für fachfremde Leistungen hätten. Seitdem handhabe man die Vorgaben strenger, sagte Kraffel, was einige Kinderärzte vielleicht erst 2014 bemerkt hätten, als die Masernwelle begann. Am Montag waren 660 Männer, Frauen und Kinder in Berlin an Masern erkrankt. Dies ist die stärkste Infektionswelle seit 2001.
KV-Vorstand Kraffel, dessen Fachgebiet die Augenheilkunde ist, verwies auf die anstehenden Lesungen zum Versorgungsstärkungsgesetz im Bundestag. Damit will die Bundesregierung allerlei Problemen im Gesundheitswesen begegnen: vom Praxenmangel auf dem Land bis zu überlaufenen Kliniken in der Stadt. Das geplante Gesetz werde ohnehin Aspekte des Sozialgesetzbuches ändern, sagte Kraffel, die Bundespolitiker könnten die strikte Patiententrennung beim Impfen dabei lockern.
Senator Czaja: Treffen mit Gremien, um besten Weg auszuloten
Ein anderer Weg wird derzeit unter Berliner Infektiologen diskutiert. Die Berliner KV hatte lange vor der Masernwelle mit den Regionalspitzen der Krankenkassen eine landesspezifische Impfvereinbarung ausgehandelt. Diese Vereinbarung könnte, so die Idee, hinsichtlich des Facharztvorbehalts geändert werden. Solche Sonderverträge könnten unabhängig vom Sozialgesetzbuch entsprechende Erleichterungen ermöglichen. Gesundheitssenator Czaja sagte am Montag auf Anfrage, er werde Vertreter der beteiligten Gremien einladen, um schnell auszuloten, welcher Weg zum Wohl aller Patienten geeignet sei.
Zuletzt war unter Ärzten auch über die Rolle der Krankenkassen gesprochen worden. Weil das zuständige Robert-Koch-Institut nur Impfungen für die nach 1970 Geborenen empfiehlt, haben Versicherte, die vor 1970 geboren wurden, keinen generellen Anspruch auf eine Masernimmunisierung. Zwar sind die meisten Männer und Frauen, die vor 1970 geboren wurden, durch zurückliegende Maserninfektionen geschützt. Dennoch hatten Ärzte gefordert, auch Älteren die Impfkosten zu erstatten.
AOK und TK übernehmen Impfkosten auch für Ältere
Die AOK, größte Kasse der Region, teilte kürzlich mit: „Daher übernehmen wir für die Dauer der Masernepidemie 2015 die Kosten der Impfung gegen Masern auch für Personen, die vor 1970 geboren wurden.“ Auch Susanne Hertzer, die Landeschefin der Techniker Krankenkasse (TK), sagte am Montag: Die TK übernehme auch die Impfkosten für die vor 1970 Geborenen. Rund zehn Euro kostet die Impfdosis, die Ärzte bekommen von den Kassen dazu bis zu 18 Euro pro Fall. Die KV als Organisation öffentlichen Rechts setzt die mit den Kassen vereinbarten Honorarregeln durch.