Diskussion um blockierte Radwege: „Alle Falschparker umsetzen? Geht nicht“
Vor allem Radfahrer ärgern sich über Autos, die auf Fahrradstreifen stehen. Jörn Badendick vom Polizistenverband „Unabhängige“ erklärt die Rechtslage.
Jörn Badendick, 39, ist Sprecher des Berufs- und Personalvertretungsverbandes „Unabhängige in der Polizei“. Der Verband hat derzeit den Vorsitz im Gesamtpersonalrat.
Es gab kürzlich einen kuriosen Streit zwischen Polizei und Radfahrerlobby. Denn ein Bürger hat sich bei dem Polizeipräsidium beschwert, weil sich Beamte geweigert hatten, auf Radwegen geparkte Autos abzuschleppen. Darf die Polizei das? Es gibt doch klare Anweisungen.
Der Fall war etwas anders gelagert. Die Rede war von einem Fahrradaktivisten, der innerhalb eines Jahres 109 Mal in der Notrufzentrale wegen Falschparkern angerufen hat. Das muss man kritisch hinterfragen, weil dadurch andere, möglicherweise dringendere Notrufe in der Warteschleife landen. Grundsätzlich ist verkehrswidriges Parken in Ballungszentren wie Berlin ein immenses Problem, dass unter der derzeitigen Personalsituation der Berliner Polizei nicht ausreichend zu bewältigen ist.
Trotzdem muss doch abgeschleppt werden, wenn der Radweg zugeparkt ist.
Die Überwachung des ruhenden Verkehrs ist ein kleiner Ausschnitt im Aufgabenspektrum der Berliner Polizei, wenn Sie das Personal zugunsten stärkerer Verkehrsmaßnahmen abziehen, fehlt es an anderer empfindlicher Stelle, etwa in der Kriminalitätsbekämpfung. Wir haben in Berlin für den ruhenden Verkehr eine Parallelzuständigkeit mit den Ordnungsämtern der Bezirke.
Die Einsatzleitzentrale muss solche Aufträge regelmäßig an die örtlichen Funkstreifen weiterleiten, weil die Streifen der Ordnungsämter ausgelastet sind. Und das Umsetzen von Fahrzeugen ist zeitaufwendig. Die Streifenführer müssen im Zweifel entscheiden, ob sie das Risiko eingehen können, dass in einem Abschnittsbereich mit mehr als 100.000 Einwohnern keine Funkstreife mehr zur Verfügung steht, weil sie ein Fahrzeug umsetzen. Das kann nicht richtig sein. Da nützen auch klare Geschäftsanweisungen wenig.
Soll heißen: Die Polizei resigniert?
Um Missverständnissen vorzubeugen, das Anliegen selbst, den ruhenden Verkehr zur Erhöhung der Verkehrssicherheit stärker zu überwachen, ist berechtigt. Als Berufsverband der Polizei verlangen wir dann aber das dafür nötige Personal. Meine Interessenvertretung geht für Berlin von einem Defizit von 7000 Polizeibeamten aus.
Die Verkehrsüberwachung steht und fällt mit den vorhandenen Einsatzkräften, die geltendes Recht durchsetzen. Da hat Berlin deutlichen Nachholbedarf, und ich wünsche mir da mehr Rückhalt aus der Politik. Ich hätte mir auch von der Behördenleitung gewünscht, dass der Mangel an Personal offener und ehrlicher thematisiert wird.
Die Beschwerdestelle des Präsidiums traf eine bemerkenswerte Aussage gegenüber Radaktivisten: Falschparker auf Radwegen seien nicht per se gefährlich, gefährlich sei die Lage durch Radfahrer selbst, wenn sie sich beim Ausweichen im Fließverkehr falsch verhalten. Die Polizei, Freund und Helfer nur der Autofahrer?
Über solche Formulierungen kann man trefflich streiten. Für die Behörde wie für jeden anderen gilt, dass nicht jede Kommunikation gelingt. Richtig ist, dass man nicht jeden Falschparker auf Radwegen per se umsetzen kann. Da muss der Kollege vor Ort jeden Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen. In diesem Fall hat die Beschwerdestelle völlig zutreffend ausgeführt, dass sich aus der allgemeinen Vorschriftenlage kein Rechtsanspruch zum Beispiel auf Umsetzung eines Fahrzeuges ableiten lässt.
Damit stoßen Sie allerdings bei einigen Fahrradaktivisten immer wieder auf Unverständnis. Einige Vertreter der Fahrradlobby sind sachlichen Argumenten nicht zugänglich. Da ist von „Kriegszuständen“ auf Berliner Straßen die Rede, und es werden zum Teil abstruse Feindbilder geschürt. Ich selbst fahre auch Rennrad und erlaube mir dennoch immer den Hinweis, dass Verkehrssicherheit nur dann gelingen kann, wenn sich alle an die Verkehrsregeln halten. Auch die Radfahrer.
Der Tagesspiegel hatte den Fall öffentlich gemacht, der ADFC protestierte. Polizeipräsidentin Barbara Slowik twitterte, sie teile die Sichtweise ihrer Beschwerdestelle nicht. Und sie lasse die internen Regelungen für das Abschleppen von Falschparkern konkretisieren. Manchmal muss die Chefin ran – oder nicht?
Über den Umgang der Behördenleitung mit der Beschwerde des ADFC bin ich nicht glücklich. Ein so nach außen getragener Dissens stellt die Akzeptanz polizeilicher Maßnahmen infrage. Bei der Verkehrsüberwachung werden die Kolleginnen und Kollegen ohnehin täglich mit fehlendem Verständnis konfrontiert.
Die Form der Kritik der Polizeipräsidentin via Twitter am eigenen Präsidium ist inakzeptabel. Überspitzt muss die Frage gestellt werden, ob die Behördenleiterin nun selbst Anlaufstelle für Beschwerden gegen ihre eigene Beschwerdestelle werden möchte. Eine Behörde wie die Berliner Polizei lässt sich so nicht führen.
Einspruch: Die Radfahrerstadt Berlin geht die Mobilitätswende an, für die Bürger ist es von Belang, wenn die Polizei Falschparker schützt und die Verantwortung den Radfahrern zuschiebt. Warum soll die Präsidentin da nicht eingreifen? Es geht um den Ruf der Behörde.
Das mag sein und ein selbstkritischer Blick ist kein Makel. Zugleich ist die Beschwerdestelle kein entlegener Winkel der Behörde, sondern direkt an die Leitung angegliedert. Wenn die Polizeipräsidentin mit einem persönlichen, wohl gut gemeinten Tweet ihrer Beschwerdestelle widerspricht, stellt sie damit die Abläufe und Strukturen infrage, für die sie selbst verantwortlich ist. Das ergibt nach außen wirklich kein gutes Bild.
Selbst Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, will die Straßenverkehrsordnung zugunsten des Fahrradverkehrs ändern: Mindestüberholabstand, generelles Halteverbot auf Schutzstreifen, höhere Bußgelder für Zweite-Reihe-Parker, Schutzzonen für Radler. Aus Ihrer Sicht umsetzbar?
Die Initiativen des Bundesverkehrsministers bewerten wir durchweg positiv. Der Straßenverkehr in Ballungszentren wie Berlin wird immer dichter. Es besteht Handlungsbedarf. Und gerade im Bereich von verkehrsgefährdendem Falschparken sind die Bußgelder im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr gering. Das Parken in zweiter Reihe auf dem Schutzstreifen für Radfahrer wird zur Zeit mit 25 Euro geahndet.
Viele Autofahrer sehen das als Kavaliersdelikt und nehmen den Betrag billigend in Kauf. Höhere Bußgelder wären ein deutliches Signal. Ob das allein die Verkehrssicherheit erhöht oder zu weniger Unfällen führt, bleibt abzuwarten. Nehmen Sie die Hauptverkehrsachsen in Spandau oder die Busspuren in Schöneberg. Dort werden täglich verkehrsbehindernd parkende Fahrzeuge in großer Zahl umgesetzt, ein anhaltender Lerneffekt bei den Fahrern bleibt allerdings aus. Höhere Strafen allein sind also keine Lösung.