Nach Nazi-Lob ihres Fraktionsvizes: AfD beklagt "Hasspropaganda" in Marzahn-Hellersdorf
Alles aus dem Zusammenhang gerissen? Die AfD in Berlin Marzahn-Hellersdorf verteidigt ihren Fraktionsvize - von dem sie sich nach dessen Lob für Holocaust-Organisator Reinhard Heydrich erst distanziert hatte.
Die AfD-Fraktion in der BVV Marzahn-Hellersdorf hat am Donnerstagabend Kritik an ihrem stellvertretenden Vorsitzenden Bernd Pachal scharf zurückgewiesen. Ihr zweiter Vize Werner Wiemann sprach von einer "Schmutzkampagne" gegen Pachal, der bei Facebook unter anderem mit einem lobenden Kommentar über den Holocaust-Organisator Reinhard Heydrich aufgefallen war. Dieser habe als Statthalter des Nazi-Regimes in Prag eine "kluge Politik" betrieben, schrieb Pachal. Seine Kritiker hätten "aufgrund von Bruchstücken auf Facebook-Seiten sozialistisches Gedankengut, genauer: in dessen nationalsozialistischer Variante, gesehen", sagte Parteifreund Wiemann in der BVV-Sitzung. Diese seien "aus dem Zusammenhang gerissen".
Die Vorwürfe der Bezirksverordneten Dmitri Geidel (SPD) und Björn Tielebein (Linke) bezeichnete Wiemann als "dreiste Unterstellungen" und "Hasspropaganda". Von Lob für Heydrich zu reden, sei "Blödsinn". Die Fraktion habe mit Pachal eingehend gesprochen, seit die Kritik Mitte Dezember bekannt geworden sei. "Er steht voll auf dem Boden des Grundgesetzes und bedauert, wenn seine Äußerungen falsch aufgefasst wurden", sagte Wiemann. "Auch in Zukunft werden wir Menschen, wenn sie sich gedanklich auf Irrwege begeben haben sollten, nicht ausgrenzen, sondern mit ihnen reden."
Geidel und Tielebein hatten in der letzten BVV-Sitzung am 10. Dezember die Äußerungen Pachals kritisiert. Die Demokraten in der AfD sollten sich von Pachal trennen, forderte Geidel. Eine Woche später teilte die Fraktion mit, sie distanziere sich "ausdrücklich und vollumfänglich" von den Zitaten Pachals und werde sich in der BVV-Sitzung im Januar äußern. Vor zehn Tagen wollte sie ihn dann zum Vorsitzenden des Ausschusses für Sicherheit, Ordnung und Bürgerdienste wählen lassen - was die anderen Parteien jedoch verhinderten. Wann die Gespräche mit Pachal stattgefunden haben und warum die Fraktion sich nicht schon bis zu ihrer ersten Stellungnahme von dessen Standpunkt überzeugen konnte, sagte Wiemann am Donnerstag nicht.
Facebook-Hetze "aufregend wie ein Loch im Strumpf"
Dafür ging er noch auf einen anderen Fall ein, der öffentliche Kritik nach sich gezogen hatte. Die AfD hatte nach einem Weihnachtsmarkt in Kaulsdorf ein Video auf der Facebook-Seite ihres Bezirksverbandes hochgeladen. Darin war ein arabischer Musikbeitrag zu sehen. "Früher gingen die Weihnachtslieder aber anders", unkte die Partei. "Aber eine Islamisierung findet ja nicht statt."
Das Video wurde zehntausendfach aufgerufen und hunderte Male kommentiert. Viele luden ihren Hass auf Muslime ab. "Schmeiß die puchmuchten raus,das ist unser Land", schrieb "Siegfried Brandt". Nutzer "Stefan Aramon Hahn" warnte vor einer "Ausrottung der deutschen Kultur". Und "Matze Peng" wünschte sich Neonazis herbei: "Alter, vor zwanzig Jahren hätten erstmal hundert Glatzen die Bühne dafür zerlegt. Und heute? Tanzen Zecken und Hipster sich einen zu ab."
Fraktionsvize Wiemann nannte die Anmoderation des AfD-Posts am Donnerstag eine "irritierte Bemerkung", die er nicht überbewertet wissen wollte. "Das ist so aufregend wie ein Loch im Strumpf", sagte er in der BVV. "Die Welt geht doch durch einige solcher Kommentare auf Facebook-Seiten nicht unter." Und dann zitierte Wiemann noch Shakespeare: "Viel Lärm um Nichts."