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U2-Sänger Bono am Donnerstag in Berlin auf der innocence and eXperience-Tour 2015.
© DAVIDS/Sven Darmer
Update

U2 live in Berlin: Achtung Botschaft

Mit einem Megaspekakel in der Großarena am Ostbahnhof eröffnen U2 ihre viertägige Konzertreihe in Berlin - umjubelt von tausenden Fans.

Bono ist jetzt blond. Besonders gut steht ihm das nicht, es wirkt irgendwie geckenhaft. Aber ein Hingucker ist die helle Tolle des 55-Jährigen natürlich trotzdem. Und darum geht es ja im Pop: auffallen, überraschen, irritieren. Das können U2, die ihre Karriere vor bald 40 Jahren unter dem Namen The Hype starteten, immer noch – sogar ganz ohne Sex- oder Drogenskandale. Stattdessen inszenieren sie Coups wie die unangekündigte Gratis-Veröffentlichung ihres Albums „Songs Of Innocence“ für Apple-Nutzer im letzten Jahr.
Die Aktion brachte U2 nach Branchenschätzungen rund 100 Millionen Dollar ein, etwa 80 Millionen Menschen sollen zumindest einmal reingehört haben in das 13. Studioalbum des Quartetts aus Dublin. Es gab allerdings auch viel Kritik, selbst Herbert Grönemeyer hackte auf den Kollegen herum. Die Musik selber geriet bei dem ganzen Getöse, zu dem auch eine Entschuldigung der Band gehörte, etwas in den Hintergrund. Dass sie trotz kaum erkennbarer Hits etwas taugt, will die Band nun auf ihrer mehrmonatigen Welttournee beweisen, bei der sie unter anderem schon vier Mal den Madison Square Garden in New York ausverkauft hat. Für ihre vier Auftritte in Berlin gibt es ebenfalls keine Karten mehr, der Laden ist bis unters Dach voll.

Zur Premiere läuft Bono mit hochgereckter Faust zu den letzten Takten von Patti Smith’ „People Have The Power“ wie ein Boxer in die Großarena am Ostbahnhof ein. Der Kämpfer für eine bessere Welt ruft das Volk zum Mitmachen auf. Subtilität war seine Sache nie. Knallig geht es dann auch gleich weiter mit „The Miracle (Of Joey Ramone“), dem Eröffnungsstück des aktuellen Albums. Gitarrist The Edge schleudert den ersten Akkord wie einen Metallsplitter durch den Raum, und Bono lässt für den Oh-hohoho-Chor im vollen Vertrauen auf die Fans das Mikro sinken. Als die Hookline prompt aus tausenden von Kehlen erschallt, breitet der Sänger die Arme aus, als wolle er sagen: Siehste, klappt doch, ist ein Hit.

"Berlin, ick habe dich vermisst", sagt Bono zur Begrüßung

Die erste Hälfte des zweieinhalbstündigen Konzertes führt wie „Songs Of Innocence“ zurück in die Jugendzeit der Band. Bono widmet „Iris (Hold Me Close)“ seiner früh verstorbenen Mutter. Auf der Videowand sind alte Bilder von ihr zu sehen. Kurz danach lässt The Edge das an Led Zeppelin erinnernde Riff von „Cedarwood Road“ aufheulen. Das Lied ist nach der Straße in Dublin benannt, in der Bono aufwuchs. Auch sie wird mittels der spektakulären Videowände visualisiert, die über dem Laufsteg hängen. Dieser verbindet die beiden mitten in der Halle stehenden Bühnen, zwischen denen die Musiker immer wieder pendelt. Ihre Performance wirkt dadurch dynamisch und suggeriert Nähe zum Publikum – allerdings entgehen den Fans an den Kopfseiten der Halle die meisten Effekte. Etwa, dass aus den Videowänden einmal die Berliner Mauer wird, auf der deutsche Wörter und Nonsense-Sprüche („Sieh mehr fern“) aufleuchten. Ein paar ernst gemeinte Botschaften hat Bono natürlich auch dabei. In einem netten Deutsch-Englisch-Mix begrüßt er die Fans und sagt: „Berlin, ick habe dich vermisst“.

Seit die Band 1990/91 ihr Album „Achtung Baby“ hier aufnahm, fühlt sie sich der Stadt verbunden, sind oft in Berlin aufgetreten. Ein paar Mal nennt Bono sie auch „the beating heart of Europe“ und meint damit wohl den herzlichen Empfang der Flüchtlinge, für den er sich bedankt. „Refugees welcome“ steht auf der Leinwand , was abrupt von Illustrationen zu AIDS-Medikamenten für Schwangere abgelöst wird. Bono liegen viele Themen am Herzen, da muss man schnell umschalten. Auch Stephen Hawkings Roboterstimme darf etwas über Frieden und Engagement beitragen.

Der Mikroständer wird zum Raketenwerfer

Zum Mash-Up-Inferno entwickeln sich die Klavierballade „October“ bei der Videobilder zerstörter Städte (Gaza? Syrien?) gezeigt werden, und „Bullet In The Blue Sky“, bei dem Bono kurz die „Ode an die Freude“ zitiert, während im Meer treibende Schiffbrüchige zu sehen sind, die wie die Sterne der EU-Flagge angeordnet sind. Im explosiven Finale schultert der Sänger den Mikrofonständer wie einen Raketenwerfer und feuert in die Menge. Leider hat Bono seine Stimmpower inzwischen etwas verballert. Während des Hit- Pakets aus „Where The Streets Have No Name“, „Pride“ und „With Or Without You“ wirkt er kurzatmig und spricht einige Zeilen mehr, als dass er sie singt. Bei den Jubelrefrains hilft ihm das frenetisch mitsingende Publikum. Auch The Edge ist per Mikroport zugeschaltet, wobei der Mann mit der Mütze natürlich vor allem durch sein flirrendes Gitarrenspiel beeindruckt. Er bringt „Pride (In The Name Of Love)“ schon im Intro so sehr zum Leuchten, dass er Bonos fehlende Intensität fast vergessen macht. Beim abschließenden „One“ überlässt der Frontmann den Gesang dann fast komplett den Fans. Bisschen ausruhen – die Tour ist noch lang.

Nadine Lange

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