Trauern in Zeiten von Corona: Abschiednehmen ohne menschliche Nähe
Keine großen Beerdigungen, geschlossene Trauerhallen und Friedhofskapellen: So müssen Menschen in Zeiten der Pandemie ihre Angehörigen zur letzten Ruhe geleiten.
In Zeiten der Trauer ist eigentlich nichts wichtiger als menschliche Nähe und Beistand. Aber gerade das wird angesichts der Coronavirus-Pandemie immer unmöglicher, das Abschiednehmen wird schwieriger. Noch ist erst ein am Coronavirus infizierter Mensch in Berlin gestorben. Aber auch ohne die Pandemie gibt es in Berlin pro Woche mehrere Hundert Todesfälle. Jährlich sterben in der Stadt laut Statistikamt rund 35 000 Menschen.
Mitte der Woche informierten die Friedhofsverwaltungen in Marzahn-Hellersdorf, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Steglitz-Zehlendorf die Bestattungsunternehmen, dass auf den städtischen Friedhöfen die Kapellen und Trauerhallen vorerst geschlossen bleiben.
Es sollen nur noch die engsten Hinterbliebenen kommen, und seit Sonnabend dürfen nicht mehr als zehn Menschen anwesend sein, so wie auch bei allen anderen Veranstaltungen in Berlin. Die Trauergäste müssen ihre Namen in eine Liste eintragen, die nach vier Wochen vernichtet werden kann.
Gäste müssen 1,50 Meter Abstand halten
Die Regelungen gälten auch auf den landeseigenen Friedhöfen der anderen Bezirke, nur hätten diese es bisher nicht kommuniziert, sagt Michael Steer, Assistent der Geschäftsführung des Bestattungsinstituts Hahn in Mariendorf, das 1851 gegründet wurde und seit nunmehr sechs Generationen von der Familie geführt wird. Auf den meisten kirchlichen Friedhöfen bleiben jetzt ebenfalls die Kapellen geschlossen; in einigen wenigen können noch Trauerfeiern drinnen stattfinden. Aber nur wenn die Gäste im vorgeschriebenen Abstand von 1,50 bis zwei Meter zueinander sitzen.
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Wie Steer sagt, hängt es von den örtlichen Gegebenheiten ab, wie und ob eine Trauerfeier im Freien stattfinden kann. Auf manchen Friedhöfen gebe es eine überdachte Fläche vor der Trauerhalle.
Dort könne man bei gutem Wetter eine kleine Trauerfeier veranstalten, eventuell sogar auch Musik in gedämpfter Lautstärke spielen, sagt Steer.
Gefeiert werden darf nur draußen
„Trauerfeiern finden statt“, bestätigt auch der Superintendent der evangelischen Kirche in Tempelhof-Schöneberg, Michael Raddatz, über die Möglichkeiten der Beerdigungen in seinem Kirchenkreis. Meist draußen mit den gültigen Einschränkungen, einige Kapellen seien noch geöffnet. „Mit den Angehörigen muss man klare Regelungen treffen“, sagt Raddatz. Für viele Menschen seien die seelsorgerische Begleitung und die kirchlichen Rituale wichtig.
Burkhard Bornemann ist Pfarrer der Zwölf-Apostel-Gemeinde in Schöneberg, zu der drei Kirchhöfe gehören.
Er machte in den letzten Tagen die Erfahrung, dass es zwar einige Verlegungen für Trauerfeiern gab; aber vor allem enge Angehörige der Verstorbenen wollten trotz der Einschränkungen an Beisetzung und Trauerfeier festhalten. „Sie brauchen das auch, um abschließen zu können“, sagt Bornemann. Ohnehin kämen zu vielen Beerdigungen nicht mehr als sieben bis 15 Menschen.
Die Regelungen können sich jederzeit verschärfen
In seiner Gemeinde war eine Trauerfeier für ein Gemeindemitglied geplant, das fest in der Gemeinde verwurzelt war und in diesem Kreis die meisten Bindungen hatte. Es sollte anschließend ein Beisammensein in größerer Runde geben, Luftballons sollten in den Himmel steigen. Die Feier wurde verschoben. Gerade ältere Menschen, die zur Risikogruppe zählen, hätten sich andernfalls verpflichtet gesehen, zur Trauerfeier zu kommen, sagt Bornemann.
Hinterbliebenen bietet er noch persönliche Trauergespräche an und nicht nur telefonische. Die Räume der Gemeinde böten so viel Platz, in gebührendem Abstand voneinander sitzen zu können. Der Sprecher des katholischen Erzbistums, Stefan Förner, sagt, dass es weiter einen würdigen Rahmen für Bestattungen geben müsse, auch wenn die Kapelle gesperrt sei. Die Begleitung erfolge nach katholischem Ritus, auch wenn es vielleicht irgendwann nur direkt am Grab ist.
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Wie lange es noch Beisetzungen zu diesen Bedingungen gibt, ist unklar. Die Regelungen können sich jederzeit ändern. Diese Erfahrung macht das Bestattungsinstitut Hahn derzeit beinahe täglich: Am Freitag waren eine Beisetzung und Trauerfeier auf einem katholischen Friedhof geplant. Am Vortag gab es noch die Auskunft, dass die Kapelle genutzt werden könne. Am Tag der Beerdigung war sie geschlossen, der Priester abbestellt. Es war nur eine kleine Trauergesellschaft. Am Grab sprach dann der Bestatter das „Vaterunser“ und einen Psalm. Zudem berichtet Steer, dass manche Friedhöfe nur noch kurz für eine Beisetzung geöffnet werden, ansonsten aber für Besucher gesperrt sind, Menschen nicht mehr zum Grab ihrer Angehörigen können.
Urnenbeisetzungen wurden verschoben
Die ersten Aufschiebungen von Beerdigungen hat es auch schon gegeben. „Wir haben in der Region Süd für die kommenden zwei Wochen die Urnenbeisetzungen ausgesetzt“, sagt der Geschäftsführer des Evangelischen Friedhofsverbands Berlin-Stadtmitte, Tillmann Wagner. Der Verband verwaltet – unterteilt in die drei Regionen Nord, Ost und Süd – rund 40 evangelische Friedhöfe, die nicht mehr in Trägerschaft der Gemeinden sind. Betroffen sind jetzt 18 Friedhöfe in Mariendorf, Kreuzberg und Neukölln. Es gehe zum einen darum, Mitarbeiter zu schützen. Zum anderen gebe es derzeit einen hohen Krankenstand, sagt Steer. Erdbestattungen werde es in dieser Zeit allerdings auch in der Region Süd geben; diese müssten nicht verschoben werden. Nach dem jetzigen Stand sollen auf den Kirchhöfen der Region Süd vom 6. April an auch wieder Urnenbeisetzungen stattfinden.
Bestatter Steer hat jetzt die schwierige Aufgabe, Angehörigen zu erklären, dass die Beerdigung auf dem Friedhof nicht stattfinden wird. Keine leichte Situation für die Hinterbliebenen, die eingeladene Trauergäste ausladen oder Bestellungen für Blumenschmuck stornieren müssen. Wann werden sie endgültig von ihren Lieben Abschied nehmen können? Das ist unklar. Denn Termine kann der Bestatter noch nicht nennen.
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