Wie bleibt das Parlament beschlussfähig?: Abgeordnetenhaus soll wegen Coronakrise Berlins Verfassung ändern
Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, macht Vorschläge, wie das Parlament beschlussfähig bleiben kann. Dazu tagt am Montag der Ältestenrat.
Das Berliner Abgeordnetenhaus will die Landesverfassung ändern, damit es in Zeiten von Coronavirus-Infektionen beschlussfähig bleibt. Das geht aus einem Brief des Parlamentspräsidenten Ralf Wieland (SPD) hervor, den er an die Geschäftsführer der Fraktionen sowie den Ältestenrat adressiert hat. Der Brief liegt dem Tagesspiegel vor. Er enthält weitere Vorschläge des Präsidenten, die am Montagnachmittag in einer Sitzung des Ältestenrates besprochen und beschlossen werden sollen (alle aktuellen Entwicklungen zur Krise auch im Newsblog für Berlin).
Präsident Ralf Wieland begründet seine Vorschläge damit, dass es eben nicht vorhersehbar sei, welche und wie viele Abgeordnete durch das Coronavirus zeitweise oder gar auf Dauer in ihrer Handlungsfähigkeit beeinträchtigt würden. Das Gleiche gelte für die Frage der Dauer der besonderen Situation insgesamt.
Die Einsetzung eines Notparlaments, die immer wieder diskutiert wurde, bleibt damit erstmal vom Tisch. Bislang sind zwei Fälle bekannt, in denen sich Abgeordnete mit dem Coronavirus infiziert hatten.
Die Verfassungsänderung sei „minimal“, heißt es in dem Schreiben. Die Aussage des Artikel 43 Absatz 1 der Verfassung von Berlin, wonach das Abgeordnetenhaus beschlussfähig ist, wenn mehr als die Hälfte der gewählten Abgeordneten anwesend ist, soll gestrichen werden. Derzeit ist die Beschlussfähigkeit, da es 160 Abgeordnete gibt, bei 81 Anwesenden im Plenum gegeben.
Durch eine Änderung könnte die Mindestanzahl zur Beschlussfähigkeit herabgesetzt werden, im Plenum sowie in den Ausschüssen. „Diese Verfassungsänderung ist minimal, weil sie einen Verfassungszustand herstellt, den das Grundgesetz und andere Landesverfassungen kennen. Abgeordnetenrechte werden nicht eingeschränkt“, heißt es in dem Schreiben von Ralf Wieland, der dem Ältestenrat am Montag einen entsprechenden Antragsvorwurf vorlegen will.
Die Änderung braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament
Die Umsetzung der Verfassungsänderung erfordere die Durchführung von zwei Lesungen in zwei verschiedenen Plenarsitzungen und die Zustimmung von 107 Mitgliedern des Hauses in der zweiten Lesung. Regulär soll das Abgeordnetenhaus am kommenden Donnerstag und am 30. April tagen.
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Am Tag der zweiten Lesung könne die dazugehörige Regelung der Geschäftsordnung für die besondere Situation der Covid-19-Lage unmittelbar nach der Änderung der Verfassung beschlossen werden. Sie würde nach formgerechter Verkündung der Verfassungsänderung wirksam.
Die Vorbilder: Brandenburg und der Bundestag
„Wir würden uns an dem Beispiel des Landes Brandenburg und auch am Beispiel des Deutschen Bundestages orientieren. Das Plenum und auch die Ausschüsse blieben handlungsfähig. Die Regelung aus Brandenburg hat den Vorzug, dass dort nur dann Beschlüsse gefasst werden, wenn durch Anwesenheit aller Fraktionen die Stärkerelation der Fraktionen gespiegelt wird“, konkretisiert Wieland. Hierdurch würden die Vorgaben der Berliner Verfassung oder gesetzliche Vorgaben zu bestimmten Mehrheitserfordernissen nicht geändert.
Für weitere gravierende Änderungen – etwa für eine erneute Verfassungsänderungen oder die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode müsste weiterhin eine Mehrheit von zwei Dritteln der gewählten Mitglieder (d.h. die Zustimmung von 107 Mitgliedern) vorliegen.
Ausschüsse sollen temporär auf elf Mitglieder verkleinert werden
Ein weiterer Vorschlag ist die befristete Verkleinerung aller Ausschüsse auf elf Mitglieder. Im Schreiben heißt es: „Es sind 11 Mitglieder erforderlich, damit die kleinste Fraktion durch ein reguläres Mitglied in einem Ausschuss vertreten ist. In der Plenarsitzung am 2.4.2020 könnte durch dringlichen Antrag aller Fraktionen ein Beschluss dahin gehend gefasst werden, dass aus Anlass der Covid-19-Situation alle Ausschüsse, die mehr als 11 Mitglieder haben, auf die Mitgliederzahl von 11 gesetzt werden.“
Die Maßnahme solle nur bis zum Ende der Krisensituation gelten, längstens bis zum 15. Juni 2020, wenn die Parlamentspause beginnt. Den übrigen bisherigen Mitgliedern der Ausschüsse sollen alle Unterlagen vollumfänglich zur Verfügung gestellt werden. Mit Ausnahme der Untersuchungsausschüsse und des Ausschusses für Verfassungsschutz gelte die freie Vertretung.
Außerdem sollen Redezeiten verkürzt werden und die Tagesordnung im Plenum flexibler gestaltet werden. In den Ausschüssen und Gremien soll eine Zuschaltung der Mitglieder per Telefonschalte oder Videokonferenztechnik - soweit technisch umsetzbar, heißt es - ermöglicht werden. Die Öffentlichkeit soll per Audiostreaming und durch die Anwesenheit der Presse hergestellt werden.
Alle diesen Vorschlägen muss der Ältestenrat zunächst einmal der Ältestenrat am Montag zustimmen. Wobei bereits vor einigen Tagen zu hören war, dass es in der Frage der Erhaltung der Beschlussfähigkeit vor allem um ein „gutes Miteinander“ gehe.
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