Senat in Berlin zahlt 200 Millionen für Asylbewerber: Abgeordnetenhaus: "Flüchtlinge sind willkommen"
Was kostet es Berlin eigentlich, Flüchtlinge zu versorgen? Der Senat hat mal nachgerechnet. Am Donnerstag hat das Abgeordnetenhaus eine Resolution unter dem Motto "Flüchtlinge sind willkommen" verabschiedet.
Für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen und Asylbewerbern gibt der Senat in diesem Jahr fast 200 Millionen Euro aus. Davon entfallen 128,5 Millionen Euro auf Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und 42,6 Millionen Euro auf Wohncontainer. Außerdem braucht das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) mehr Personal, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Ab Dezember solle die Behörde 15 weitere Stellen erhalten, sagte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Mittwoch. Zusätzlich werde es 27 Mitarbeiter mit befristeten Stellen geben.
Vertreter der Gewerkschaft Verdi und des Lageso-Personalrats sagten in einer Anhörung im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses, dass die mit der Betreuung der Flüchtlinge beauftragten Beschäftigten unter erheblicher Arbeitsüberlastung litten. Es werde dringend zusätzliches Personal gebraucht. Weil es insgesamt um viel Geld geht, befasste sich der Hauptausschuss am Mittwoch ausführlich mit dem Thema.
2014 braucht das Lageso 13.700 Plätze - geplant waren 8.200
Die Haushälter des Parlaments gaben auch finanzielle Mittel frei für die „Untersuchung und Bewertung des Verwaltungshandelns des Lageso“ durch ein externes Prüfungsunternehmen. Es geht darum, öffentlich erhobene Vorwürfe zu klären, nach denen die Behörde bei der Auswahl der Betreiber von Flüchtlingsunterkünften und dem Abschluss von Verträgen nicht korrekt vorgegangen sei. Vor allem wird der Frage nachgegangen, ob die privaten Betreiber Gierso und Pewobe möglicherweise bevorzugt wurden. Die Gesundheitsverwaltung stellte am Mittwoch einen dreiseitigen Fragenkatalog vor, der von den Prüfern abzuarbeiten ist.
Bis zum Jahresende muss das Lageso, so die amtliche Prognose, rund 13 700 Plätze für Flüchtlinge und Asylbewerber zur Verfügung stellen. Anfang 2014 waren es noch 8200 Plätze. Um mit dieser „dramatischen Situation“ fertig zu werden, wie es in einem Konzept der Sozialverwaltung an den Hauptausschuss heißt, müssten kurzfristig 2200 neue Plätze geschaffen werden, und zwar in „modularen Flüchtlingseinrichtungen“ – also wie berichtet in Wohncontainern mit Strom, Heizung und fließendem Wasser. An sechs bis acht Standorte auf landeseigenen Grundstücken ist gedacht.
Leer stehende Gebäude sollen ertüchtigt werden
Bei einer zügigen Bestellung, so kündigte die Sozialbehörde an, könnten die Container mit einer Lebensdauer von zehn Jahren „in rund acht bis zwölf Wochen geliefert und aufgestellt“ werden. 31 Unternehmen wurden gebeten, ein Angebot abzugeben. Das Vergabeverfahren läuft noch. In einem einstimmigen Beschluss, der auf Initiative der Opposition zustande kam, forderte der Hauptausschuss den Senat am Mittwoch auf, „jeweils ausreichend Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern zur Verfügung zu stellen, die den Qualitätsanforderungen entsprechen“.
Aktivitäten zur „Schaffung standardisierter Wohnappartements“ unter Einbindung der Bezirke würden vom Parlament nachhaltig unterstützt. Leer stehende Gebäude sollten mittelfristig ertüchtigt und die zunehmend erfolgreiche Zusammenarbeit von Lageso und städtischen Wohnungsunternehmen zur Überlassung von Wohnungen solle intensiviert werden. Außerdem müssten Senat und Bezirke die Kitabetreuung und Beschulung von Flüchtlingskindern absichern.
Die Piraten fordern neue Gespräche mit O-Platz-Flüchtlingen
Auch das Abgeordnetenhaus wird am heutigen Donnerstag über die Flüchtlingspolitik debattieren. Die Piraten haben das Thema unter dem Motto „Keine faulen Scheinlösungen – Gespräche mit den Refugees am Oranienplatz wieder aufnehmen, Wort halten, Flüchtlinge schützen“ für den Nachmittag auf die Tagesordnung gehoben. Alle fünf Fraktionen verabschiedeten zu Beginn der Abgeordnetenhaussitzung eine gemeinsame Resolution. „Flüchtlinge sind willkommen – Berlin tritt ein gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ lautet die Entschließung, die Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) vorlas. Mit Sorge sehe man die Zunahme rechtsextremistisch gesteuerter Demonstrationen gegen Flüchtlinge. „Rechtspopulisten und Rechtsextremisten instrumentalisieren die Unterbringung von Flüchtlingen und nutzen Befürchtungen der Bevölkerung für ihre Zwecke“, heißt es.
Das Abgeordnetenhaus ruft die Berliner auf, sich „menschenverachtender Propaganda und fremdendfeindlicher Hetze entgegenzustellen und friedlich dagegen zu protestieren“. Die Aufnahme von Flüchtlingen sei nicht nur eine humanitäre Notwendigkeit, sondern auch eine rechtliche Verpflichtung. Das Verfassungsrecht auf Asyl sei „eine Lehre aus den Erfahrungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und Konsens aller Demokraten in unserem Land“.
Die Flüchtlinge hätten ein Recht auf menschenwürdige Unterbringung. Dazu gehöre es, neue Unterkünfte einzurichten. „Wir setzen dabei auch auf die Solidarität und die Unterstützung der Berliner.“ Viele Menschen würden sich solidarisieren und deutlich machen, dass Flüchtlinge in Berlin willkommen seien.
Wegen der Gründung eines „Berliner Beirats für Zusammenhalt“, in dem auch der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) sitzt, kam es am Dienstag in der Senatssitzung zu einem Disput zwischen dem Regierungschef Klaus Wowereit und Senator Czaja, der den Beirat eingerichtet hat. Wowereit warnte davor, politische Verantwortung in überparteilichen Gremien zu delegieren. Czaja konterte kühl. Seine Botschaft: Das Flüchtlingsproblem in Berlin gehe alle an.