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Friede den Hütten, Krieg den Palästen, steht auf einem Transparent an einem Haus in Berlin-Friedrichshain.
© imago/Winfried Rothermel

Besetzte Häuser, Kneipen, Jugendclubs: 86 Prominente solidarisieren sich mit linken Projekten in Berlin

Von Räumung bedrohte linke und linksautonome Projekte haben die Initiative „Kein Haus weniger“ gegen Verdrängung gegründet – und erhalten breiten Zuspruch.

Was wäre Berlin ohne alternative Haus- und Kulturprojekte? „Lediglich die Stadt, in der mal die Mauer stand“, finden mehr als 140 Hauskollektive, Projekträume, Kiezkneipen, Wagenplätze und Jugendclubs aus dem linken und linksautonomen Spektrum. Gemeinsam haben sie die Initiative „Kein Haus weniger“ gegründet, die sich für den Erhalt bedrohter Projekte in Berlin einsetzt. Am Montag wurde sie von mehreren Vertretern bei einem Pressetermin im Berliner Ensemble vorgestellt.

Um diese Orte zu schützen, die viele der Anwesenden auch als „ihre Existenz“ bezeichnen, seien auch drastische Methoden nötig: „Wer kein Gehör findet und unbeachtet bleibt, muss sich selbst Gehör verschaffen“, sagte der Vertreter eines der Projekte. Wer immer eine Immobilie kaufe, in der sich ein linkes Projekt befinde, kaufe auch Probleme, ergänzte ein weiterer. „Wir bleiben Risikokapital.“

Dass die Aktivisten diese Äußerung durchaus ernst meinen, zeigten mutmaßliche Angriffe von Linksextremisten auf Polizisten in der Rigaer Straße in der Nacht zu Montag. Laut Polizeiangaben seien Einsatzkräfte zu einem Feuer auf dem sogenannten „Dorfplatz“ vor dem selbsterklärten „anarcha-queer-feministischen“ Hausprojekt „Liebig 34“ gerufen worden und anschließend, als sie die anwesenden Personen in das Hausprojekt verfolgen wollten, mit Feuerlöschpulver attackiert worden sein. Dabei seien zwei Polizisten leicht verletzt worden.

„Eine Stadt wie Berlin braucht Freiräume. Diese Freiräume dürfen aber keine Räume sein, von denen Gewalt ausgeht. Freiräume sind keine rechtsfreien Räume“, sagte Martin Pallgen, Sprecher der Senatsinnenverwaltung, dem Tagesspiegel.

"Kein Haus weniger" fordern auch 86 Künstler

„Kein Haus weniger“ fordern allerdings nicht nur die bedrohten Projekte selbst, sondern auch insgesamt 86 Künstler, Wissenschaftler, Autoren und Kulturschaffende. Musiker wie Dirk von Lotzow, Nina Hagen und die Band Element of Crime; Autoren wie Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, Wladimir Kaminer, Marc-Uwe Kling und der Journalist Günter Wallraff oder auch Theaterintendanten und Regisseure wie Thomas Oberender, Thomas Ostermeier, Leander Haußmann und René Pollesch zählen zu den Unterzeichnern des offenen Briefes der Initiative.

Milo Rau: Gemeinsam selbstbestimmt leben sei nicht „linksradikal“

„Der Kapitalismus ist existenzfeindlich und antiliberal, weshalb er reformiert oder noch besser abgeschafft gehört - und das wird er auch bald“, schrieb der schweizer Theaterregisseur Milo Rau am Dienstag dem Tagesspiegel. „Aber bis es soweit ist, unterstütze ich jede*n Hausbesetzer*in. Verteidigt kollektiven Wohnraum gegen Spekulanten!“ Gemeinsam selbstbestimmt leben sei nicht „linksradikal“, sondern ein „physisches, soziales und emotionales Grundnahrungsmittel", das nicht den Marktgesetzen unterliegen sollte. Rau unterstütze deshalb die Berliner Liebig34, „so wie alle ähnlichen Wohnprojekte in allen Ländern. Rau selbst ist Mitgründer der „Häuser der Würde“ in Süditalien, ein von Geflüchteten im Anschluss an „Die Revolte der Würde“ besetzte und unterdessen anerkannte Häuser. Ab März 2020 inszeniert Rau gemeinsam mit der brasilianischen Landlosenbewegung auf einer besetzen Plantage die Antigone des Sophokles.

„Wir fordern, dass der Senat sich endlich nicht mehr nur für bedrohte Clubs einsetzt, sondern auch für nichtkommerzielle Projekte“, sagt Marian Koyne von „Kein Haus weniger“. Entstanden sei die Initiative aus einem Zusammenschluss verschiedener Aktivisten heraus, die zum größten Teil nicht selbst Teil der bedrohten Projekte sind.

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Die Initiative setzt sich auch für den Erhalt des Friedrichshainer Hausprojekts „Liebig 34“ und weitere von Verdrängung bedrohte Projekte ein, darunter die Jugendzentren Potse und Drugstore, Kiezkneipen wie das Neuköllner „Syndikat“ und das Wohnprojekt und Kulturzentrum „Köpi“. „Es geht uns nicht nur um günstiges Bier, sondern auch um kollektive Orte, in denen Wissen weitergegeben und Menschen politisiert werden“, sagte etwa ein als Pirat verkleideter Vertreter der Kreuzberger Kneipe „Meuterei“ bei der Pressekonferenz. Die bedrohten Projekte seien Rückzugsorte für Menschen, die im Alltag Diskriminierung ausgesetzt seien.

Über die Räumung des Hausprojektes "Liebig 34" wird am 30. Januar vor Gericht verhandelt.
Über die Räumung des Hausprojektes "Liebig 34" wird am 30. Januar vor Gericht verhandelt.
© imago/Schöning

Zu den Forderungen der Initiative zählen, neben einem Bestandsschutz für alle sozialen und kulturellen Projekte und einem wirksamen Schutz von Gewerberäumen, auch die sofortige Aussetzung aller Zwangsräumungen. Außerdem soll die sogenannte „Berliner Linie“ abgeschafft werden. Dabei handelt es sich um eine Verordnung aus dem Jahr 1981, die regelt, dass in Berlin neu besetzte Häuser innerhalb von 24 Stunden nach Bekanntwerden der Besetzung geräumt werden. Stattdessen sollen Besetzer straffrei bleiben – und die bereits besetzten Häuser vergesellschaftet werden.

Kultursenator Klaus Lederer hat "große Sympathie" für Initiative

Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) erklärte auf Anfrage, dass er „große Sympathie“ für die Initiative habe. Die genannten alternativen Haus- und Kulturprojekte seien „fester Bestandteil dessen, was Berlin, seinen Ruf und seine Kulturszene ausmacht. Der Verdrängungsdruck bedroht die kulturelle Vielfalt in der Stadt. Und mit ihr das markante Gesicht Berlins.“ Diese Gefahr abzuwenden, sei auch sein Anliegen.

Allerdings hätten sich die Zeiten geändert: „Wir leben nicht mehr in den 90er Jahren, wo sich jeder einfach in den existierenden Raum reingesetzt hat, und sein Projekt begonnen hat.“ Inzwischen stehe die Stadt unter einem hohen Druck, sie wachse, es gebe Konflikte um Nutzungen. „Die Kapitalisierung des Immobiliensektors führt zu Verdrängungsprozessen“, teilte Lederer mit.

Um dem entgegen zu wirken, forderte er mehr rechtliche Handhabe. Wie auch die Initiative spricht er sich für einen wirksamen Schutz vor Verdrängung für soziale und kulturelle Einrichtungen im Gewerbemietrecht aus. Die Bundesregierung müsse nun endlich auf eine Bundesratsinitiative des Berliner Senats reagieren, die eine Begrenzung der Gewerbemieten festlegen will.

„Die Geschichte der Besetzungen in Berlin ist eine Erfolgsgeschichte“, las Aktivist Marian Koyne aus einem Statement der Initiative vor. Diese Erfolge müssten nun gewürdigt werden, betonte er. Dafür wollen die bedrohten Projekte kämpfen – unter dem Motto: „Nicht nur kein Haus weniger, sondern viele Häuser mehr.“

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