zum Hauptinhalt
Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) bei der Kundgebung gegen den Verkauf von 500 Sozialwohnungen (rechts) in der südlichen Friedrichstadt.
© Laura Hofmann
Update

Berlin-Kreuzberg: 500 Sozialwohnungen werden verkauft

Die Wohnungen von 1500 Mietern wechseln den Besitzer. Die Verhandlungen mit der Gewobag waren am Donnerstag geplatzt, sollen nun aber wieder aufgenommen werden.

Von Laura Hofmann

In Kreuzberg sollen 517 Sozialwohnungen verkauft werden - offenbar höchstbietend, an Investoren. Für die 1500 Mieterinnen und Mieter des 70er-Jahre-Blocks zwischen Friedrichstraße und Wilhelmstraße ist es ein Schock: Am Donnerstag wurde bekannt, dass der Verkauf an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag geplatzt ist.

Mieter fürchteten, dass stattdessen die Deutsche Wohnen zum Zug kommt: jenes Wohnungsunternehmen, das wegen seiner Mietenpolitik immer wieder kritisiert wird und das eine Initiative deshalb sogar enteignen möchte. Doch am Freitagmittag meldete der Konzern, an einem Kauf des Häuserblocks "definitiv nicht interessiert" zu sein. Der Unmut richte sich gegen die Falschen.

Einige Bewohner hatten zuvor berichtet, dass Mitarbeiter der Deutschen Wohnen sich im Block umgesehen hätten. Auch Kreuzberger Politiker hatten vor einem Kauf durch die Deutsche Wohnen gewarnt. Noch wohnt die bunt gemischte Häusergemeinschaft, zu der viele Türken, Araber, Perser, zahlreiche ältere Menschen, aber auch viele Familien und einige WGs gehören, zu Preisen unter dem Mietspiegel.

Dieser Wohnblock aus den 70er-Jahren steht zum Verkauf.
Dieser Wohnblock aus den 70er-Jahren steht zum Verkauf.
© IG HAB

Am Freitagmittag protestierten etwa 100 von ihnen gegen den Verkauf ihrer Häuser und generell gegen den "Ausverkauf der Stadt". "Wer Kreuzberg kaufen will, der bekommt auch Kreuzberg", sagte Kathrin Schmidtberger, mietenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, die ebenfalls auf die Straße ging. Und fügt hinzu: "Damit meine ich Kreuzberger Widerstand".

Die Demonstration führte einmal um den Block herum, der sich von der Friedrich- bis zur Wilhelmstraße und von der Hedemann- bis zur Puttkamerstraße erstreckt. "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Miete klaut", riefen sie dabei, und "Keine Rendite mit der Miete". Auf Transparenten forderten Mieterinitiativen, das Recht auf Wohnen ins Grundgesetz aufzunehmen.

Stadtrat Schmidt will das Vorkaufsrecht anwenden

Der Termin für den Verkauf war für diesen Freitag um 12 Uhr angesetzt. Aktuell ist noch nicht bekannt, ob es heute zum Verkauf kommt und an wen der Zuschlag geht. Als Makler fungiert Engel & Voelkers. Und verdient kräftig mit. "Das ist wirklich ein Problem, das geht so nicht", sagte Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) dem Tagesspiegel.

Er appellierte an das Maklerhaus, als Moderator zu wirken und die Verhandlungen mit der Gewobag wieder aufzunehmen. Und er droht mit einem jahrelangen Rechtsstreit, sollten die Wohnungen wirklich an einen Investor gehen. Weil der Block in einem Milieuschutzgebiet liegt, kann der Bezirk sein Vorkaufsrecht ausüben - zumindest theoretisch. Das Problem könnte nämlich der Preis sein.

Häufig scheitert das Vorkaufsrecht durch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften daran, dass die Kosten für Immobilien zu hoch sind. Schmidt meint jedoch, den Preis drücken zu können, sollte er deutlich über dem Verkehrswert liegen.

Beim jetzigen Eigentümer des Blocks handelt es sich nach Tagesspiegel-Informationen um den Kölner Immobilienfonds INIF 3. KG, der die insgesamt 22 Häuser 1973 bis 1976 mit Wohnungsbaufördermitteln als Sozialbauten errichtete. Architekt war Werner Düttmann, der Bau erfolgte im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA), die Häuser stehen unter Denkmalschutz. Bekannt wurde der Block, weil Sebastian Schipper hier einen Teil seines Kultfilms Viktoria gedreht hat.

Stadtrat Schmidt ruft die Anteilseigner, größtenteils Privatleute, auf, sich für einen Verkauf an die Gewobag einzusetzen.

Finanzsenator gegen Share Deals

Eine weitere Befürchtung von Bewohnern und Politik: Und, dass die Häuser als Share Deal verkauft werden. Dann würde das Vorkaufsrecht nicht greifen, und der Staat bekäme keine Grunderwerbsteuer.

Bei diesem legalen Konstrukt übertragen Gesellschaften keine Grundstücke, sondern lediglich Anteile. Bis zu einem Anteil von 95 Prozent fällt dann keine Grunderwerbsteuer an, weil das Eigentum am Grundstück bei der Gesellschaft verbleibt. Allein in Berlin gehen dadurch mehr als 100 Millionen Euro Grunderwerbsteuer im Jahr verloren. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hat sich vergangene Woche gegen die Share Deals ausgesprochen.

Zur Startseite