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Die Aktivistinnen vom Bündnis „faire share“ haben schon mal getestet, wie sie sich pandemiegerecht aufstellen wollen.
© Elfi Greb / fair share

Für mehr Sichtbarkeit von Künstlerinnen: 49 Frauen wollen Platz vor Berliner Gemäldegalerie besetzen

Ob Museen oder Hochschulen: Im Kunstbetrieb sind Frauen benachteiligt. Darum beteiligen sich am Weltfrauentag 49 Künstlerinnen an einer Besetzung der Piazzetta.

Wie viele Werke von Künstlerinnen hingen zu Beginn des Jahres 2020 im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin? Gerade einmal drei. Auch in der Alten Nationalgalerie sind von 550 Werken, die in der permanenten Sammlung zu sehen sind, nur knapp zwei Prozent von Frauen.

Die zwei Berliner Häuser sind damit nicht allein. In so gut wie allen Kunstmuseen in Deutschland sind Frauen deutlich unterrepräsentiert: So waren von 1619 Einzelausstellungen an 15 wichtigen deutschen Museen zwischen 2000 und 2020 knapp 80 Prozent männlichen Künstlern gewidmet, nur 20 Prozent zeigten Werke von Künstlerinnen.

An den Hochschulen sieht es ähnlich aus: 82 Prozent der Professuren für Kunst und Kunstwissenschaft in der höchsten Besoldungsgruppe (C4) sind mit Männern besetzt. Viele solcher Zahlen, die das Ungleichgewicht der Geschlechter im Kunstbetrieb offenlegen, haben die Gründerinnen des Berliner Aktionsbündnisses „fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen“ zusammengetragen, zu dem einzelne Künstlerinnen sowie Vertreterinnen von mehren Berliner Kunstverbänden zählen.

Besonders das Ungleichgewicht in den staatlichen Institutionen hält Mitgründerin Ines Doleschal für skandalös. „Frauen machen 50 Prozent der Bevölkerung aus und generieren die Steuergelder mit, die diese Häuser finanzieren. Auch deswegen fordern wir mehr Sichtbarkeit“, sagt sie.

Mit einer Performance am Weltfrauentag will „fair share“ dies in den Fokus rücken: Ab 14 Uhr werden 49 Künstlerinnen die Piazzetta vor der Gemäldegalerie besetzen und die Schauspielerin Sarah Sommerfeldt wird 500 Künstlerinnennamen verlesen. Schon im vergangenen Jahr hatte das Aktionsbündnis hier am Weltfrauentag eine Demonstration organisiert.

Anlass war der letzte Tag der Ausstellung „Kampf um Sichtbarkeit: Künstlerinnen der Nationalgalerie vor 1919“ in der Alten Nationalgalerie. Zur Demonstration kamen, wenige Wochen vor dem ersten Lockdown, viele Teilnehmer:innen und Schaulustige.

Bewusst keine Einladungen verschickt

Ein Besucherandrang ist in diesem Jahr nicht gewünscht – im Gegenteil, die Organisatorinnen haben bewusst keine Einladungen versendet. Außerdem haben sie ein Hygienekonzept erarbeitet: Die Frauen halten bei der Performance einen Abstand von zwei Metern und werden pinke Masken tragen. „Wenn doch Schaulustige kommen, gelten natürlich die üblichen Abstands- und Maskenregeln, auf der weitläufigen Piazzetta vor der Gemäldegalerie lässt sich dies auch gut umsetzen“, sagt Doleschal.

„fair share!“ fordert neben der Anerkennung von Künstlerinnen und der Steigerung ihrer Werkpräsenz in den Ausstellungen auch Förderprogramme, die sich speziell an Künstlerinnen mit Kindern richten. „In den Career-Centern der Hochschulen hören angehende Künstlerinnen heute immer noch: Wenn du Karriere machen willst, kriege bloß keine Kinder“, sagt Doleschal.

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„Auch Vorurteile wie jene, dass Frauen niemals zu genialen schöpferischen Akten fähig seien, sind immer noch virulent. Diese im vorletzten Jahrhundert stark verfestigte Meinungen schlagen sich noch heute subtil oder auch mal ganz offen misogyn nieder“, so Doleschal. Dass Frauen im zeitgenössischen Kunstbetrieb deutlich weniger sichtbar seien, sei vor allem deswegen nicht hinnehmbar, weil der Anteil der Absolventinnen an deutschen Kunsthochschulen bei rund 60 Prozent liege.

Künstlerinnen hätten es in Berlin nicht unbedingt leichter als in anderen Städten, sagt Doleschal. Der Gender Pay Gap, also eine Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern, sei auch hier deutlich zu spüren. Künstlerinnen verdienen, das zeigt die Einkommensmeldung bei der Künstlersozialkasse, rund 31 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Zudem sei der Kanon an den staatlichen Häusern der Hauptstadt immer noch weiß und männlich geprägt.

Der Martin-Gropius-Bau hat einen Frauenanteil von 50 Prozent

Es gebe aber ein paar positive Beispiele, sagt Doleschal: Der Martin-Gropius-Bau habe in seinen Ausstellungen fast einen Frauenanteil von 50 Prozent. „Das ist sehr lobenswert.“ Und die Galerie Tanja Wagner vertrete sogar acht Frauen und nur einen Mann. „Wenn im staatlich-geförderten Kunstbetrieb Künstlerinnen sichtbar sind, dann zieht der kommerzielle Kunstmarkt nach, das Kaufverhalten durch die Sammler:innen verändert sich und die Preise steigen. So würde der Gender Pay Gap geringer.“

Die Herausforderungen des Künstlerinnenlebens kennt sie aus eigener Erfahrung. Auch ihre Einkünfte aus Führungen durch die Alte Nationalgalerie sowie das Museum Barberini sind durch Corona nahezu komplett weggefallen.

Sie müsste dringend wieder Zeit für Produktion und Selbstvermarktung finden, sagt sie, doch dafür bleibt neben „fair share!“, coronabedingtem Homeschooling und der Kinderbetreuung kaum Zeit. „Seitdem ich für mehr Sichtbarkeit kämpfe, werde ich selber immer unsichtbarer“, sagt sie.

Sie verstehe, dass manche Künstlerinnen aufgeben. „Künstlerin zu sein ist ein Beruf, der 100 Prozent fordert, fast alle haben nebenher noch einen Brotjob, einige gründen eine Familie. Frauen im Kunstbetrieb müssen sich doppelt anstrengen, um gesehen zu werden. Oft ist all das dann einfach nicht zu stemmen.“

Sarah Borufka

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