Rocker-Kriminalität in Berlin: 28-Jähriger in Lichtenberg erschossen
In Lichtenberg ist am Freitag ein Mann erschossen worden - bei strahlendem Sonnenschein, sein Motorrad liegt noch da. Die Mordkommission ermittelt: Der Mann war Rocker der „Guerilla Nation“.
In Berlin hat Streit unter Rockern erneut ein Todesopfer gefordert. Davon gehen Kenner der Szene aus. Kurz nach 13 Uhr hatte am Freitag ein Unbekannter im Kietzer Weg in Lichtenberg einen Mann erschossen, der ein Abzeichen der „Guerilla Nation“ getragen haben soll. Die multiethnische Truppe ist wie klassische Rocker-Bruderschaften hierarchisch organisiert. Anders als die – in Lichtenberg das Milieu dominierenden – Hells Angels aber gehören der „Guerilla Nation“ nicht nur Motorradfahrer an. Dem Landeskriminalamt (LKA) zufolge werden der Truppe bis zu 60 Männer zugerechnet, die arabische, türkische und deutsche Wurzeln haben. In der Nähe des Tatorts soll sich ein Treffpunkt mit Clubhaus der „Guerilla Nation“ befinden. Außerdem gibt es dort einen bei Studenten beliebten Technoclub. Nicht weit davon schließt das Friedrichshainer Ausgehviertel an. Eine Mordkommission des LKA ermittelt, ein Staatsanwalt war ebenfalls am Tatort, ebenso wie Kriminaltechniker, die den Ort mit einem 3D-Scanner vermaßen. Nach Angaben einer Polizeisprecherin handelt es sich bei dem Opfer um einen 28-Jährigen.
Die Berliner Polizei verbreitete die Nachricht zuerst über Twitter: "In #Lichtenberg starb ein Mann nach einer Schussverletzung", war auf dem Kurznachrichtendienst am Freitag um 14.40 Uhr zu lesen. Und weiter: "Unsere #Moko übernimmt die Ermittlungen. Wir sind unterwegs."
Der Mann ist womöglich vom Motorrad geschossen worden. Er soll sich noch zu einer nahen Werkstatt geschleppt haben, deren Mitarbeiter riefen Feuerwehr und Polizei. Als sie eintrafen, war der 28-Jährige bereits tot. In Lichtenberg ist in den vergangenen Jahren mehrfach auf Rocker geschossen worden. Im August 2009 starb dabei der Hells-Angels-Aussteiger Michael B., im Mai 2012 wurde der Hells-Angels-Boss André S. durch Schüsse schwer verletzt.
Die Männer der „Guerilla Nation“ konkurrieren mit anderen Rockern um den Zugriff auf Bordelle, Diskotheken und Bars. Immer wieder gibt es zwar auch Absprachen zwischen den Gruppen, einzelne Männer dürften zudem befreundet sein – schon weil man sich aus Fitnessstudios, Clubs und Kneipen kennt. Doch um Geld wird schnell so erbittert gekämpft, dass nur alte, feste Cliquen das überstehen. Grundsätzlich erodieren die traditionellen Strukturen im Milieu seit Jahren.
Im Mai wurde ein Treffpunkt der „Guerilla Nation“ in Moabit von Spezialkräften der Polizei gestürmt. Dutzende Rocker hatten sich dort bewaffnet versammelt. Sie sollen einen Angriff auf Hells Angels geplant haben. Im Februar hatte die Polizei bei „Guerilla Nation“-Anhängern in Schöneberg allerlei Messer beschlagnahmt. Zu den Neuen im Milieu, die sich der Insignien der Altrocker bedienen, gehören auch die Männer der „Osmanen Germania“. Dem selbst ernannten Boxclub gehören viele rechtsnationalistische Türken an. Zusammen mit dem inzwischen aufgelösten "Turkos Motorcycle Club" nahmen sie an Märschen regierungstreuer Türken teil. Ein konkurrierender Club sind die „Bulldogs“, denen viele Weddinger Kurden angehören. Traditionelle Altrocker finden sich neben den Hells Angels noch bei den bekannten Bandidos. In den aktuellen Auseinandersetzungen spielen sie kaum eine Rolle. Kenner sagen: Die Bandidos seien schlicht nicht mehr brutal genug.