Nachbarschaftsstreit in Berlin-Rudow: 250.000 Euro Geldstrafe oder Haft für WM-Gegröle
"Maariioo Götzee!". Nach einigen Bieren haben sich Deutschland-Fans auf die Terrasse gestellt und lauthals gesungen. Kein Fall für WM-Schiedsrichter, sondern für Amtsrichter. Das Urteil in diesem speziellen Fall: Bei Zuwiderhandlung droht ein stattliches Ordnungsgeld.
Der Tathergang beginnt beim 1:0 gegen Ghana. Eine Gruppe angetrunkener WM-Fans tritt auf die Terrasse eines Hauses in Rudow und singt im Chor ein Loblied auf den Torschützen Mario Götze. Der Refrain ist relativ einfach: Maariioo Götzee.
Der Männerchor ist beim Deutschland-Spiel, das am Donnerstagabend beginnen sollte, wohl nicht mehr aufgetreten. Das Amtsgericht Neukölln hat eine einstweilige Verfügung gegen den Chorleiter erlassen. Darin wird ihm bis zum Ende der WM „Gesang, Gegröle und lautes Rufen“ außerhalb der Wohnung untersagt. Außerdem wird er verpflichtet, Fenster und Türen „während der Spiele der deutschen Nationalmannschaft bis zum 14. Juli nach 22 Uhr geschlossen zu halten.“ Bei Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld bis zu einer – wohl eher theoretischen – Höchstsumme von 250.000 Euro, „ersatzweise Ordnungshaft“.
Das Amtsgericht war von einer Bürgerin angerufen worden, die schon seit längerem mit ihrem Nachbarn im Clinch liegt. Eine friedliche Einigung am Gartenzaun schien deshalb kaum erfolgversprechend, deutete Ehssan Khazaeli von der Kanzlei Werdermann/von Rüden an. Die Polizei war dem Vernehmen nach schon beim vorausgehenden Deutschland-Spiel eingeschaltet worden. Der Einsatz hatte aber keine nachhaltige Wirkung entfaltet, so blieb nur der Schritt zum Richter.
Viele Nachbarn schauen die WM 2014 gemeinsam
Ein ungewöhnlicher Fall, bestätigt Gerichtssprecher Ulrich Wimmer. Einzuordnen in die Kategorie Nachbarschaftsstreitigkeiten, Unterabteilung Lärm. Partylöwen, die alle zwei Wochen ein Happening auf ihrem Grundstück veranstalten, müssten schon mal mit einer einstweiligen Verfügung rechnen. Zur WM drückten die meisten Nachbarn ein Auge zu oder setzten sich gleich zusammen vor den Fernseher. Die Ordnungsämter vermelden nur leicht erhöhte Beschwerdeeingänge. Auch Richter und Staatsanwälte seien keineswegs fußballfeindlich eingestellt, betont Wimmer.
In diesem speziellen Fall habe man auf die übliche anwaltliche Abmahnung verzichtet, sagt Khazaeli. Es eilte schließlich sehr. Der Richter ließ sich von der sechsseitigen Zusammenfassung der Ereignisse überzeugen und erließ die Verfügung. Noch am Donnerstag sollte sie zugestellt werden, damit gilt sie, sofern der WM-Fan keinen Widerspruch einlegt. Tut er das doch, werde es wohl in der nächsten Woche zur mündlichen Verhandlung kommen, erwartet Khazaeli. Dabei muss das Gericht nicht zwingend eine Vorortvisite anberaumen, denkbar wäre es aber.
Für private WM-Partys gilt die übliche Nachtruhe ab 22 Uhr
Kommerzielle Public-Viewing-Veranstalter konnten eine Ausnahmegenehmigung von den Lärmschutzregeln beantragen. Für private Weltmeisterschafts-Partys gilt dagegen weiter die übliche Nachtruhe ab 22 Uhr. Wenn sich Nachbarn beschweren, klärt die Polizei die Lage vor Ort. Wie viele WM-Lärmbeschwerden es bisher in Berlin gab, konnte die Polizeipressestelle am Donnerstag nicht sagen.