Lehrermangel: Zu wenig Lehramtsabsolventen in Berlin
An den Berliner Universitäten bleiben hunderte Studienplätze im Lehramt unbesetzt, zu wenig Lehramtsabsolventen verlassen die Unis. Dabei ist der Lehrermangel in der Stadt schon jetzt groß.
Die Zahl der Lehramtsabsolventen an Berliner Universitäten bleibt weit hinter den Erwartungen des Berliner Senats zurück. Außerdem sinken die Absolventenzahlen sogar seit mehreren Jahren. Das geht aus der Antwort der Wissenschaftsverwaltung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Anja Schillhaneck hervor. Hunderte von Studienplätzen für angehende Lehrer sind in diesem Herbst unbesetzt geblieben. „Eine Besserung dieses Zustands ist nicht in Sicht“, erklärt Schillhaneck. „Der Senat muss dringend gegensteuern und auf die Einhaltung der Hochschulverträge pochen.“ Auch müsse der Senat reflektieren, ob die geringen Studierendenzahlen nicht auch etwas mit den Arbeitsbedingungen an Berliner Schulen zu tun haben könnten. Die GEW warf dem Senat am Dienstag „jahrelange Versäumnisse“ vor.
Berlins Schulen leiden seit Jahren an Lehrermangel
Berlins Schulen leiden seit Jahren an Lehrermangel. Weil die Bevölkerung schnell wächst, verschärft sich die Lage weiter. Berlins Bildungsverwaltung rechnet damit, dass Berlin zwischen 2015 und 2019/2020 etwa 10 000 zusätzliche Vollzeitkräfte einstellen muss, wie Sprecherin Beate Stoffers mitteilt. Bisher versucht der Senat die Lücken zu stopfen, indem er auf Rekrutierungsmessen Lehrkräfte aus anderen Bundesländern anwirbt oder Quereinsteiger in die Schulen holt. Eine weitere Maßnahme: Die Berliner Unis wurden in den Hochschulverträgen für die Jahre von 2014 bis 2017 verpflichtet, statt wie vorher vereinbart nicht mehr jährlich 850 Lehramtsabsolventen, sondern 1000 zu produzieren.
Davon sind die Unis jedoch noch weit entfernt. Im vergangenen Jahr verließen nur 719 Absolventen die Berliner Unis. Im Jahr 2013 waren es kaum mehr: 739. Dass es in den Jahren 2010 und 2011 noch zwei Kohorten mit über 900 Absolventen gab, erklärt Steffen Krach, Staatssekretär in der Wissenschaftsverwaltung, damit, dass vor dem Auslaufen des Staatsexamens wegen der Einführung des Masters noch viele Studierende ihr Studium beendeten.
Für die kommenden beiden Jahre rechnet der Senat wiederum nur mit jeweils 750 Absolventen, darunter jeweils 80 bis 100 für das Lehramt an Grundschulen, etwa 600 für das Lehramt an Integrierten Sekundarschulen und Gymnasien und 50 für berufliche Schulen sowie 60 bis 70 Absolventen im Fach Sonderpädagogik.
Viele Studienplätze sind in diesem Semester leer geblieben
Schnell wird sich nichts ändern. Denn viele Plätze sind in diesem Herbstsemester leer geblieben. In Bachelorstudiengängen mit Lehramtsbezug oder Lehramtsoption waren es 192 von 2600 Plätzen. Michael Kämper-van den Boogaart, Vizepräsident für Studium und Internationales der Humboldt-Universität, sieht die Ursache im schwer vorhersagbaren Annahmeverhalten der Studienbewerber. Viele derer, die nur für das Erstfach, aber nicht für das gewünschte Zweitfach zugelassen wurden, würden ihren Studienplatz schließlich doch nicht antreten. Überbuchungen seien aber riskant, im Bereich Sachunterricht sei etwa die Grundschulpädagogik der HU völlig überlaufen.
Im Lehrermaster ist der Leerstand jedoch weit größer als im Bachelor. In diesem Semester konnten nach Auskunft des Senats 528 von 1228 Plätzen für Studienanfänger nicht besetzt werden, darunter 117 von 225 Plätzen für das Lehramt für Grundschulen. Gerade für Grundschulpädagogik gibt es aber im Bachelor besonders viele Bewerber: 3000 Bewerbungen wurden in diesem Semester abgelehnt (allerdings bewerben sich viele Studierende gleichzeitig an mehreren Unis).
Warum bleibt trotz der großen Nachfrage für Grundschulpädagogik der Master zur Hälfte leer? Staatssekretär Krach erklärt, die Unis hätten ihre Kapazitäten für das Lehramtsstudium im Bachelor erst mit den Hochschulverträgen von 2010 ausgebaut. Es dauere also, bis diese starken Kohorten den Master erreichen. In der Berliner Grundschule ist der Mangel an Lehrkräften am dramatischsten. Die GEW kritisierte am Dienstag den Mangel an Studienplätzen im Grundschul-Bachelor. HU-Vizepräsident Kämper-van den Boogaart hofft bereits auf eine Aufstockung der Plätze auf das Doppelte.
Nur ausnahmsweise wechseln Studierende aus anderen Ländern nach Berlin
Die vielen freien Plätze im Lehrermaster hält er auch für einen Effekt organisatorischer Notwendigkeiten. Die HU habe dort eine große Kapazität geschaffen, um allen Willigen auch tatsächlich den Übergang vom Bachelor zu ermöglichen – denn mit dem Bachelor kann niemand Lehrerin oder Lehrer werden. Außerdem sei man davon ausgegangen, dass auch aus anderen Bundesländern Lehramtsstudierende in den HU-Master wechseln, was aber nur ausnahmsweise geschehe.
Allerdings kann Kämper nicht erkennen, dass die HU zu wenig Absolventen produziert: „Wir fühlen uns total im Soll“, sagt er. Tatsächlich hat die HU die vorgeschriebene Zahl von mindestens 370 Absolventen bis 2013 stets erreicht. Die FU hinkte hingegen hinterher. Klaus Hoffmann-Holland, der zuständige Vizepräsident, erklärt auf Anfrage, die Humboldt-Universität habe ein breiteres Fächerangebot für lehramtsrelevante Studiengänge, könne also auch mehr Studierende aufnehmen.
Bachelor-Studierende lassen das Lehramt nach ein paar Semestern fallen
Hinzu kommt, dass die Universitäten die Nachfrage nach dem Lehramtsstudium selbst kaum steuern können. Nicht wenige Bachelor-Studierende lassen das Lehramt nach ein paar Semestern fallen.
Staatssekretär Krach will nun gleichwohl auf die Unis einwirken. Zwar gelinge es Berlin, Lehrkräfte aus anderen Ländern zu rekrutieren: „Aber darauf können wir uns nicht verlassen.“ In den Hochschulverträgen für die Zeit ab 2018 müssten „weit mehr“ als die jetzt verabredeten 1000 Absolventen pro Jahr festgeschrieben werden. Es müsse auch darüber nachgedacht werden, „stärker festzulegen, für welche Fächergruppen und Schularten“ bestimmte Absolventenzahlen von den Unis erreicht werden müssen. Aber schon im Vorgriff auf die Hochschulverträge müssten Maßnahmen ergriffen werden. An der Nachfrage der Studierenden mangele es jedenfalls nicht. „Die Bewerberzahlen sprechen dafür, dass genug junge Leute diesen wichtigen Beruf ergreifen wollen“, sagt Krach.